DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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„Kein Fernsehen, aber nie ohne Kunst“

Hein Mulders im Gespräch

Köln, 12.09.2022

 

Hein Mulders, neuer Intendant der Oper Köln, stellte sich in „Wildes Wohnzimmer“ den Fragen der bekannten WDR-Moderatorin und Autorin Gisela Steinhauer. Rafaela Wilde, u.a. Rechtsanwältin für Medienrecht und Honorarkonsularin des Königreichs der Niederlande für den Regierungsbezirk in Köln und in der Domstadt im Kulturbereich eine einflussreiche und viel vernetzte Persönlichkeit, hatte zusammen mit ihrem Mann in ihr Wohnzimmer eingeladen. Viel Prominenz aus Politik und Kultur war gespannt auf den „Neuen“, nachdem die langjährige Intendantin der Kölner Oper, Frau Dr. Birgit Meyer, im August dieses Jahres nicht ganz freiwillig aus ihrem Amt ausgeschieden war.

Die Laufbahn als Opernintendant, so Mulders, sei ihm gar nicht in die Wiege gelegt worden. Nach dem Abitur zog er mit siebzehn Jahren nach Paris, um an der École du Louvre Kunstgeschichte zu studieren. Das Studium der Fremdsprachen Italienisch und Französisch sowie der Archäologie u.a. an der Universität Amsterdam zeichneten eigentlich einen anderen Weg als eine Beschäftigung im Opernbetrieb vor, die Mulders aber nach seinem Studium zuerst in der Gesangsabteilung einer der führenden nationalen Musikagenturen in Den Haag aufnahm. Das Casting junger vielversprechender Sängerinnen und Sänger, das Aufspüren der Stars von morgen, sei immer noch seine große Passion. Es gebe sehr viele, technisch sehr gut ausgebildete junge Sängerinnen und Sänger, wichtig sei aber neben der Bühnenpräsenz vor allem die Persönlichkeit, die Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit der künstlerischen Aussage garantiere. Nur reine Stimmgewalt sei keine ausreichende Voraussetzung für eine adäquate Verkörperung einer Rolle.
 
Über die Stationen eines Casting Officer an der Vlaamse Opera in Antwerpen (1995) und des Operndirektors an der Nederlandse Opera in Amsterdam (2006) ging es 2013 auf der Erfolgsleiter weiter steil nach oben. Mulders folgte dem Ruf nach Essen und trat als Intendant des Aalto-Theaters, der Essener Philharmonie und der Essener Philharmoniker das Erbe von Stefan Soltesz an. Das sei nicht immer leicht gewesen, drei Sparten zu bedienen, wie man an den grauen Haaren in seinem Bart sehen könne, meinte der sichtlich gut gelaunte neue Kölner Opernintendant schmunzelnd. Nun freue er sich darauf, sich in Köln wieder ganz seiner eigentlichen Leidenschaft widmen zu können, nämlich der Oper!

Aber auch der Start in Köln sei alles andere als ein Selbstläufer gewesen, zumal seine Tätigkeit in Essen erst im August dieses Jahres auslief. In wenigen Wochen musste er, so Mulders, einen Spielplan für 2022/23 auf die Beine stellen. Eine Mammutaufgabe, die er aber dank seiner Maxime „Kein Fernseher, aber immer Kunst“ habe bewältigen können. Dieses nicht ganz ernst gemeinte Bonmot des ungemein sympathisch wirkenden Holländers führte denn auch zu einigem Gelächter im Auditorium. Seine Hauptaufgabe sehe er erst einmal darin, das Publikum nach den quälenden Monaten der durch die Corona-Pandemie erzwungenen Opernabstinenz wieder in die Oper zurückzuführen. Deshalb habe er Wert darauf gelegt, in der neuen Spielzeit dem Publikum „große“ Oper zu bieten: Puccinis „Turandot“ und „Boheme“, Mozarts „Zauberflöte“ und „Entführung aus dem Serail“ als Wiederaufnahmen, aber besonders z.B. die Premieren von Berlioz‘ Oper „Les Troyens“, von Rossinis Oper „Cenerentola“, von Verdis genialem Frühwerk „Luisa Miller“, Wagners „Fliegender Holländer“ und Händels „Giulio Cesare in Egitto“. Ein Open-Air-Opernkonzert am Tanzbrunnen mit einem populären Programm könne auch nichtopernaffine Besucher dazu ermuntern, ihre Schwellenangst zu überwinden und eine Opernaufführung zu besuchen.

Dass andererseits die moderne Oper in Köln auf eine lange Tradition zurückblicken könne, sei ihm bewusst. So werde es in Zukunft in jeder Spielzeit die Uraufführung eines eigenen Auftragswerks der Oper Köln geben. Und dann verrät Hein Mulders doch, welchem Opernkomponisten seine ganz große Liebe gehört: „Ich würde gerne in jeder Spielzeit eine Händel-Oper aufführen, aber das werde ich nicht tun, denn es kommt auf einen ausbalancierten Mix an.“

 

Natürlich konnte eine Frage zur Wiedereröffnung der Kölner Oper am Offenbachplatz nicht fehlen, auf die in Köln alle Opernliebhaber nun schon die gefühlte Ewigkeit von über zehn Jahren warten. Mulders ist zuversichtlich, dass 2024 die Renovierung des Riphahn-Baus abgeschlossen ist. Alle Inszenierungen im StaatenHaus, der Interimsstätte der Kölner Oper, seien darauf angelegt, auch mit den Gegebenheiten der Bühne im neu eröffneten Haus kompatibel zu sein. Natürlich freue er sich vor allem auch auf die technischen Möglichkeiten, die das Haus am Offenbachplatz biete. Aber er betont auch, dass die Räumlichkeiten im StaatenHaus zu kreativen, innovativen Regie- und Inszenierungskonzepten anregen.

 

Und da gerät Hein Mulders geradezu ins Schwärmen, wenn er Johannes Eraths Neuinszenierung von Hector Berlioz‘ Monumentalwerk „Les Troyens“ über den grünen Klee lobt und betont, dass es ein besonderes Glück für ihn darstelle, seine Zeit in Köln mit einer Oper starten zu können, die zu den ganz großen, immer noch vernachlässigten Werken der Opernliteratur gehöre. Dass er im GMD Francois Xavier Roth einen prädestinierten Sachwalter des Musikkosmos von Berlioz sieht, zeigt die enge Verbundenheit zwischen Intendant und Generalmusikdirektor, die für die Kölner Oper günstigste Auspizien verrät.

