Über Wagner-Literatur, unabgeschlossene editorische Wagner-Großprojekte und spektakuläre Neuerwerbungen des Richard Wagner Museums zu Bayreuth – Eine Bilanz
Obwohl die Auseinandersetzung mit Richard Wagner und seinem Werk schon mehr als einhundertfünfzig Jahre andauert, ist sie in vielem so emotional und kontrovers wie eh und je. Nur über wenige Gestalten der Weltgeschichte ist so viel geschrieben worden wie über Richard Wagner. Er gehört neben Friedrich Nietzsche mit „Karl Marx, Sigmund Freud und Martin Heidegger zu denjenigen Autoren des deutschsprachigen Raumes, die die europäische Geistesgeschichte bis heute am nachhaltigsten beeinflusst haben“ (Ulrich Müller). Was Wunder: Richard Wagner war ohne Frage der schreib-, mitteilungs- und selbsterklärungsfreudigste, essayistisch wie kunsttheoretisch produktivste, schließlich der dezidiert politischste Komponist des neunzehnten Jahrhunderts. Unmengen nichtwissenschaftlicher, meist biographischer, aber auch journalistischer Publikationen haben dazu beigetragen, dass die Wagner-Literatur ins Gigantische anwachsen ist. Trotzdem kann man Lore Lucas nur beipflichten, wenn sie schreibt: „Widersprüchlich, grenzenlos subjektiv und unkritisch spiegelt sich das Phänomen Richard Wagner … im Urteil seiner Zeitgenossen und der folgenden Generation. Es fehlt in wissenschaftlicher Hinsicht ein objektiver Standpunkt zum Werk und Ideengut Richard Wagners – den auch unsere Zeit noch nicht gefunden hat.“
Zwei dicke Bände (fast 2000 Seiten) der von Steffan Prignitz herausgegebenen Richard-Wagner-Bibliographie, die 2019 im Verlag Königshausen und Neumann erschienen ist – Prignitz nennt eine Zahl von etwa 100.000 Wagner-Titeln – mag die Tatsache der widersprüchlichen, mit Verlaub gesagt großenteils verzichtbaren, Wagnerliteratur belegen.
So kontrovers die Publikationen über das Werk Wagner sind, so unstrittig sind immerhin vier Publikationen der letzten Jahre von überragender Wichtigkeit für die Beurteilung des Menschen Wagner: Die opulenten, mit viel Bildmaterial ausgestatteten, informativen Dokumentationen dürfen geradezu als Standwerke gelten: „Wandrer heißt mich die Welt. Auf Richard Wagners Spuren durch Europa“, „Wahnfried, das Haus von Richard Wagner“, ,,Das Richard Wagner Festspielhaus Bayreuth“ und „Prachtgemäuer. Wagner-Ort in Zürich, Luzern, Tribschen und Venedig“. Auch das Buch „Richard Wagner in der zeitgenössischen Fotografie“ darf als Standardwerk gelten, alle erschienen im Con Brio Verlag. An Biographien sind allenfalls eine Hand voll guten Gewissens zu empfehlen.
