Besuchte Aufführung: 19.12.2014, (Premiere: 12.10.2014)
Grandiose Alternativbesetzung – besser als die Premiere!
Zum erneuten Besuch der Neuproduktion von Verdis „La Traviata“ am Theater der Stadt Heidelberg lockten zahlreiche neue Sänger in Haupt- und Nebenrollen. Im Folgenden wird bzgl. der hervorragenden Inszenierung von Eva-Maria Höckmayr im Bühnenbild und den Kostümen von Julia Röster auf den Premierenbericht von vergangenem Oktober (weiter untn auf dieser Seite) verwiesen und hier lediglich auf die musikalische und vokale Seite des wieder einmal sehr gelungenen Abends eingegangen.
Irina Simmes (Violetta)
Besser noch als die Sänger der Premiere schnitt die bei dieser Aufführung aufgebotene Alternativbesetzung ab. Endlich war es einem vergönnt, Irina Simmes, die am 12. Oktober leider erkrankt war, in der Partie der Violetta zu erleben. Und wieder einmal vermochte die junge Sopranistin, die zu den ersten Kräften des Heidelberger Theaters gehört, voll zu überzeugen. Sie stürzte sich mit enormer darstellerischer und vokaler Intensität in die Rolle, in der sie in jeder Beziehung aufging. Schon ihr packendes, gefühlsbetontes Spiel war sehr ansprechend. Aber auch in stimmlicher Hinsicht blieben keine Wünsche offen. Frau Simmes verfügt über einen kräftigen, bestens fokussierten Sopran, der gleichermaßen über lyrische Eleganz und Koloraturgewandtheit wie auch über dramatisch-intensives Ausdruckspotential verfügt. Die in dieser Partie vereinigten drei Fächer gingen in ihrem emotionalen und beseelten Vortrag eine perfekte Verbindung ein. Es spricht für den ausgezeichneten Ruf, den das Theater der Stadt Heidelberg allgemein genießt, dass sich sogar Sänger der Wiener Staatsoper nicht zu schade sind, in seinen Aufführungen aufzutreten. Das war jedenfalls bei Carlos Osuna der Fall, der an diesem Abend für Jesus Garcia als Alfredo eingesprungen war und in jeder Hinsicht für sich einzunehmen wusste. Er hatte sich Frau Höckmayrs Regiekonzept, das die Handlung aus der Perspektive von Dumas-Alfredo erzählt, trefflich zu eigen gemacht und schon darstellerisch perfekt umgesetzt. Aber auch gesanglich überzeugte er mit einer schönen, tiefen Verankerung seines klangvollen Tenors, eleganter Linienführung und imposanter Höhe. Neben Osuna, dem eine ausgezeichnete Bühnenpräsenz eigen ist, wirkte der noch junge, schlanke und gut aussehende Ipca Ramanovics als Germont äußerlich weniger wie der Vater als vielmehr wie ein jüngerer Bruder Alfredos. Die große darstellerische Autorität, mit der bei der Premiere James Homann aufgewartet hatte, ging ihm etwas ab. Gesungen hat er indes ganz phantastisch. Mit seinem wunderbar sonoren, obertonreichen und ein vorbildliches appoggiare la voce aufweisenden weichen und nuancenreichen Bariton zog er alle Facetten seiner dankbaren Rolle, für die er rein vokal ein ausgezeichneter Vertreter ist. Einen satten Mezzosopran brachte Jana Krauße für die Flora Bervoix mit. Gut gefiel auch die Annina von Sylvia Rena Ziegler. Stimmlich imposant präsentierten sich Zachary Wilson (Baron Douphol) und Michael Zahn (Marquis d’ Obigny). Relativ dünn sang Young-O Na den Gaston. Nicht gerade klangschön und halsig legte David Otto den Dr. Grenvil an. Dem von Anna Töller einstudierten Chor und Extrachor ist für seine prächtige Leistung ein großes Lob auszusprechen.
Irina Simmes (Violetta), Alfredo
Wie bereits bei der Premiere setzten Lahav Shani am Pult und das grandios aufspielende Philharmonische Orchester Heidelberg auch dieses Mal wieder auf eine differenzierte, farbenreiche Auslotung von Verdis Partitur mit herrlicher Italianita, weit gesponnenen Bögen und breiter dynamischer Skala. Die Qualität der musikalischen Leistungen hat sich seit der Premiere sogar noch gesteigert.
Ludwig Steinbach, 19.12.2014
Die Bilder stammen von Annemone Taake
Ausgrabung mit Sinn und Humor modernisiert