Hein Mulders beschließt das Interview mit einem Statement, das für seine Haltung und sein Ethos in Fragen der Kunst steht. „Ich positioniere mich nicht als Befürworter oder aber Gegner des modernen Regietheaters auf der Opernbühne. Es gibt kein Rezept dafür, die Anerkennung des Publikums auf jeden Fall zu gewinnen. Anspruch muss aber immer sein, höchste Qualität zu bieten und eine überzeugende Balance zwischen Musik und szenischer Gestaltung herzustellen.“

Norbert Pabelick, 26.09.2022

 

Comedia Köln

R.U.R - ROSSUM´S UNIVERSAL ROBOTS

05.02.2022

Ein faszinierender Blick auf eine Zukunft, die es nie gegeben hat.

Es war der Schrecken des Weltkrieges - später hat man ihn den Ersten Weltkrieg genannt - der viele Künstler in Europa veranlasst hat, die bestehenden Strukturen zu hinterfragen und nach neuen Konzepten für ein friedliches Miteinander zu suchen.

 

Der tschechische Schriftsteller Karel Čapek löst diesen Friedenswunsch in seinem 1920 erschienenen Drama R.U.R - Rossum´s Universal Robots durch den gedanklichen Versuch ein, die im marxistischen Sinne entfremdeten Menschen in ihren repetitiven Tätigkeiten im Bereich der Massenproduktion von ihrem Joch zu befreien und sie ewigem Genuss und Glückseligkeit in einer von Arbeit befreiten Welt zuzuführen. Die notwendige Arbeit soll statt dessen von (im heutigen Sprachgebrauch) Androiden erledigt werden, einer Art seelenlosen Maschinen-Menschen für die Čapek den von seinem Bruder geprägten Begriff des ‚robota(Fronarbeiter) übernahm, und die Bezeichnung des Roboters prägte.

 

 

So sehr die Menschen jedoch nach Individuation und Einmaligkeit streben, so ist ein Leben langfristig nur unter Ähnlichen und Gleichen vorstellbar. Und so ist es Helena, die Tochter des Fabrikbesitzers Rossum, die die empfindungs- und willenlosen Existenzen der Roboter nicht erträgt, und ihnen heimlich eine Seele einpflanzt. Die dadurch ihrer Existenz bewussten und zum Leid befähigten Roboter erheben sich in einem blutigen Aufstand gegen ihre menschlichen Unterdrücker und vernichten - bis auf einen Wissenschaftler - die gesamte Menschheit.

 

Ist dem Menschen der Tod vorbehalten, so droht dem Roboter der Verschleiß, so daß das Fortbestehen der Existenz der Roboter davon abhängt, dass ihre Reproduktion gewährleistet ist.Dazu bedarf es jedoch einer Formel, die beim Aufstand der Roboter verloren gegangen ist. Alquist, Wissenschaftler und letzter lebender Mensch, wird von den beiden Robotern Helena und Primus festgehalten, damit er die Formel rekonstruiert. Es wird ihm nicht gelingen.

 

Hier endet Capeks Drama, dass in der Rezeption Blaupause für etlichen Science-Fiction Werke des 20. Jahrhundert wurde, und den tschechischen Komponisten Jan Jirásek 1977 zu seiner zweiten und letzten Oper R.U.R. inspirierte.

 

 

Im Januar und Februar 2022 inszenierte das Künstlerduo Gamut Inc, das sich aus der Computermusikerin Marion Wörle und dem deutsch-polnischen Komponisten Maciej Śledziecki zusammensetzt, in Zusammenarbeit mit dem RIAS Kammerchor eine musikalische Neubearbeitung des Theaterstücks Rossums Universal Robots am Theater im Delphi in Berlin und am Comedia Theater in Köln (Premiere: 05.02.2022), aus Anlass des 101-jährigen Jubiläums der Uraufführung der literarischen Vorlage. Librettist der Neufassung ist der Autor Frank Witzel.

 

Die Handlung dieser Roboter-Oper beginnt, nachdem die Drama-Handlung endet: Wir befinden uns in Alquists Labor, in dem Alquist mit den beiden Robotern Helena und Primus unterschiedlichste Gedanken und Konzepte zu Mensch und Maschine sowie zur Seele verhandeln. Hatte Wagner den Einzug nach Nibelheim als Abbild einer industriellen Arbeitshölle in eine industrielle Klangkulisse mit hämmernden Ambossen gekleidet, so lässt Marion Wörle einen ähnlichen Effekt durch die repetitiven Elemente ihrer Musik-, besser jedoch: Geräusch-Maschinen entstehen.

 

Dieses Muster der fast schon quälenden Wiederholungen überträgt Maciej Śledziecki auch auf die Einspielungen des Chors (RIAS Kammerchor) dessen Gesang die Eintönigkeit industrieller Arbeitswelten für Sänger und Zuhörer erlebbar macht. Wird Charlie Chaplin in seinem Film Moderne Zeiten noch vom Fließband seiner Factory Work mitgerissen und von den Zahnrädern der unüberschaubaren Produktionsmaschine verschluckt, so sind es bei der Oper R.U.R. sieben automatisierte Scheiben von Nina Rode, die mit ihren stroboskopierenden Effekten einen nahezu hypnotischen Effekt durch die ewige Repetition eines seelenlosen Produktionsprozesses darstellen.

 

Satz- und Sprachfetzen, sowohl vom Chor, als auch von Gina May Walter (Sopran) und Georg A. Bochow (Coutertenor) vorgetragen, wirken in ihrer Zusammenhanglosigkeit dadaistisch. Die Stimmen der beiden Sänger werden über Mikrofone verstärkt, was ihren künstlichen und mechanischen Charakter unterstützt.

 

 

Warum jedoch auch Patric Schotts Stimme, Schauspieler und Darsteller von Alquist, elektronisch verstärkt wird, erschließt sich nicht. Stimmlich wäre er jedenfalls problemlos in der Lage, sich im Grünen Saal der Comedia Köln gehör zu verschaffen.

 

Die beiden Darsteller der Roboter ahmen in ihren Bewegungsabläufen Elemente der Meyerholdschen Biomechanik nach, die ebenfalls in den 1920er Jahren entwickelt wurde und die Technikfaszination der damaligen Zeit wieder spiegelt. Durch genau definierte Bewegungsstrukturen und Körperhaltungen soll die Physiologie des Handelnden die seelische Verfassung der gespielten Figur bestimmen.

 

Den Kontrapunkt zu diesen in festen Stereotypen verhafteten, künstlichen Bewegungsabläufen bildet eine schwarze schattenhafte Gestalt (Ruben Reniers), die inneres Erleben durch Ausdruckstanz vermittelt, und deren Kostüm an Oskar Schlemmers Triadisches Ballett aus den 1920er Jahren erinnert.