Es gilt zu bedenken, was schon der große Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick konstatierte: „Kein Musiker ist uns noch begegnet, so unfähig oder leidenschaftlich, die glänzende Begabung und erstaunliche Kunst Wagners zu verkennen, seinen enormen Einfluss zu unterschlagen, sich dem Großen und Genialen seiner Werke selbst bei eingestandener Antipathie zu verschließen.“ In unseren Tagen hat auch Martin Geck, einer der profundesten Wagnerkenner, er war Gründungsredakteur der Richard-Wagner-Gesamtausgabe bei Schott, zu bedenken gegeben: „Wagner ist ein singuläres Phänomen, ob man ihn mag oder nicht. Aber man sollte sich davor hüten, ihm auf den Leim zu gehen.“ Zumal er selbst in seinen offiziellen wie privaten, den brieflichen wie essayistischen Äußerungen nie zwischen Leben und Werk, Wirklichkeit und Phantasie getrennt und allerhand Selbstmystifikationen inszeniert habe. „Zu schweigen von Cosimas 2000 Seiten umfassenden Tagebuchaufzeichnungen mit ihren Gedächtnislücken und Stilisierungen Wagners.“
Martin Geck hat sein Leben lang Wagnerphilologie betrieben. In seinem letzten Wagner-Buch – vielleicht dem wichtigsten Buch zu Wagners 200. Geburtstag – zog er ernüchternd Bilanz: Die Wagnerforschung – und er wusste, wovon er redete – sei immer wieder in die Fallen Wagners getappt. Viele Wagnerbiographen seien „wie die Fliege in den Mus-Topf gestürzt“. Selbst Martin Gregor-Dellin, der wohl prominenteste Wagnerbiograph schreibt, es sei unmöglich, auf der Basis der vorhandenen Quellen ein „objektives und zugleich aussagekräftiges“ Wagner-Bild zu erstellen.
Daher hat Martin Geck beschlossen, Wagner nicht mehr „auf die Schliche kommen“ zu wollen, sondern uns und unserem heutigen Umgang mit Wagner. Vielleicht der ehrlichste Umgang mit Wagner. Es geht ihm also um den Brückenschlag zwischen einstigen und heutigen Wagnerdiskursen, wobei er in seinem Skeptizismus Diskurse grundsätzlich nurmehr als „Sprachspiele“ betrachtet. Und bei Spielen geht es nicht um die Wahrheit.
Was uns heute an Wagner angeht, was er uns noch zu sagen hat, das ist es, was Martin Geck interessierte. Eine Mischung aus Faszination und Grauen. Wobei der Autor gesteht, dass seine Wagnersicht „eher von Teilnahme à la Thomas Mann als von Zorn im Sinne der enttäuschten Liebhaber Nietzsche und Adorno geleitet“ sei. Nur darüber, was bei aller Widersprüchlichkeit fasziniere, könne man schreiben.
Wagner habe mit seinen Bühnenwerken „Rituale gegen die Angst“ geschrieben. Kunst sei für ihn „Rettung vor der Wahrheit“. Wagner sei am Ende der Romantik ein „Spürhund der Moderne“ gewesen. Viele Wagnerbiographen befleißigen sich, die „vielen Lücken unserer Kenntnis von Lebenslauf und Biographie“ durch den „gefügigen Kitt erzählerisch-spekulativer Phantasie zuzuschmieren“, wie Ulrich Konrad über die Mozartliteratur urteilte. Das Feld der Wagnerliteratur ist immer noch unüberschaubar und unbefriedigend.
Bis heute scheiden sich an Richard Wagner die Geister. Vorurteile, Unkenntnis und Missverständnisse, auch verhärtete Ideologien bestimmen nahezu jede Wagnerdebatte. Umso wichtiger sind verlässliche Editionen, Orte und Institutionen der Information und Dokumentation.
Immerhin, das musikalische Schaffen des Komponisten liegt inzwischen komplett vor. Die im Schott Verlag erschienene Wagner-Gesamtausgabe (57 Bände) der Partituren macht zuverlässig das musikalische Werk Wagners zugänglich. Das im Rahmen dieser Ausgabe erschienene „Wagner Werk-Verzeichnis“ (Verzeichnis der musikalischen Werke Richard Wagners und ihrer Quellen) von John Deathridge, Martin Geck und Egon Voss darf als unverzichtbar für jeden gelten, der sich mit Richard Wagner beschäftigt. Ebenso wichtig ist Bd. 31 der Sämtlichen Werke „Dokumente und Texte der unvollendeten Bühnenwerke“. Ohne die Kenntnis der geplanten, aber nicht musikalisch ausgeführten Werk, ist der Europäer Richard Wagner (der er ja sein wollte) gar nicht zu begreifen.
