Heidelberg: „Jenufa“, Leoš Janáček

© Susanne Reichardt

Janaceks Jenufa ist sowohl musikalisch wie dramaturgisch eine der vollkommenen Opern und kann so, ähnlich wie Wozzeck oder Herzog Blaubart, auf unterschiedlichste Herangehensweise gelingen. Inszenierungen scheitern fast nie, da so viel Substanz im Stück selbst ist.

Sonja Trebes erzählt die mährische Tragödie durchaus geradlinig, will aber mehrere Zeitebenen integrieren und läßt die älteren Frauen (Küsterin, die alte Burja) in Träumen ihre Mädchenerinnerungen bildhaft werden. Ob das ein Mehrwert ist, mag man individuell beurteilen. Manchmal lenken vorbeischleichende junge Frauen eher das Auge vom Wesentlichen ab. Die Bühne von Dirk Becker bringt einige Spielmöglichkeiten, die Kostüme von Renee Liserdahl wirken dagegen unentschlossen und bisweilen platt. Nicht einig wird man sich in der Personenregie auf die Spielweise. Manche karikieren ihre Figuren (bisweilen leider auch sogar die Küsterin), andere spielen ihre Rollen naturalistisch. Kampf- und Schlagszenen sind eher unbeholfen in Szene gesetzt, und manches Geheimnis bleibt leider keines. Zu wenig mehrdimensional sind die Personen, besonders die Männer, im Stück gezeichnet: durch die Bank roh und gewalttätig. Dennoch spannt vor allem das intensive Spiel der beiden weiblichen Hauptrollen einen großen Bogen und läßt den Abend dadurch auch szenisch gelingen.

© Susanne Reichardt

Durchgehend ist jedoch die musikalische Seite zu loben.

Mit Signe Heiberg hat die Produktion eine dominante, szenisch wie vokal raumgreifende Protagonistin, der wirklich alle Register zu Verfügung stehen. Dramatische Ausbrüche, erdige Tiefen sowie leuchtende Höhen. Am besten gefällt sie im lyrisch- weichen Ton. Berückende Momente in ihrer großen Szene mit dem Säugling lassen dann ihre Stimme noch kostbarer werden. Hoffentlich singt sie das lyrische Fach noch in Ruhe, bevor sie die Agenturen und Intendanten ins Dramatische drängen werden. Auch Kirsi Tihonen singt eine Küsterin von erlesener Stimmschönheit und empfindet musikalisch alle Nuancen der komplexen Figur von unterdrückter Wut, komprimierter Verzweiflung bis hin zum großen Ausbruch. Beiden Sängerinnen gelingt Großes an diesem Abend.

Jahrzehnte am Haus in unterschiedlichsten Rollen ist Ks. Winfried Mikus. Mit dem Laca erobert er sich souverän eine in der Tessitur sehr heikle und schwere Rolle und kann so einen persönlichen Erfolg feiern, den das treue Heidelberger Publikum ihm herzlich schenkt. Jaesung Kim als der attraktivere Stewa bringt eine prächtige Stimme mit. Seine Rolle könnte allerdings auch von der Regie schillernder gezeichnet sein. Der Altgesell ist bei James Hohmann in potenter Kehle. Auffallend klangvoll und bühnenpräsent sind auch die jungen Ensemblesängerinnen Theresa Immertz als Jano und Indre Pelakauskaite als Karolka. Der Rest des Ensembles bringt sein jeweils Bestes und auch der Chor hinterläßt einen aufgeweckt gut-tönenden Eindruck.

© Susanne Reichardt

Der relativ neue GMD Mino Marani leitet mit ruhig, souveräner Hand und bringt die kostbare, filigrane Musik Janacek´s horizontal ins Melos. Das Philharmonische Orchester der Stadt Heidelberg überzeugt bei der schwierigen Partitur durch individuelle Klasse (Solovioline) wie auch im Zusammenspiel auf höchstem Niveau.

Das dankbare Publikum spendet großzügig Beifall.

Christian Konz, 7. Juni 2025

Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)


Jenufa
Leoš Janáček

Theater Heidelberg

30. Mai 2025

Regie: Sonja Trebes 
Dirigat: Mino Marani
Philharmonische Orchester der Stadt Heidelberg