 

Mit dem Schöpfungsmythos der Bibel ist das Problem der Theodizee verbunden: Wenn ein guter und vollkommener Gott den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen hat, wie kann dann das Böse in der Welt erklärt werden? Eine wichtige theologische Frage nach den Schreckenserlebnissen des ersten Weltkrieges. Und warum hat Gott den Menschen überhaupt geschaffen?

 

Entstand das Böse, weil Gott die Schöpfung misslang oder weil zur Vollkommenheit seines Abbildes eben auch der freie Willen gehört, der sich, sobald er dem göttlichen Abbild einmal eingehaucht war, verselbständigte und von der göttlichen Vollkommenheit entfernte? fragt der Librettist Frank Witzel.

 

Schöpfungen nach dem eigenen Ebenbild beinhalten immer das Problem, dass die Schöpfung entweder mißlingt, so dass das Ergebnis im Grunde verzichtbar ist, oder in ihrer Qualität den Schöpfer selbst übertrifft, was den Schöpfer überflüssig macht.

 

Die Oper R.U.R. - Rossum´s Universal Robots stellt verständlicherweise mehr Fragen, als sie selbst beantworten kann. In der Intensität des musikalischen Erlebens und der Eindringlichkeit der Bilderwelt entsteht ein emotionsgeladenes Ganzes, dass den Zuschauer in hohem Maße fordert.

 

Ein lohnender Abend, der jeden Betrachter, der einen Zugang zu diesem intensiven Bühnengeschehen findet, in hohem Maße bereichert.

 

Das erschöpft erscheinende Publikum der ausverkauften Kölner Premiere spendete am Ende der 60minütigen Aufführung reichlich Beifall.

 

Eine Zuschauerin fasste die Eindrücke des Abends bei Verlassen des Saales einschränkend für sich zusammen: „Also, für Jeden war das hier heute Abend auch nicht das Richtige…“

 

Aber für Manche war es das schon!

 

Ingo Hamacher, 6.2.22

Bilder (c) Comedia Köln

 

KINDEROPER KÖLN

Götterdämmerung

Vorstellung am 9.10.2021

 

Die Kinderoper Köln feiert in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen. Die Kölner Verkehrsbetriebe KVB haben zu diesem Anlass eine entsprechend gestaltete Straßenbahn in Betrieb genommen. Mit altersgerechten Opernproduktionen, zum Teil als Kinderoper komponiert („Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ für Kinder ab vier Jahren), zum Teil als kindgerecht gekürzte und arrangierte Opern des Kernrepertoires locken die Theaterpädagogen der Kölner Oper, Dirigent Rainer Mühlbach, Regisseurin Brigitta Gillessen und das Internationale Opernstudio der Oper Köln Kinder und ihre Familien in die Oper. Höhepunkt der 25-jährigen Erfolgsgeschichte ist der im Frühjahr 2021 mit der „Götterdämmerung“ vollendete „Ring“ für Kinder ab 8 Jahren.

 

Man bereitet für die Einführung altersentsprechende Arbeits- und Spielanleitungen vor, in denen sich die Schüler*innen auf vielfältige Weise mit dem Thema auseinandersetzen können. Ambitioniertestes Projekt ist bisher der „Ring des Nibelungen“, arrangiert von Stefan Behrisch, das einen guten Eindruck vom Original gibt ohne zu lange zu dauern. Er schafft es, eine unendliche Melodie zu erhalten, indem er sensibel mit den Strichen umgeht und harmonische Übergänge schafft. Dazu werden zur Musik Informationen, die zum Verständnis der Handlung erforderlich sind, gesprochen.

 

Das Konzept ist aufgegangen: am Nachmittag eines schönen Herbstsamstags finden etwa 80 Eltern mit zum Teil sehr jungen Kindern den Weg ins Staatenhaus. Man kann davon ausgehen, dass einige von ihnen selbst schon als Kinder in der Kinderoper waren. Die Kinderoper spielt für Schulklassen vormittags um 11.30 Uhr und für Familien nachmittags um 18.00 Uhr. Diesmal wird in Halle 1 gespielt. Vor der ersten Reihe sind Sitzkissen ausgelegt, so dass die jüngeren Kinder ganz vorne sitzen können. Das Orchester ist links von der Bühne platziert. Auch einige ältere Schüler sind zur Vorstellung gekommen.

Viele bleiben bei den Eltern und fragen denen ein Loch in den Bauch. Sie sind gebannt vom Bühnenbild und von den agierenden Personen und wollen genau wissen, wer Siegfried ist, warum er zu den Gibichungen reist und was es mit Hagen, Gunther und Gutrune auf sich hat. Die Eltern stehen voll informiert Rede und Antwort. Nach kurzer Zeit folgen alle gebannt der Handlung, es ist mucksmäuschenstill.

Dirigent Rainer Mühlbach hat die musikalisch schönsten Stellen eingebracht, Regisseurin Brigitta Gillessen achtet auf die Geschichte. Die Elemente aus den drei vorhergegangenen Opern, die für das Verständnis der Handlung erforderlich sind, werden erzählt. Die gekürzten Opern (jeweils 65 Minuten, Götterdämmerung 85 Minuten, ohne Pause) eignen sich auch sehr gut für Erwachsene, die auch ohne Kinder eingelassen werden.

So erscheint Hagen als großer Intrigant, der als Sohn Alberichs den Ring, den sein Vater Alberich geschmiedet hat, und den ihm Wotan unrechtmäßig entrissen hat, wieder an sich bringen will.

Der Vergessenstrank macht Siegfried, der Gutrunes Reizen erliegt, zu seinem willigen Werkzeug, und aufgrund ihrer Enttäuschung über Siegfrieds Verrat gibt Brünhild Hagen Siegfrieds verletzbare Stelle preis. Siegfrieds Schicksal ist besiegelt. Hagen erschlägt auch Gunther, um in den Besitz des Rings zu gelangen, und man muss schon das Original kennen um zu erleben, dass auch Hagen beim Kampf um den Ring von den Rheintöchtern in die Tiefe gezogen wird. Dass Brünhild mit der Rückgabe des Rings an die Rheintöchter ein versöhnliches Ende mit einem Hoffnungsschimmer schafft, erkennt man an dem grünen Zweig, der aus dem verkohlten Stamm der Weltesche sprosst.