Doch Ansonsten herrscht (bis auf eine Ausnahme) Handlungsbedarf. Seit März 1997 wird an einer Gesamtausgabe der Briefe Richard Wagners gearbeitet. Die Briefe Wagner sind von eminenter Bedeutung, denn aus den Briefen Wagners gewinnt man ein anderes Bild als in den meisten Wagner-Biographien. Das Projekt stellt eine Fortsetzung der vorübergehend zum Stillstand gekommenen Ausgabe Richard Wagner: Sämtliche Briefe dar (9 Bde., Leipzig 1967-2000) dar. Die Arbeitsstelle wird seit Anfang 2006 als Langzeitprojekt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Die Herausgabe erfolgt im Auftrag der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth. Wann sie jemals zum Abschluss kommt, steht in den Sternen, da immer noch neue, bisher unbekannte Briefe Wagners auftauchen. Richard Wagner war einer der fleißigsten Briefeschreiber seiner Zeit. 27 Bände sind bereits erschienen, gegenwärtiger Stand ist das Jahr 1875. Wann die Ausgabe abgeschlossen sein wird, ist völlig offen.
Auch der Plan einer Richard-Wagner-Gesamtausgabe (und zwar der Werke und der Texte!)ist bisher nicht über eine Absichtserklärung hinausgekommen. Der nunmehr dritte Versuch einer Gesamtausgabe soll die erste kritische, wissenschaftlich fundierte Edition sein, erarbeitet auf der Grundlage sämtlicher heute erreichbarer Quellen und der neuesten Erkenntnisse der Wagner-Forschung. Die Herausgeber betonen: „Da Wagner sein eigener Textdichter und Librettist war – es gibt nur wenige Werke mit Texten anderer -, und Text und Musik im Werk eine Einheit bilden, die selbstverständlich als Ganzes und einheitlich zu edieren ist, müssen auch die Texte und Textbücher Gegenstand der Edition sein. Dies gilt nicht nur für die vollendeten Werke, sondern auch für die unvollendeten“
Zahlreiche bislang völlig unbekannte, zum Teil unveröffentlichte Werke und vor allem Werkfassungen werden zum ersten Mal publiziert. Zugleich wird den Wagneraufführungen ein gesichertes Material und Wagner-Forschern wie -Liebhabern ein authentischer Text bereitgestellt; denn entgegen einer weit verbreiteten Ansicht liegen auch die bekannten Werke Wagners nicht durchweg in zuverlässigen Ausgaben vor. Von ausführlichen Dokumentationen zu allen Werken werden Entstehung, Werkgeschichte und von Wagner selbst geleitete Aufführungen dargestellt, so dass sich ein nahezu lückenloses Bild der Intentionen Wagners ergibt.
Die Editionsarbeiten (eine Vielzahl von Spezialisten und Gelehrten wurden für das Vorhaben gewonnen) werden gefördert durch die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, vertreten durch die Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Bonn, und des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst, München. Die Ausgabe soll im Schott Verlag erscheinen, wann ist völlig offen.
Gewissermaßen ein Fels in der Brandung ist das seit 1976 bestehende Bayreuther Richard Wagner Museum mit Richard Wagners ehemaligem Wohnhaus „Wahnfried“ im Zentrum, dem Siegfried-Wagner-Hauss und einem Neubau, der tief unter die Erde reicht. Es wurde 2015 nach fünfjähriger Sanierung, vollständiger Neugestaltung und baulicher Erweiterung wiedereröffnet. Über die Neukonzeption, Erweiterung und Neugestaltung des Museums gehen allerdings die Meinungen auseinander. Es präsentiert sich seitdem mit drei Dauerausstellungen, ergänzt durch mehrere Sonderausstellungen pro Jahr.
