Die Theaterwelt lädt immer wieder zu schönen Zeitreisen ein, erst letzte Woche wurde man in Düsseldorf ins Berlin der 20er Jahre versetzt, am 08. Februar 2020 stand nun im Essener Aalto-Theater die Premiere von „Yesterdate“ auf dem Spielplan. In dieser Musical-Revue von Heribert Feckler und Marie-Helen Joël treffen sich die alten Freunde Bärbel, Gunda, Lutz, Rolf und Kenneth nach dreißig Jahren wieder, um ein Benefizkonzert zugunsten unverheirateter junger Mütter zu spielen.1966 hatten sich kurz nach dem Beatles-Konzert in der Grugahalle ihre Wege getrennt. Bärbel und Lutz sind inzwischen verheiratet, er hat inzwischen Karriere als Chefarzt gemacht. Kenneth betreibt einen Klamottenladen auf der Londoner Carnaby Street, den er von seinen Eltern übernommen hat und Rolf bringt seine Ehefrau Penny mit, eine erfolgreiche Jazzsängerin, für die er seine eigene Gesangskarriere aufgab. Inzwischen ist Rolf als Manager seiner Frau tätig. Auch Gunda hat als Unternehmensberaterin Karriere gemacht, bringt zum Treffen aber zur Überraschung der anderen ihren fast 30-jährigen Sohn Alexander mit, um ihn mit seinem bisher geheim gehaltenen Vater bekannt zu machen.
Soweit die Eckdaten der Geschichte, denn die Handlung spielt an diesem Abend eine eher untergeordnete Rolle. Im ersten Akt schwelgen die Akteure nahezu konfliktfrei in alten Erinnerungen. Dies nutzt Marie-Helen Joël, die sich in Personalunion auch für die Inszenierung und das Bühnenbild verantwortlich zeichnet und die Rolle der Bärbel besetzt, um den Zuschauer mit alten Fakten aus den Sechzigern vertraut zu machen, sei es die Erfindung des Kassettenrekorders 1963, die bereits erwähnte „Bravo Beatles-Blitztournee“ die die Band auch nach Essen führte oder die „Internationalen Essener Songtage“ im September 1968. Hin und wieder sind es vielleicht etwas viele Fakten auf einmal, da ist man als Zuschauer froh, wenn Alexander Franzen als Rolf eine wunderbare Elvis-Imitation auf die Bühne bringt. Ein weiteres Highlight des ersten Aktes ist eine großartige Version von Pinnball Wizard der britischen Rockgruppe The Who durch Henrik Wager (Kenneth), der im Laufe des Abends immer wieder sein Können als Rocksänger zeigen darf. Auch eine a-cappella-Version bekannter Beatles-Hits durch alle sieben Darsteller kann vollständig überzeugen. Später am Abend folgt noch eine wunderbare Kombination von großen Beatles-Klassiker, die übereinander gesungen werden. Auch eine eigens für Essen komponierte „Zollverein-Hymne“ darf im Stück nicht fehlen.
Im zweiten Akt gibt die alte Band „Dropping Softice“, der Name unter dem die fünf Freunde früher aufgetreten sind, dann verstärkt durch Penny und Alexander das erwähnte Benefizkonzert, so dass die Handlung hier mehr oder weniger gar nicht mehr stattfindet und man sich ganz der Musik hingeben kann. Hierbei setzt man auf einen breiten Abriss quer durch die Musik der 60er Jahre, von Schlager, Rock und Pop bis zum Chanson. Hin und wieder werden einzelne Nummer etwas mehr inszeniert, so z. B. ein Telefonat zweier Freundinnen die sich am Telefon in Form von „Schuld war nur der Bossa Nova“ und „Ich will keine Schokolade“ gegenseitig von ihren letzten Tagen berichten. Gut beim Publikum kommt auch immer wieder „Marmor, Stein und Eisen bricht“ von Drafi Deutscher an, ein echter Klassiker aus dem Jahr 1965. Doch auch die internationalen Hits fehlen natürlich nicht, ganz wunderbar hier z. B. das ruhige „The Sound of Silence“ von Simon & Garfunkel welches Henrik Wagner zusammen mit Thomas Hohler präsentiert, deren Stimmen hier wunderbar harmonieren. Das gleiche gilt für „Father and Son“ von Cat Stevens, perfekt dargeboten von zwei sehr talentierten Musicaldarstellern. Auch Brigitte Oelke als Alexanders Mutter Gunda, die als Killer Queen im Queen-Musical „We will rock you“ im gesamten deutschsprachigen Raum große Erfolge feierte (u. a. auch im Essener Colosseum Theater), konnte bei Yesterdate mit ihrer großartigen Rockstimme ebenso überzeugen wie bei den etwas leiseren Nummern.
Die beiden Ensemble-Mitglieder Christina Clark (Penny) und Albrecht Kludszuweit (Lutz) überzeugen mit sehr starken und gut ausgebildeten Stimmen auf ganzer Linie und runden die in allen Teilen überzeugende Cast sehr gut ab. Schade ist hierbei lediglich das die Tonabmischung im Theater noch nicht ganz funktionierte, besonders im ersten Akt gehörten verspätet aufgedrehte Mikrofone und eine nicht ganz passende Abmischung von Musik und Gesang leider ständig dazu. Hier bleibt zu hoffen, dass man dies bei den Folgevorstellungen besser in den Griff bekommen wird. Das United Rock Orchestra unter der musikalischen Leitung von Heribert Feckler spielt auf jeden Fall sehr souverän und ist im zweiten Akt dann auch mittig auf der Bühne untergebracht. Zu erwähnen wären noch die vielen bunten Kostüme von Ulrich Lott, die ebenfalls dazu beitragen, dass sich das Publikum durch die Zeitmaschine Theater in die 60er-Jahre versetzt fühlt und am Ende zu stehenden Ovationen und mit vielen Luftballons und Konfetti ausgelassen mitfeiert.
Markus Lamers, 09.02.2020
Bilder: © Matthias Jung