 

 

Auf diese Weise entsteht eine für Kinder begreifbare Handlung. Die Todesfälle werden, auch wegen der corona-bedingt auf Abstand ablaufenden Aktionen, nur sehr dezent angedeutet, aber Siegfried wird angemessen betrauert. Die Spannungsbögen und Steigerungen sind einfach viel kürzer als im „richtigen Ring“. Der „Ring für Jung und Alt“ gilt als Geheimtipp für Erwachsene, denn man erlebt die dramatischen Höhepunkte und spart die Längen.

Das reichhaltige Material gibt für Schüler aller Altersstufen Anknüpfungspunkte zur Erarbeitung der Nibelungensage und des Werks Wagners. Besonders aktuell ist der Zustand der Weltesche, der im „Rheingold“ ein kräftiger grüner Baum ist, in der „Walküre“ schon geschädigt, weil Wotan aus ihrem Stamm seinen Speer geschnitzt hat, verkohlt und verrottet in der „Götterdämmerung“. Der Frevel, den Machtgier und Raffgier der Natur angetan haben, wird augenfällig.

Die Kinderoper Köln wurde als älteste europäische Kinderoper zum Unesco- Kulturpartner ernannt und bekam 2019 den „Oper! Award“ für das beste Education-Programm.

Sie bietet den acht jungen Sängern des Internationalen Opernstudiod die Gelegenheit, mit einem klein besetzten Orchester und unter professioneller Anleitung Bühnenerfahrung zu sammeln. Siegfried (Thomas Heyer), Brünhild (Jessica Stavros), Gunter (Stefan Hadžic) Hagen (Sung Jun Cho) und Alberich (Insik Choi) sind allerdings mit erfahrenen Künstlern besetzt.

Die Vormittagsvorstellungen für Schulklassen sind überregional bekannt und beliebt.

 

Ursula Hartlapp-Lindemeyer, 14.102021

Besonderer Dank an unsere Freunde vom OPERNMAGAZIN

Bilder (c) Paul Leclaire

 

KÖLN/ Schauspielhau

Ballett: DIE FASZINIERENDE WELT DES DIGITALEN

Online-Uraufführung von "All For One And One For The Money" mit dem Ballet of Difference am 20. November 2020 am Schauspiel Köln/

 


Claudia Ortiz Arraiza. Foto: Thomas Scherme

 

Wie die sozialen Medien unsere Identität verformen und beeinflussen, davon erzählt Richard Siegals „Ballet of Difference“ am Schauspiel Köln in eindrucksvoller Weise. Die Performer reflektieren hier den Technokapitalismus der westlichen Gesellschaften auf vielfältige Art – tänzerisch-dramatisch und beim Gaming. Der amerikanische Choreograph befasst sich schon lange mit der faszinierenden Welt des Digitalen. Hier soll aber kein Bühnenstück dokumentiert werden. Siegal möchte vielmehr die digitalisierte Gesellschaft bloßstellen und entlarven. Der virtuelle Charakter der Performance steht im Mittelpunkt. Das Publikum soll die virtuelle Aura des Stückes immer wieder selbst erkunden. Dafür stehen auch Chats bereit. Youtoube, Instagram, Facebook und Twitter erscheinen plötzlich im Mittelpunkt zwischen seltsamen Moderatoren mit weinenden Katzenköpfen („I’m sorry“) und tanzenden Robotern. Die Logik des Techno-Kapitalismus wird bloßgestellt. Webcams und Online-Games spielen bei dieser ungewöhnlichen Performance eine fast unheimliche Rolle. Und das tänzerische Geschehen fächert sich immer weiter auf. Eine große Spinne treibt im Hintergrund einer Waldlichtung ihr unheimliches Unwesen. Zur künstlerischen Verstärkung hat sich Siegal neben der futuristischen Modeschöpferin Flora Miranda den Licht- und Video-Designer Matthias Singer sowie den suggestiven Musiker Lorenzo Bianchi Hoesch zu Hilfe geholt, der mit einem bewegenden elektronischen Soundtrack aufwartet. So kommt es zu einem intensiven Nachdenken und philosophischen Reflektieren über Gemeinschaft und Identitäten sowie ideelle und monetäre Werte im virtuellen Raum.


Nicolas Martinez. Foto: Thomas Schermer

 

Die Tänzerinnen und Tänzer Claudia Ortiz Arraiza, Diovani Da Silva Cabral, Martina Chavez, Jemima Rose Dean, Livia Gil, Douglas De Almeida Lima, Mason Manning, Nicolas Martinez, Andrea Mocciardini, Margarida De Abreu Neto, Evan Supple und Long Zou werden als Performer von den Schauspielern Alexander Angeletta und Yuri Englert ergänzt. Flimmernde Licht- und Farbspiele betören das Auge. Es ist eine völlig neue Welt, die sich dem Publikum hier in visuell vielfältigen Momenten erschließt. Weltall-Sequenzen und rasante Fahrten durch Landschaften, Gärten und Seen verwirren den Betrachter immer mehr. Er kann zwischen drei verschiedenen Streams wählen. Man hat wiederholt das Gefühl, dass verschiedene Ereignisse plötzlich gleichzeitig passieren. Eine Asiatin verspeist zwischen Spiegeleiern eine Unmenge von Nudeln und Spaghetti mit großem Appetit, dazwischen winden sich die Tänzer wie Schlangen über einem lichtdurchfluteten Untergrund. Der Phantasie sind bei diesem Farbenspiel keine Grenzen gesetzt. Der Zuschauer wird ohnehin aufgefordert, aktiv mitzumachen und sich auch bei den Offline-Momenten zu engagieren. Gelegentlich leidet das Geschehen  an einer unglaublichen visuellen Überfrachtung, die aber dann doch aufgebrochen und überwunden wird. Diese Premiere hätte eigentlich bereits am 9. April 2020 gefeiert werden sollen. Aufgrund der aktuellen Corona-Probleme hat man sich nun doch zu einer Online-Uraufführung entschlossen, die durchaus eine gewisse revolutionäre Wirkungskraft hinterlässt. Der Schlussapplaus war jedenfalls begeistert und lautstark  – für Richard Siegal und das BOD-Ensemble.

 

Alexander Walther, 24.11.2020

Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)

 

 

DER TEUFEL MIT DEN DREI GOLDENEN HAAREN

11.03.2020

„Ich rieche, rieche Menschenfleisch

Es ist eine der wunderlichsten Geschichten, die uns die Brüder Grimm in ihrer Sammlung der Hausmärchen überliefern. Im Grund sind es sogar zwei.