Urenkelin Nike Wagner, die in ihrer überarbeiteten Eröffnungsrede „Neuwahnfrieds“, den Finger an die neuralgischen Punkte der Neukonzeption des Museums legte, erinnerte an die „Mühen des langen Weges zu Wahnfried heute, die Diskussionen, Wettbewerbe, Zuständigkeitsprobleme und Versäumnisse.“ Sie bescheinigte dem „neuen Wahnfried“ zwar, „nach allen Regeln zeitgenössisch-interaktiver Museumspädagogik, barrierefreier correctness und klimatischer Zentralsteuerung“ den Anschluss an die Gegenwart gefunden zu haben, aber „zum Preis der Nichtwiederherstellung der historischen Gartenanlage“, in der sich nun Volker Staabs Neubau befindet, „in den die Theatergeschichte der Familie Wagner mitsamt Museums- und Archiv-Depot unter Tage verlegt wurde, in Nacht und Künstlichkeit, in ein gewaltiges Nibelheim“.
Die Museumsleitung indes betont: „Richard Wagner war an der Planung seines ersten eigenen, von seinem königlichen Gönner Ludwig II. von Bayern finanzierten Hauses „Wahnfried“ maßgeblich beteiligt. Nach seinem Tod blieb es bis 1966 Familiensitz. 1945 schwer kriegszerstört, wurde das Haus 1974 bis 1976 im originalgetreuen Zustand wieder aufgebaut. Der dauerhafte Erhalt des denkmalgeschützten Hauses ist die Voraussetzung aller künftigen musealen und wissenschaftlichen Aktivitäten. Hierfür bilden Sicherung, Erhalt und Erschließung des vielschichtigen und kulturhistorisch überragenden Erbes im Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung die Grundlage.
Die neue Dauerausstellung will nicht nur anhand von Originaldokumenten in das Thema einführen und informieren, sondern lädt die Besucherinnen und Besucher auch ein, sich in einer multimedialen Präsentation reflektiert und kritisch mit den vielfältigen Facetten des Werks Richard Wagners auseinander zu setzen.
Die Voraussetzung für eine fundierte und attraktive Ausstellungstätigkeit sind zum einen eigenständige wissenschaftliche Forschung, zum anderen eine kontinuierlich nach fachlichen Gesichtspunkten fortzuentwickelnde Sammlung. Neben der Dauerausstellung ergänzen Sonderausstellungen die Vermittlungsarbeit und eröffnen zusätzliche Perspektiven auf das Thema. Kleine Präsentationen können als Wanderausstellungen konzipiert und an verschiedenen Orten im In- und Ausland gezeigt werden. Zur nachhaltigen und dauerhaften Sicherung, Konservierung und Aufbewahrung wertvoller Objekte und einmaliger Dokumente ist ein modernes Depot vorhanden, das den internationalen technischen und konservatorischen Anforderungen entspricht.“
Das „Richard Wagner Museum mit Nationalarchiv und Forschungsstätte der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth“ ist die zentrale und weltweit mit Abstand größte und bedeutendste Wagner-Sammlung und untersteht seit 1993 der Leitung von Dr. Sven Friedrich. Immer wieder gelingt es dem Museum respektive seinem Leiter, bedeutende Neuerwerbungen an Land zu ziehen.
Den Grundstock des Nationalarchivs der Richard-Wagner-Stiftung bildet das mit Stiftungsgründung 1973 erworbene Richard-Wagner-Familienarchiv (auch: Richard-Wagner-Archiv/Wahnfried-Archiv). Im Zuge der Gründung der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth 1973 verkaufte die Familie Wagner das Archiv für 12,4 Mio. DM an die drei Stiftungsträger Bundesrepublik Deutschland, Oberfrankenstiftung und Bayerische Landesstiftung, die es wiederum der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth zur Verwaltung im Rahmen einer öffentlichen Institution als Dauerleihgabe überließen.
