Wien: „L’Occasione fa il ladro“, Gioachino Rossini (2. Besprechung)

© Marcel Urlaub

Rossinis 8. Oper trägt die Originalbezeichnung „burletta per musica“. Das einaktige Libretto stammt von Luigi Prividali (1771-1844) und beruht lose auf dem Vaudeville „Le prétendu par hasard, ou L’occasion fait le larron“ (Der gewagte Anwärter, oder Gelegenheit macht Diebe) von Eugène Scribe. Die Uraufführung fand am 24. November 1812 im Teatro San Moisè in Venedig statt. Als Ausgangspunkt der doppelten Verwechslungskomödie mit zwei gegensätzlichen Liebespaaren fungiert eine Kofferverwechslung, die bei Scribe noch fehlt. Anstelle einer Ouvertüre beginnt diese farsa mit einer instrumentalen Einleitung, die in die Introduktion übergeht. Die Gewittermusik hatte Rossini kurz zuvor für „La pietra del paragone“ (Der Prüfstein) komponiert. L’occasione fa il ladro ist die vierte der fünf einaktigen „farse“, die Rossini zwischen 1810 und 1813 für das Teatro San Moisè in Venedig komponierte. Die anderen sind La cambiale di matrimonioL’inganno feliceLa scala di seta und Il signor BruschinoDasOrchester besteht aus je zwei Flöten, Hörnern, Klarinetten und Oboen, einem Fagott und Streichern. Um die Auflösung der Verwechslungen zu verzögern, haben Dirigent Pedro Beriso und Regisseur Marcos Darbyshire zwei Musikstücke in der Reihenfolge geändert und eine neue Arie für Ernestina hinzugefügt. Der Text dieser Arie, „Mi lagnerò tacendo“ (Ich werde mich beklagen, aber schweigen), stammt von Pietro Metastasio. Rossini-Fans kamen an diesem Abend voll auf ihre Kosten, dank Regisseur Marcos Darbyshire, der das Stück temporeich und modern inszenierte und die Darsteller dynamisch über die Bühne führte.  

© Marcel Urlaub

Die Ausstatterin Agnes Hasun sorgte mit ihrer Gewittermusik und den Drehtüren für starke visuelle und szenische Akzente. Die präzise Die Darsteller wirkten durch die gezielte Personenführung noch markanter. Die russische Sopranistin Inna Demenkova übernimmt die Rolle der Berenice, welche gemeinsam mit Ernestina die Identität wechselt, um Alberto besser kennenzulernen. Die Mezzosopranistin Petra Radulovic aus Montenegro spielt die Freundin; im Libretto ist diese Figur weniger ausführlich beschrieben, und Radulovic präsentiert ihren Part klar. Beide Sängerinnen verfügen über prägnante Stimmen, die gelegentlich eine stärkere Harmonie aufweisen könnten. Durch einen Koffertausch rücken zwei Bräutigame in den Fokus: Alberto Robert als Tenor Conte Alberto und Roberto Lorenzi als Bass Don Parmenione mit komödiantischem Gespür. In zwei bedeutenden Nebenrollen agierten der belarussische Tenor Ilyà Dovnar als Don Eusebio, Berenices Onkel, sowie der aus Belgrad stammende Bariton Lazar Parežanin als Diener Martino. Dirigent Pedro Beriso führte das Wiener KammerOrchester schwungvoll durch Rossinis Werk Farce und das Publikum war begeistert.

Harald Lacina, 3. Oktober 2025


L´Occasione fa il ladro
Gioachino Rossini

Kammeroper des Theaters an der Wien

Premiere: 23. September 2025 
Besuchte Vorstellung: 30. September 2025

Regie: Marcos Darbyshire
Dirigat: Pedro Beriso
 
Wiener KammerOrchester