Eine arme Frau muss ihr Kind dem König verkaufen, weil sie es nicht ernähren kann. Es handelt es sich aber nicht um ein gewöhnliches Kind, sondern um ein Glückskind, dem geweissagt wurde, dass es mit 14 Jahren die Königstochter heiraten werden. Der hartherzige König setzt das Kind daraufhin dem Tode aus, jedoch wird es von liebenden Menschen gefunden und erzogen. Als der König 14 Jahre später auf diese Menschen trifft, die ihm von dem Findelkind erzählen, erkennt er in dem Jungen den geweissagten Schwiegersohn wieder. Daher schickt er ihn mit einem Brief zum Schloss. Auf dem Weg wird das Glückskind von Räubern überfallen und ausgeraubt. Bestürzt lesen die Räuber den Brief des Königs, den sie bei ihm finden, denn der König verlangt in diesem Schreiben, den Überbringer der Nachricht sofort zu töten. Aus Mitleid verfassen die Räuber ein neues Schreiben, in dem sie den Überbringer als Bräutigam der Prinzessin benennen. Als der König zum Hofe zurückkehrt, jubeln bereits alle dem neuen Brautpaar zu...

Der König, der von seinem scheinbar gegebenen Einverständnis nicht mehr zurück kann, verlangt von Glückskind, ihm erst die drei goldenen Haare des Teufels zu holen. Auf dieser geheimnisvollen Reise muss das Glückskind noch zusätzlich drei Rätselaufgaben lösen: Warum führt der Brunnen weder Wasser noch Wein? Warum trägt der Baum keine goldenen Äpfel mehr? Warum rudert und rudert der Fährmann ohne Ende, anstatt zu seiner Geliebten zu gehen? Mit Hilfe der freundlichen Großmutter des Teufels gelingt es dem Glückskind, alle Rätsel zu lösen. Da er dem König die drei goldenen Haare bringen kann, darf er die Königstochter heiraten. Die Menschen erschlagen die Kröte im Brunnen und töten die Maus an der Wurzel des Baumes, so dass Brunnen und Baum wieder ihre köstlichen Gaben verteilen. Zuletzt gibt der Fährmann seinen Ruderstab an den goldgierigen König weiter, so dass er sich auf die Suche nach seiner Geliebten machen kann. Der König muss jedoch bis ans Ende seiner Tage rudern...

Die Geschichte vom Lauf des Schicksals, bei dem sich das Unglück (Überfall durch die Räuber) später als das größte Glück herausstellt und der sich anschließende mythischen Initiationsweg ist oft unter sehr verschiedenen Gesichtspunkten gedeutet worden. Aus psychologischer Sicht handelt es sich um einen der interessantesten Texte der Volksmythologie. Um so schöner, dass die Kinder in unserer heutigen Welt, in der Märchen nicht mehr ganz so oft gelesen werden, leicht und spielerisch an diesen Text heran geführt werden.

Die Oper Köln hat eine großartige Erlebnislandschaft geschaffen, die auch für Erwachsene faszinierend ist. Die beiden Zuschauertribühnen stehen sich gegenüber, so dass in der Mitte eine Art Laufsteg entsteht. Hinter den Tribühnen, vor beleuchtbaren Projektionsflächen steht einerseits ein Brunnen und andererseits ein kahler Baum, neben dem auch das Orchester platziert ist. An den Stirnseiten, findet sich zweimal ein riesiges Gemälde, die Toteninsel von Arnold Böcklin darstellend, vor denen trapezförmige Gerüste die Verlagerung der Spielfläche in die Vertikale ermöglichen. Die laufstegartige Mittelkonstruktion dient nicht nur als Spielfläche für die dynamisch-bewegte Handlung, sondern verwandelt sich auch bei Bedarf in den nebelumwogten Fluss, auf dem der Fährmann seine Barke zum Totenreich rudert.

Musikalisch erleben die Kinder in diesem Stück von Stefan Johannes Hanke (* 1984) sehr viele verschiedene Sing- und Spielformen mit kaleidoskopisch veränderten Farben und Klängen. Die kindgerechte Adaption des Stoffes mit seinen Sprechchören, Geräuschen auf den Instrumenten, vielfältig veränderten musikalischen Gesichtern, aus allen Raumecken erklingenden Geräuschen, Klängen, Musiken und Gesang bieten vor dem Hintergrund versteckter Tonalität ein einmaliges Erlebnis, reich an Spannung. Und die Kinder werden auch aktiv in das Geschehen mit einbezogen, wenn sie zum Text von „La lala lala lala!“ und einer leichten Melodie die Großmutter bei ihrem Schlaflied für den bösen Teufel unterstützen sollen. Kinderzauberei, ein herzerwärmendes Luftballon-Ballett, viel Witz und Spannung sorgen für ein turbulentes Bühnengeschehen, wobei besonders die Räuber in ihrer räubertypischen Derbheit („Halts Maul!) den Kindern sehr viel Freude machen. Der König, der wie Dagobert Duck in Gold badet, des Teufels Großmutter in ihrer großartigen Erscheinung und die Prinzessin in ihrer lieblichen Schönheit sind jedoch alles Nichts gegen die lebensfroh-heitere Figur des Glückskindes, das in seiner Unerschrockenheit einfach so drauflos geht, und sich nicht unterkriegen lässt.

Herzlicher Applaus von den Kindern und deren Begleitern; die für Kinderstücke üblichen „Zugabe!-Rufe, und zahllose Kinder, die dem Glückskind mal die Hand schütteln wollen. Ein gelungener Ausflug in eine zauberhafte Märchenwelt.

 

DER TEUFEL MIT DEN DREI GOLDENEN HAAREN

Kinderoper von Stefan Johannes Hanke, Libretto von Dorothea Hartmann

Dauer: 60 Minuten

Besetzung

Musikalische Leitung: Rainer Mühlbach; Inszenierung: Brigitta Gillessen; Bühne & Kostüme: Jens Kilian; Licht: Philipp Wiechert; Dramaturgie: Tanja Fasching.

 

Glückskind: Arnheiður Eiríksdóttir; Prinzessin: Kathrin Zukowski; Fährmann: Anton Kuzenok; Teufel, Anführer der Räuber: Stefan Hadžić, Teufels Grossmutter, Räuber: Florian Köfler/Sung Jund Cho; Räuber: Leilei Xie; König (Sprecher): Julian Schulzki/ Miroslav Stricevíc; Orchester: Gürzenich Orchester Köln.

 

Weitere Termine:

14.03., 17.03., 22.03., 25.03., 27.03., 02.04., 03.04., 05.04., 09.04., 12.04., 18.04., zu unterschiedlichen Zeiten.

