Premiere: 12. März 2022, besuchte Aufführung: 25. März 2022
Regisseur Robert Carsen ist weltweit unterwegs, und seine Arbeiten werden oft als internationale Koproduktionen herausgenbracht. Auch an Rhein und Ruhr war Carsen oft tätig, in Essen hat man seine „Jenufa“ gezeigt“, an der Rheinoper zwei Puccini-Inszenierungen und sein Kölner „Ring des Nibelungen“ wurde sogar nach Venedig, Barcelona und Madrid exportiert. Nun kommt endlich „Don Carlo“ in Essen heraus. Schon im März 2020 wurde die Inszenierung, die 2016 in Straßburg Premiere hatte, bis zur Generalprobe erarbeitet, fiel dann aber der Corona-Pandemie zum Opfer.
Bühnenbildner Radu Boruzescu hat eine schwarze sich nach hinten verengende Kiste gebaut, die als Einheitsbühnenbild dient. Manchmal wird der Raum durch Zwischenwände verengt, in anderen Szenen öffnen sich Fenster und Türen und schaffen die Atmosphäre eines Platzes. Dieser Raum ist vom Regisseur und Peter van Praet schön und stimmungsvoll ausgeleuchtet. Carsen in den meisten Szenen jedoch mehr arrangiert als inszeniert. Richtig überwältigt wird man aber weder von der Optik noch vom Konzept der Inszenierung.
Etwas durcheinander gerät der Regisseur bei der Zuordnung der Personen im Autodafé. Da bei Robert Carsen keine Ketzer auftreten, die hingerichtet werden können, geht es den flandrischen Deputierten an den Kragen. Zu einer Bücherverbrennung werden sie mit Genickschuss getötet.
Drei Stunden erzählt Carsen brav die Geschichte nach, stellt dann aber in der letzten halben Stunde die Geschichte total auf den Kopf. Wie soll hier nicht verraten werden, jedoch kollidiert Carsens Umdeutung frontal mit Verdis Musik und dem Libretto. Insgesamt ist das eine szenisch gediegene Aufführung, von Robert Carsen har man aber schon viele bessere Arbeiten gesehen.
Die Titelrolle singt Gaston Riviero. Der Tenor besitzt eine füllige und kraftvolle Stimme, gestaltet seine Partie aber weitgehend ohne Zwischentöne. Ante Jerkunica singt den König Phillip mit schlanken und schneidendem Bass, Tobias Greenhalgh interpretiert den Marquis Posa mit kantig-markantem Bariton. Mit wuchtiger Bassgewalt singt Karl-Heinz Lehner einen imposanten Großinquisitor.
Die Damen können da weniger überzeugen: Gabrielle Moulhen als Elisabeth verfügt zwar über eine selbstbewusste Höhe, könnte jedoch eine stärkere dramatische Fundierung der Stimme benötigen. In der Mittellage und der Tiefe bleibt die Stimme der Königin blass. Nora Sourouzian, welche die Eboli singt, besitzt einen hell gefärbten Mezzo, Feuer und Durchschlagskraft, die man von anderen Interpretinnen der Rolle gewöhnt ist, kommen bei ihr aber zu kurz.
Dirigent Andrea Sanguineti lässt die Essener Philharmomiker kraftvoll aufspielen und setzt an den dramatischen stellen starke Akzente. Klangfarben und Effekte der Partitur arbeitet der Dirigent spannungsvoll heraus. – Insgesamt erlebt man in Essen eine gediegene, aber nicht sensationelle Aufführung.
Rudolf Hermes, 31.3.2022