Einen weiteren Bestandteil stellen die Archive und Bibliotheken der ehemaligen städtischen Richard-Wagner-Gedenkstätte dar. Sie beruhen ihrerseits auf der Bibliothek Carl Friedrich Glasenapps (1847–1915), Verfasser der ersten und umfangreichsten Wagner-Biographie, und einer Sammlung verschiedener Schrift- und Bilddokumente. Der Leiter der Richard-Wagner-Gedenkstätte Dr. Manfred Eger (1927–2016) übernahm mit der Eröffnung des Richard Wagner Museums Bayreuth im Haus Wahnfried 1976 auch die Verwaltung des Nationalarchivs. Archiv und Verwaltung befanden sich zunächst in den Räumen des „Chamberlain-Hauses“ in unmittelbarer Nachbarschaft von Haus Wahnfried.
Seit 1986 gehört die Zustiftung Wolfgang Wagner zum Richard Wagner Museum mit Nationalarchiv. Sie umfasst Material zur Geschichte der Bayreuther Festspiele aus den Jahren 1951 bis 1986 und stellt die chronologische Fortführung des Richard-Wagner-Familienarchivs dar. Nach der Neueröffnung des Museums 2015 wurde das rund 230 laufende Regalmeter umfassende Dokumentarmaterial nach Wahnfried verbracht und ist nun nach Abschluss eines drittmittelgeförderten Digitalisierungs- und Erschließungsprojekts als Teil der Sammlung online recherchierbar.
Nach Maßgabe der Satzung der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth verwaltet und bewahrt das Nationalarchiv seine Bestände nach den geltenden wissenschaftlichen und konservatorischen Grundsätzen des Bibliotheks- und Archivwesens.
Weiterhin ist es dazu bestimmt, Dokumente in Schrift und Bild sowie Druckwerke und Gegenstände, die Leben, Schaffen und Nachwirkung Richard Wagners betreffen, zu sammeln und zu bewahren, um sie als öffentliche Forschungsstätte für wissenschaftliche Forschungen und Veröffentlichungen sowie im Rahmen von Dauer- und Sonderausstellungen des Richard Wagner Museums (Haus Wahnfried) zur Verfügung zu stellen.
Wie in jedem Jahr präsentierte auch in diesem das Richard Wagner Museum Bayreuth zum Beginn der Festspiele 2025 in seiner Schatzkammer wertvolle Originalhandschriften Richard Wagners zur jeweiligen Neuproduktion.
In diesem Jahr steht aus Anlass der Neuinszenierung der „Meistersinger von Nürnberg“ eine spektakuläre Neuerwerbung von hoher kunst- und musikgeschichtlicher Bedeutung im Zentrum: ein Prunktaktstock, den König Ludwig II. von Bayern Richard Wagner aus Anlass der Uraufführung des Werks am 21. Juni 1868 im Königlichen Hof- und Nationaltheater München geschenkt hat.
„Das kostbare Artefakt ist von höchster kunsthandwerklicher Qualität, aus edlem Ebenholz gefertigt und mit einem ziselierten silbernen Laubwerk verziert. Zwei Gravuren kennzeichnen es als persönliches Geschenk König Ludwigs II. von Bayern an Richard Wagner. Die Inschrift „Dem großen künstlerischen Genius – dem treuen Freunde 1868“ zeugt von der außerordentlichen Wertschätzung, die der König dem Komponisten entgegenbrachte. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich das königliche Monogramm unter einer Krone, gefasst in Gold und Edelsteinen, darunter Diamanten.
Dazu gehört ein originales Etui, ausgekleidet mit königsblauem Samt und mit einer silbernen Plakette versehen, welche die Provenienz dokumentiert: Im Februar 1924 übergab Richard Wagners Sohn Siegfried den Taktstock an den New Yorker Juristen Ashley Trimble Cole, wohl als Dank für eine großzügige Unterstützung der Bayreuther Festspiele.“
Dieses Geschenk an Richard Wagner symbolisiert als Schlüsselobjekt zwischen Musikgeschichte und Erinnerungskultur die Geschichte des königlichen Mäzenats, künstlerischem Selbstverständnis und kultureller Tradition.