 

Ingo Hamacher, 12.32.2020

Fotos: © Paul Leclaire

 

 

Klassik im Heinrich-Heine-Kulturforum ♥

Das „Internationale Opernstudio“ der Oper Köln begeistert

14.02.2020

 

Norbert Hußmann, der Leiter des Heinrich-Heine Kulturforums in Köln Ostheim, war ein besonderes Wagnis eingegangen. Dort, wo sich sonst die „Höhner“, die „Bläck Fööss“ oder aber Kabarettisten vom Schlage eines Jürgen Becker oder Wilfrid Schmickler ein Stelldichein geben, trat nun das „Internationale Opernstudio der Oper Köln“ unter ihrem Leiter Rainer Mühlbach auf und bot ein Konzert mit einem Strauß bunt gemischter Highlights aus Oper, Operette und Musical. Mit über 450 Besuchern hatten nur die größten Optimisten im Vorfeld gerechnet, aber offensichtlich war die Neugier des nicht opernaffinen Publikums auf ein ihm weitgehend unbekanntes Musikgenre groß genug, um den stimmungsvollen Konzertsaal im Heinrich-Heine-Kulturforum bis auf den letzten Platz zu füllen.

Das Attribut „international“ verdient das jetzige Internationale Opernstudio zu Recht. Die acht Sängerinnen und Sänger kommen aus Island, Russland, Serbien, Österreich, Südkorea und Deutschland und werden u.a. von der Oper Köln und dem „Verein der Freunde der Oper Köln e.V.“ gefördert und unterstützt. Die jungen Künstlerinnen und Künstler eroberten die Herzen der Besucherinnen und Besucher im Sturm. Am Ende des Konzerts wollte der Beifall nicht abebben, sodass sich die junge Sängerschar nicht zweimal bitten ließ und das Auftrittslied des Escamillo aus Bizets „Carmen“ vielstimmig und mit Verve erklingen ließ. „Das war einfach voll geil“, meinte ein älterer (!) Besucher anerkennend und fügte beinahe entschuldigend hinzu: „Ich hätte nicht gedacht, dass Oper so schön sein kann.“

Sozusagen als Ouvertüre feuerte der russische Tenor Anton Kuzenok die neun hohen Cs in der Arie des Tonio „Ah mes amis“ (Gaetano Donizetti, La fille du régiment) mit Leichtigkeit und Brillanz wie Raketen ab und brach damit das Eis angespannter Erwartung. Lautstarker Beifall war der gerechte Lohn für diese wunderschöne Belcanto-Leistung. Ausschnitte aus Mozarts Erfolgsopern „Die Zauberflöte“ und „Don Giovanni“ zeigten dann, welchen musikalischen und schauspielerischen Reifegrad die KünsterInnen dieses Abends bereits gewonnen haben. Stefan Hadžić als Papageno bzw. Don Giovanni, Alina Wunderlin, eine Hochseilakrobatin in Sachen Gesang, als beeindruckende Königin der Nacht in der Höllenarie, Sung Jun Cho mit dämonischer Bassgewalt als Komtur und der umtriebige Florian Köfler als Leporello im Schlussterzett des 2. Aktes des „Don Giovanni“ oder die südkoreanische Koloratursopranistin Ye Eun Choi als entzückende Papagena, sie alle erwiesen sich als wunderbare Sachwalter der Musik Mozarts und wurden dafür begeistert gefeiert.

Die isländische Mezzosopranistin Arnheiður Eiríksdóttir glänzte nicht nur in der Cavatina der Rosina „Una voce poco fa“ aus Rossinis „Il barbiere die Siviglia“, sondern auch in dem den ersten Teil des Konzerts beschließenden Blumen-Duett aus Léo Delibes Oper „Lakme“. In Zusammenspiel und Zusammenklang mit der herrlichen Sopranstimme Alina Wunderlins konnte der Mezzo der jungen Isländerin seine verzaubernde Klangschönheit entfalten. Wie man hört, werden beide Sängerinnen schon jetzt von mehreren Opernhäusern umworben. Wen kann das wundern!

Das Perlenfischerduett aus Georges Bizets Oper „Les pécheurs de perles“ eröffnete den zweiten Teil des Konzerts und Stefan Hadžić und Anton Kuzenok brauchten sich in ihrer Interpretation dieses Ohrwurms der Opernliteratur nicht hinter ihren großen Vorbildern Jussi Björling und Robert Merrill zu verstecken. Bravo! Ein weiterer Höhepunkt dieses Abends war sodann dem südkoreanischen Bass Sung Jun Cho vorbehalten. Er gab in der großen Arie des Filipe „Ella giammai m’amò“ aus Verdis Oper „Don Carlos“ der Verzweiflung und Trauer des spanischen Königs mit seiner warmen, vollen Bassstimme beredten Ausdruck. Die Kölner Oper kann sich freuen, mit Sung Jun Cho einen Bass zu besitzen, der sich schon jetzt für größere Aufgaben empfiehlt.

Auszüge aus Verdis „Rigoletto“ leiteten zur leichten Muse im Schlussteil des Konzerts über. Augustín Laras Reißer „Granada“ zeigte noch einmal die lyrischen Tenorqualitäten Anton Kuzenoks. Alina Wunderlin riss das Publikum mit ihrer musikalischen und schaupielerischen Darbietung der Arie der Cunegonde „Glitter an be gay“ aus Leonard Bernsteins „Candide“ zu Beifallsstürmen hin, Florian Köfler und noch einmal Arnheiður Eiríksdóttir versetzten das Publikum mit Liedern aus Millöckers „Bettelstudent“ und Franz Lehárs „Giuditta“ in Operettenseligkeit.

Die Hommage an Jaques Offenbach, dessen zweihundertster Geburtstag im letzten Jahr in Köln ausgiebig gefeiert wurde, durfte als Abschluss des Konzerts nicht fehlen. Und hier gab es für alle, die zu diesem außergewöhnlichen Konzert gekommen waren, noch ein besonderes Bonbon. Offenbachs berühmte Arie der Olympia “Les oiseaux dans la charmille” aus „Hoffmanns Erzählungen“ erklang im Duett zweier Koloratursopranistinnen (Alina Wunderlin, Ye Eun Choi), die sich gegenseitig in ihrer Koloraturakrobatik zu übertreffen und auszustechen versuchen. Diese köstliche Variante des Offenbachschen Originals stammt aus der Feder Rainer Mühlbachs, der an diesem Abend nicht nur am Klavier als einfühlsamer, hochvirtuoser und inspirierender Begleiter glänzte, sondern auch humorvoll und kenntnisreich zusammen mit dem Vorsitzenden der „Freunde der Kölner Oper e.V.“ durch den Abend führte.

