Halberstadt: „Rusalka“, Antonín Dvořák

Antonín Dvořák und sein Textdichter Jaroslav Kvapil gaben ihrem Werk die Bezeichnung „Lyrisches Märchen“. Die Geschichte von einer unmöglichen und dennoch bedingungslosen Liebe zwischen zwei Wesen, die verschiedenen, unvereinbaren Welten angehören, gehört zum Bereich des Märchens. Das erkennt man an dem Wassermann, der Hexe und natürlich an den Waldelfen und den Schauplätzen, dem mondbeschienenen Wald und dem Schloss des Prinzen. Mit dem psychologisch fein ausdifferenzierten Charakter der Titelfigur und ihrem Verhalten anderen gegenüber geht die Oper jedoch weit über Märchenhaftes hinaus und markiert den Übergang von der Märchenoper zum symbolistischen Musikdrama. Zu dem etwas sperrigen Libretto hat Dvorak eine immer wieder anrührende, atmosphärereiche Musik geschaffen, die voll von romantischem Zauber ist.

© Ray Behringer

In Halberstadt musste man sich mit der Musik zufriedengeben, denn in der Inszenierung von Hausregisseur Marco Misgaiski gab es nichts Märchenhaftes, sondern stattdessen sehr unterschiedliche Traumbilder, die teilweise zusammenhanglos nebeneinander standen. Von der Bühne hieß es in Pressemeldungen, dass Ausstatter Tom Grashoff das „psychologisch fesselnde Spiel …in einen transparenten Unterwasserraum transportiert“ habe. Tatsächlich sah man einen klar strukturierten Raum mit einer Auftrittstreppe und hohen Wänden, hinter denen Lichter aufblitzten, was wohl Wasserspiegelungen suggerieren sollte. Dass das auch geschah, wenn sich der Schauplatz im Schloss des Prinzen befand, war nicht recht verständlich. Grundlegende Idee des Regisseurs war eine kleine Spieluhr, auf der sich eine winzige Ballerina im Kreis drehte. Rusalka blickte verklärt darauf, wodurch ihr Wunsch, ein Mensch zu werden, deutlich wurde. Prompt trat eine „echte“ weiße Ballerina auf (Masami Fukushima mit gekonntem Spitzentanz); folgerichtig verwandelte die Hexe Jezibaba Rusalka in eine Ballerina mit weißem Tutu. Sehr ernüchternd wirkte das ständig herumgefahrene Bettgestell, das im Schloss sogar hochkant gestellt wurde und an das Rusalka – nun im schwarzen Tutu – wie ans Kreuz geschlagen stand. Es war eine Art Trauerfeier, bei der der schwarz gekleidete Chor weiße Lilien vor sie hinwarf. Im Übrigen gab es weitere rätselhafte Bilder, wenn z.B. die Hexe oder auch später Rusalka mit einer Armbrust auf den Prinzen zielte oder wenn die Waldelfen als orientalische Wasserträgerinnen auftraten und unpassende Showeinlagen präsentierten.

© Ray Behringer

Nun aber zur musikalischen Verwirklichung: Das Harztheater kam trotz der sehr anspruchsvollen Partitur ohne Gäste aus, eine beachtliche Leistung des eher kleinen Ensembles. Wie immer bei großen Opern hatte der Intendant und Musikdirektor Johannes Rieger die musikalische Gesamtleitung; mit präzisem, temperamentvollem Dirigat spornte er die soliden aufspielenden Harzer Sinfoniker zu guten Leistungen an, wenn auch deren Lautstärke den Sängern auf der Bühne an manchen Stellen Probleme bereitete. In der Titelrolle glänzte Jessey-Joy Spronk durch anrührende Gestaltung und schöne lyrische Passagen, wie im berühmten „Lied an den Mond“. Dessen dramatischer Schluss litt leider etwas unter unreiner Intonation und war ebenso wie spätere Ausbrüche nicht konsequent aus dem lyrischen Teil heraus entwickelt. Die großen Tenorpartien sind im Harztheater Sache von Max An, der den anfangs etwas naiven Prinzen glaubhaft darstellte. Er verlieh ihm mit seinem charakteristisch timbrierten Tenor die nötige Schlagkraft, wobei er ebenfalls einige Problem mit ausgeglichener Stimmführung hatte.

© Ray Behringer

Eine in jeder Beziehung ansprechende Leistung als Wassermann erbrachte der Deutsch-Amerikaner Samuel Berlad, dessen in allen Lagen abgerundeter Bassbariton gut zur Partie des um seine Tochter Rusalka besorgten Vaters passte. Die Rolle der Hexe, die hier auch als Fremde Fürstin in knallrotem Hosenanzug auftrat, war Regina Pätzer anvertraut, die mit ihrem hellen Mezzo auch die Höhen der Fürstin sicher bewältigte. In den kleineren Partien des Jägers und Hegers bewährte sich Juha Koskela mit seinem kultivierten Bariton. Erneut gefiel der glasklare Sopran von Bénédicte Hilbert, die den Küchenjungen mit blutdurchtränkter Schürze darstellte und die drei Waldelfen anführte, zu denen auch sicher und stimmlich ausgeglichen Bettina Pierags und die Chorsolistin Stephanie Goodwin gehörten.Sehr schönklangausgewogen gelang der einzige Chor der Oper in der Festszene im Schloss (Einstudierung: Julija Domaseva).

Allgemeinsoll noch angemerkt werden, dass die Textverständlichkeit aller Sängerinnen und Sänger sehr zu wünschen übrig ließ; hier wären trotz der deutschen Fassung Obertitel erforderlich gewesen.

Das Premierenpublikum war hellauf begeistert und spendete allen Mitwirkenden und dem Regieteam mit Bravos vermischten, starken und langanhaltenden Beifall.

Gerhard Eckels, 5. Oktober 2024


Rusalka
Oper von Antonín Dvořák

Harztheater Halberstadt

Besuchte Premiere am 4. Oktober 2024

Inszenierung: Marco Misgaiski
Musikalische Leitung Johannes Rieger
Harzer Sinfoniker

Weitere Vorstellungen: 27. Oktober, 24. November und 25. Dezember 2024 (Halberstadt); 20. Oktober und 13. Dezember 2024 (Quedlinburg), 14. November 2024 (Stadthalle Rheine)