Premiere am Samstag 21. Januar 2017
Kauf Dir einen bunten Luftballon…
Wahrscheinlich gibt es kein Haus, an dem nicht alle paar Jahre die Standart- und Lieblingswerke des Publikums "La Boheme", "Cosi fan tutte" und "Rigoletto" immer wieder aufs Neue inszeniert werden. Der letzte "Rigoletto" in Essen ist immerhin bald 20 Jahre her (Anselm Weber, 1999), daher fordert das Publikum mit Fug und Recht einen Neuen.
Heuer nun sollte es Frank Hilbrich richten. In Form eines Psycho-Thriller, wie er sagt. Auch liefert er die Erklärung für die auf der Bühne vorhandene Nicht-Existenz des Buckels gleich mit: Wir zeigen Rigoletto nicht als Behinderten, sondern als einen deformierten Mann, der sich ständig verbiegen muss … über dem Rücken mit einem Buckel aus zerplatzten Luftballons.
Überhaupt spielen Masken eine wichtige Rolle in dieser Inszenierung. So erscheint der Mörder Sparafucile z.B. in der Joker-Maske aus Batman (The Dark Knight, 2008). Der Regisseur erklärt ihn zum bösartigen Doppelgänger Rigolettos, wie sein verzerrtes Spiegelbild. Es bleibt offen, ob er eine eigene Person, oder als Horros-Clown nur die schwarze Seite, das Innerste Rigolettos ist.
Gilda sieht er als Täterin: Sie vertritt ihre Liebe mit einer solchen Unbedingtheit und Rücksichtslosigkeit, dass für Rigoletto kein Platz mehr in seinem Leben bleibt. Und: Sie liebt natürlich auch Luftballons – sie unteres Bild.
Das Regieteam (Bühnenbild: Volker Thiele / Kostüme: Gabriele Rupprecht) inszeniert den letzten Akt als Schauspiel von Rigolettos Rache. Die Schergen des Herzogs verfolgen gespannt und mitgehend eine Art Vorhang–Theater (böse Zungen würden Peep-Show dazu sagen), bis schließlich Sparafucile heraustritt und Gilda übel abschlachtet. Abrupt fliehen sie entsetzt in Panik und Zeitlupe. Das sieht durchaus überzeugend aus, wirkt aber unglaubwürdig, denn immerhin leben diese Gangster ja in Vergewaltigungsorgien und dauerndem Mord und Totschlagalltag.
Es gelingen von Anfang an ganz rauschende Bilder und auch die Idee mit dem Luftballon als Leitmotiv bzw. Roter Faden, überzeugt. Grandios, wenn beim zerbrochenen Rigoletto, der um Gnade für sein Kind bettelnd, dieses Mal alle Luftballons rund um seinen Oberkörper voll aufgeblasen sind – als käme er zur Unterhaltung auf einen Kindergeburtstag. Tiefes menschliches Leid in optisch lustiger Verpackung – das geht unter die Haut.
Luca Grassi spielt diesen Rigoletto so überzeugend, wie er singt. Christina Pasaroiu ist als Gilda begnadet, noch die feinsten Nuancen und Koloraturen gelingen ihr genauso stimmsicher, wie die großen Bögen. Sie hat ein großes "Brava" zu Recht verdient, welches ich dem Herzog von Carlos Cardoso – ganz im Widerspruch zu einigen wohl schwerhörigen Jublern im Premierenpublikum – nicht unbedingt zubilligen würde. Zu eng, zuwenig lyrisch bzw. facettenreich, zu trompetenhaft klingt sein Tenor. Immerhin singt er schön… – schön laut. Eine ideale Stimme für die Arena di Verona. Till Faveyts (Sparafucile) überzeugt stimmlich und darstellerisch in der düsteren Rolle des Straßenmörders.
Die Comprimarii: Till Faveyts (Sparafucile), Bettina Ranch (Maddalena), Baurzhan Anderzhanov (Monterone) und Mateusz Kabala (Ceprano) singen auf gutem Stadttheaterniveau klaglos.
Die Essener Philharmoniker spielen unter dem aufmerksam mitatmenden und immer sängerfreundlich dirigierenden Matteo Beltrami ganz vorzüglich auf. Am gut agierenden und vorzüglich singenden Opernchor unter Patrick Jaskolka ist nicht auszusetzen; der Chor ist auch darstellerisch – wie immer – hoch überzeugend.
Fazit: Nichts überragend Weltbewegendes, aber für Repertoire der nächsten zehn bis zwanzig Jahre, also für die Theatergemeinden und Abos, eine gediegene spannende Geschichte; so modern wie werktreu inszeniert. Lesen Sie nicht das Programmheft…
Peter Bilsing 25.1.2017
Bilder (c) Aalto / Matthias Jung