„Eigentlich wollte ich nach wenigen Minuten den Saal verlassen“, meinte ein als Feuerwehrmann eher zwangsverpflichteter Konzertbesucher bei dem Umtrunk im Anschluss an das Konzert. „Aber ich bin geblieben und habe keine Minute bereut. Das war für mich eine ganz neue Erfahrung. Ich bin begeistert.“

Kann es ein schöneres Lob für die jungen Sängerinnen und Sänger und ihren Mentor Rainer Mühlbach geben? Man war sich einig. Dieser Abend muss nicht der letzte im Heinrich-Heine-Kultur-Forum gewesen sein, an dem ungewohnte Opernmusik dargeboten wird.

Norbert Pabelick
21.02.2020

 

 

 

 

 

Die zwei Tauben

16.12.2019

Uraufführung aus Anlass der Staffelübergabe Offenbach 2019 zu Beethoven 2020

Im Jahr 2019 ehrte Köln das Genie der Leichtigkeit - Jacques Offenbach wurde 200 Jahre alt. Die Musikwelt feierte den Geburtstag des deutsch-französischen Komponisten, dessen Musik bis heute Bestand hat. Jeder kennt den schmissigen Cancan aus Orpheus in der Unterwelt oder die Barcarole aus Hoffmanns Erzählungen – Welthits bis heute. Seine Welterfolge feierte der Erfinder der Operette in Paris, doch seine Wurzeln finden sich in Köln. Jacques Offenbach war ein Wanderer zwischen den Welten, vergöttert und verschmäht, als Jude, als Deutscher, als Franzose.

Das Offenbach-Jahr 2019 bündelte fast 400 Veranstaltungen der Sparten Musik, Theater, Tanz, Kunst und Literatur mit denen der berühmte Komponist gefeiert wurde. Höhepunkt bildete das Kölner Offenbach-Fest Piff Paff Puff um den Geburtstag des Künstlers am 20. Juni 2019. Neben Opernaufführungen, Theaterpremieren, großen und kleinen Konzerten und Musikpicknicks, lockten viele unterhaltsame und ungewöhnliche Events in Köln und Region.

Am 16. Dezember ging der musikalische Staffelstab mit einer Neuinszenierung Die zwei Tauben, beruhend auf Offenbachs Die zwei Blinden, nach Bonn zu 250 Jahre Ludwig van Beethoven. Das Offenbach-Jahr in Köln und Region verabschiedete sich damit augenzwinkernd mit dem Motto: YES, WE CAN CAN. An Bord der MS RheinEnergie wurde der Staffelstab der rheinischen Komponistenjubiläen hochoffiziell und musikalisch durch Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker an den Bonner  Oberbürgermeister Ashok-Alexander Sridharan im Beisein von Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen Armin Laschet übergeben.

Ludwig van Beethoven gilt als der meistgespielte klassische Komponist – und er war ein radikaler Künstler, der sich immer wieder neu erfunden hat, der die Grenzen der Musik erweiterte und die Gesellschaft in Frage stellte. Weltweit inspiriert er uns bis heute. Ziele des Beethoven Jubiläums sind zum einen die Vermittlung von Beethovens Werk sowie die Stärkung und Förderung innovativer Projekte, zum anderen die Steigerung der Bekanntheit Bonns als Beethoven-Stadt. Die Veranstaltungsvielfalt im Jubiläumsjahr 2020 bietet ganzjährig großartige Musikerlebnisse in unterschiedlichen Projektformen. In Konzerten, Ausstellungen, Opern, Tanz-, oder Theaterproduktionen, aber auch in Symposien und Bildungsprogrammen werden Beethovens Werke aus verschiedenster Perspektive beleuchtet: Von historisch-kritischen Aufführungen bis zu zeitgenössisch-künstlerischen Aktivitäten.

Zur Feier des Tages wurde an Bord die Uraufführung einer Adaption von Offenbachs Einakter Die zwei Blinden von Moritz Eggert und Patrick Hahn als erste und einzige Inszenierung dieses Stücks gegeben.Unter dem Titel Die zwei Tauben kommt es dabei zu einer imaginären Begegnung zwischen Jacques Offenbach und Ludwig van Beethoven, mitten auf dem Rhein.

Moritz Eggert (* 1965 in Heidelberg) ist ein deutscher Komponist und Pianist. Zu Eggerts bekanntesten Werken gehört der Klavierzyklus Hämmerklavier. Bisher schrieb er 7 abendfüllende Opern und mehrere Werke für Tanztheater und Ballett. Eggert ist seit 2010 Professor für Komposition an der Münchener Hochschule für Musik und Theater.

 

Die zwei Blinden

Szene 1. CO2

Monolog der Jackie O. aus dem verdunkelten Zuschauerraum heraus, durch den sie mit einer leuchtenden Taschenlampe den Weg durch die Zuschauerreihen zur Bühne sucht. Assoziativ bringt sie den Veranstaltungsort, dass Schiff RheinEnergie, mit Greta Thunberg, der CO2-Bilanz und dem Beethoven-Zitat Gibt es ein Leben vor dem Tode, oder danach? Ich wüsste nicht es klar zu sagen, welch eine Schmach ... in Zusammenhang. Anschließend bescheinigt sie die Publikum einen Zustand des Scheintodes.

 

Szene 2. Prämortales Leben

Hinter dem Vorhang ertönt Musik. Der Beginn der Mondscheinsonate. O. öffnet den Vorhang. Dahinter zum Vorschein kommt ein Klavier. Am Klavier hängt ein Schild, worauf zu lesen ist: [Den] Tauben nicht füttern stören. Dahinter B. Er spielt und summt dazu. Weitere Instrumente auf der Bühne. Die zugehörigen Musiker schlafen.

B singt zur Melodie von Beethovens Mondscheinsonate Zitate aus dem Brief an die ferne Geliebte.

Von O. angesprochen erinnert sich B. an seine vorgebliche Taubheit und sucht mit einem Trichter, den er sich in der Funktion eines Hörrohrs an das Ohr hält, diesen Eindruck weiterhin aufrecht zu erhalten.

O. singt auf die Melodie von Fortunios Lied, von B. auf dem Klavier begleitet, weitere Textpassagen aus dem Brief an die ferne Geliebte.

B jedoch ist der Meinung, der Text müsse zeitgenössischer werden, worauf er eine Eggert-Version des Textes vorträgt.

