Am 10. Juni 2025 starb er mit 95 Jahren in Düsseldorf: Günther Uecker. Bayreuth-Freunde werden ihn kennen: Lange vor Henning von Gierke, Neo Rauch und Rosa Loy (und nach Ewald Mataré) hatte sich der Bildkünstler an einem Bayreuther Lohengrin beteiligt, hatte ihm 1979, inszeniert von Götz Friedrich, eine unverwechselbare Façon gegeben: die Façon des Genagelten.

Götz Friedrich hat seine Zusammenarbeit mit Uecker so beschrieben:
„Ich war mir mit Uecker darüber einig, dass die räumliche Spannung zwischen Elsa, die das Wunder gleichsam gebärt, und der Schwanenerscheinung so weit sein sollte wie im Bayreuther Festspielhaus nur möglich. Auf der Hinterbühne war ‚das Wunder‘ verborgen. Eine mit Nägeln beschlagene große Platte verschließt diese Dimension wie einen Zauberschrein, der sich nur zweimal öffnet…“ Die Spielfläche war aus echtem Blei, die sich „wie ein riesiger Schild – Symbol der patriarchalisch-militanten Ordnung – auf alles gelegt hat, auch alte Holzbohlen zerbrechend, die auf der Vorbühne zerstört, verkohlt nach vorn ragen.“ Und weiter: „Lange rangen wir um die Definition des Historischen. Illusionierendes Dekor verbat sich Uecker…“
Friedrich Dieckmann hat in seiner Premieren-Rezension die genau beschriebene Ausstattung vor der Regie gelobt, die er als „Staatstheater“ bezeichnete. Sein Schluss: „Rote Rosen auf schwarzen Stufen, Schwanenschleppe zwischen Orgelpfeifen – man wünschte wohl, Uecker bliebe bei seinen Nägeln, von denen er wirklich etwas versteht. Diese Stilbühne aus dem Geist von Hellerau ist in ihrer steilen Strenge ertötend und in ihren Auflockerungen erheiternd. (…) ‚Nacht muss es sein, wenn Ueckers Nägel blitzen‘ – bei manch fesselnder und schöner Einzelheit erstickt die Oper in dieser ausgezirkelten Finsternis, und wenn zum Schluss der eiserne Gottfried nicht wäre, müsste man an dem Abend (…) schier verzagen.“
Das klingt brutal, aber wer Dieckmanns scharfen analytischen und dramaturgisch versierten Verstand kennt, könnte vermuten, dass an dieser natürlich strikt subjektiven Einschätzung – in Bezug auf das Werk selbst – etwas dran sein könnte. Man wäre zumindest gern dabei gewesen – als Uecker seine sehr besondere Kunst an Wagners Opus wandte. Nun aber kann man noch einige Tage die Ausstellung Günther Uecker, Bühnenskulpturen und Figurinen für Lohengrin, Bayreuth 1979 in der Galerie Walter Storms in München besuchen, in der einige der Entwürfe und Bühnenbaumodelle sowie eindrucksvolle SW- (das heißt ausnahmsweise nicht „Siegfried Wagner“, sondern „Schwarzweiß“)-Modellfotos von damals von damals gezeigt werden. Man kann sie jedem, der an dieser Produktion, der Oper an sich und moderner Kunst interessiert ist, nur empfehlen, denn sie gibt einen intimen Eindruck in die Prinzipien dieser Bühnenausstattung. Sie wurde übrigens – was für eine Koinzidenz für den Festspielfreund – schon vor dem Tod des großen Nagelkünstlers geplant.
Wenn man dann noch das Glück hat, den liebenswürdigen Galeristen Walter Storms, der Uecker seit Jahrzehnten kannte, zu sprechen, wird der Besuch zu einer Zeitreise in das „alte“ Bayreuth. Storms, eingeladen von Uecker, war jedenfalls damals schier begeistert vom Auftritt Lohengrins, vom Bild, vom Optischen. Das Video der Aufführung von 1982 gibt davon zwar nur einen schwachen Eindruck, aber immerhin: ab 33:00.
Frank Piontek, 22. Juli 2025
Günther Uecker, Bühnenskulpturen und Figurinen für Lohengrin, Bayreuth 1979
Galerie Walter Storms. München, Schellingstraße 48 bis 9. August 2025