Das besondere Objekt konnte erst vor wenigen Wochen und mit großzügiger Förderung durch die Oberfrankenstiftung erworben werden. Seit dem 15. Juli 2025 ist das Exponat in der Schatzkammer des Richard Wagner Museums, Haus Wahnfried, zu sehen.
Schon vor einigen Monaten konnte Museumsdirektor Dr. Sven Friedrich bei Christie’s, London, Richard Wagners Erstschrift des Librettos zum Tannhäuser für das Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth ersteigern und so auf Dauer für die Öffentlichkeit und die Forschung sichern.
Das Autograph ergänzt die Handschriftensammlung des Nationalarchivs um ein bislang fehlendes Glied und schließt damit auch die entstehungsgeschichtliche Dokumentationslücke zwischen Prosaentwurf und Reinschrift des Librettos.
Das Manuskript mit dem ursprünglichen Titel „Der Venusberg“ umfasst den Originalumschlag, ein Titelblatt sowie 17 Seiten, 352 x 213 mm auf zehn Doppelblättern, am Ende signiert mit „Richard Wagner“. Dank seiner akribischen Datierungen kann die bislang unsichere genaue Entstehungszeit nunmehr exakt mit dem 29. Januar bis zum 22. März 1843 angegeben werden. Das Konvolut enthält den ursprünglichen Text mit zahlreichen Korrekturen, Streichungen und Ergänzungen. Es weist gegenüber der Reinschrift, die sich bereits im Bayreuther Wagner-Archiv befindet, zahlreiche Unterschiede im Text, bei den Regieanweisungen, der Nummerierung und Aufteilung der Szenen und anderen Details auf. So dokumentiert das Manuskript die bislang unbekannte Urschicht der Dichtung und deren Weiterentwicklung. Es ist damit editionswissenschaftlich von besonderer Bedeutung. Hierzu zählen auf der Rückseite des unteren Deckblatts neben einer Reihe von Anmerkungen und einigen musikalischen Notaten auch ein zusätzlicher Abschnitt mit sechzehn Zeilen (vier davon gestrichen): eine frühe, später jedoch geänderte Fassung des „Gesangs der älteren Pilger“ sowie eine Widmung an Wagners Zürcher Freund Wilhelm Baumgartner (1820-1867), dem er das Manuskript zu Neujahr 1852 schenkte.
„Wagner-Handschriften im hier vorliegenden Umfang und als geschlossenes Konvolut sind extrem selten. Bis 1996 galt das Manuskript überdies als verschollen. Erst am 6. Dezember 1996 wurde es bei Sotheby’s versteigert (Einlieferer unbekannt) und gelangte so in die bedeutende Sammlung des am 15. April 2020 verstorbenen Kunstsammlers Helmut Nanz, die nun bei Christie’s zur Versteigerung kam. Damit ist das Manuskript die wichtigste in den letzten 20 Jahren auf den Markt gelangte Handschrift Richard Wagners. Der Zuschlag erfolgte bei 95.000 £, das ergibt mit Aufgeld und Steuern rd. 140.000 €. Die Erwerbung wurde zu je einem Drittel der Kosten von der Kulturstiftung der Länder und der Oberfrankenstiftung gefördert. An Richard Wagners 212. Geburtstag, dem 22. Mai 2025 wird das Manuskript von Vertretern der Richard-Wagner-Stiftung und den Förderern im Haus Wahnfried erstmals öffentlich präsentiert.“ (Richard-Wagner-Museum)
Wagner und kein Ende. Man darf gespannt ein, was als Nächstes gefunden und erworben wird und wie es weitergeht mit den editorischen Wagnerprojekten, ganz zu schweigen von den Wagner-Inszenierungen nicht nur bei den Bayreuther Festspielen.
Dieter David Scholz, 18. August 2025