 

Szene 3. Hörrohr

B trägt einen Bossa nova vor, dessen Inhalt schwer wiederzugeben ist. Einige Textzeilen sollen einen Eindruck vermitteln: Ja ich bin ein toller Tönesetzer, ein Regelbuchverletzer, ein Fugenmaschinator, ein Rhythmusterminator, ein harmonischer Wandler, ein handschriftlicher Sandler, ein handwerklicher Meister, Beschwörer ferner Geister, ein Neue-Form-Erfinder, Entlegenes-Verbinder, ein echter Überflieger, ein Genie, Akademie, fick dich ins Knie!

Es folgt ein Tango mit dem Titel Offenbachs Publikumsbeschimpfung, dessen Text bei Karl Kraus gestohlen wurde, getreu dem Kraus Motto: Ein Original ist heute, wer zuerst gestohlen hat.

 

Szene 4. Zukunftsmusik

O und B zocken über die Größe ihrer Leistungen.

B. So stellen Sie sich die Liebe vor? Meine Leonore hat Florestan aus dem Gefängnis befreit. Das ist Liebe. Das ist Gattenliebe!

O. Mein Orpheus hat seine Eurydike aus der Unterwelt zurückgeholt.

Ohne jedoch einen Gewinner des Wettstreites ausmachen zu können, entscheiden sie sich schließlich, gemeinsam zu musizieren und Zukunftsmusik zu machen. Es folgt ein gemeinsam vorgetragener Walzer mit dem Titel Wer liebt denn heute noch die Vergangenheit

 

Szene 5. Tatütata

In den Applaus der vorangegangenen Musik hinein mischt sich der Lärm einer Sirene (von einem Megaphon), die vom Harfen-Engel betätigt wird. Er kommt nach vorne, setzt sich einen Zylinder auf, und holt aus seinem Kostüm eine Schriftrolle. Der Harfen-Engel verliest einen Bescheid vom Ministerium für Kinder, Frauen, Bunte, Andersbegabte, Gedöns und Künstler. Abgekürzt: Kifbagk.

Anschließend singen B und O einen Can can mit neuem Text, wobei der Can can mit halbem Tempo vorgetragen wird.

 

Es klingt falsch. Es klingt billig. Es klingt ungekonnt. Aber auch der große Richard Wagner hatte sich mit dem Diktum auseinander zu setzen, seine Musik sei besser, als sie klinge. Was uns daher wieder veranlassen könnte, den Komponisten zu den ganz Großen zu zählen. Er selbst jedenfalls gibt an, den Bereich des atonalen weit hinter sich gelassen zu haben und deutlich in die Sphären des betonalen, sowie des cetonalen vorgedrungen zu sein.

Dass Eggert singen könnte, muss er sich kaum nachsagen lassen. Die Leidenschaft und spürbare Freude daran, es trotzdem zu tun, hat jedoch etwas ansteckendes.

Großartig ist Marlene Goksch, eine 22-jährige Schauspielerin, die in ihrer Partie mit höchster Anmut und Präzision eine äußerst lobenswerte Leistung zeigt.

In der Gesamtwirkung seiner Wort und Kompositionsbeiträge zum Gelingen der Feierlichkeit entsteht insgesamt der Eindruck, Moritz Eggert habe einen Gutteil seiner Ernährung auf Kryptonid umgestellt. Eine Vermutung, die ich jedoch nicht weiter überprüfen konnte, da Eggert, auch wenn sich unsere Wege an diesem Abend mehrfach gekreuzt haben, immer wir ein Dschinn davon geeilt ist, und für ein Gespräch nicht zu fassen war.

Insgesamt kann man das Werk Die zwei Tauben als kurz, trivial und heiter beschreiben. Und, das haben wir nun alle aus dem gelungenen Kölner Aufführunsmaraton zum 200. Geburtstag des großen Komponisten Jaques Offenbach gelernt, ist eines der größten Komplimente, die auch dem gefeierten Kölner Komponisten zur Ehre gereichen. Eggert hat sich vor Jaques Offenbach verneigt. Jaques Offenbach würde vermutlich antworten: Chapeau!!!

 

Mitwirkende:

Jackie O., Jaques Offenbach: Marlene Goksch

B., Beethoven: Moritz Eggert

Harfen-Engel: Luise Enzian

Schlagzeug: Christian Thomé

Kontrabass: Johannes Esser

Regie: Patrick Hahn

 

Die beiden Tauben, ein Anlasswerk von Moritz Eggert, das zur Repertoiretauglichkeit vielleicht noch einer kleinen Überarbeitung bedarf.

Herzlicher Applaus.

 

Uraufführung

Die zwei Tauben

Musik: Moritz Eggert

Text: Patrick Hahn

Ein Einakter für singende Barockharfe, Jass-Bass, Drum-Set, Frauen und Männerstimme, Klavier.

Auftragswerk von BTHVN 2020

Aufführungsfassung 16.12.2020

Uraufführung: 2019 anlässlich der Staffelübergabe Offenbach 2019 an Beethoven 2020 an Bord des Schiffes Rheinenergie auf dem Weg von Köln nach Bonn.

 

Ingo Hamacher, 18.12.2019

Foto Wiki

 

 

Weihnachtsstimmung in der Oper Köln

Weihnachtskonzert des „Internationalen Opernstudios der Oper Köln“

10.12.2019

 

Die „Freunde der Kölner Oper“ hatten zu ihrem alljährlichen Weihnachtskonzert eingeladen, und auch dieses Mal füllten die Mitglieder in der sogenannten Schädelstatt vor dem Saal I des Staatenhauses die Stuhlreihen bis auf den letzten Platz. In der weihnachtlich und festlich geschmückten Spielstätte erklang ein Reigen besonderer Preziosen aus Oper, Operette und Oratorium. Rainer Mühlbach, der Leiter des „Internationalen Opernstudios der Oper Köln“, begleitete die jungen Sängerinnen und Sänger nicht nur einfühlsam und virtuos am Klavier, sondern moderierte dieses vorweihnachtliche Konzert mit großer Sachkenntnis, während Eike Ecker, die Oberspielleiterin der Oper Köln, in ihren Moderationsbeiträgen nicht nur das Ensemble der jungen Künstlerinnen und Künstler vorstellte, sondern auch mit vielen humorvollen Anmerkungen dem Abend eine heitere Leichtigkeit verlieh.

Einen weihnachtlichen Akzent setzte bereits der erste musikalische Beitrag. Die Koloratursopranistin Alina Wunderlin sang mit glockenklarer Stimme „Rejoice“ aus Georg Friedrich Händels „Messias“. Von der angekündigten stimmlichen Indisposition war nichts zu hören, ein Indiz dafür, wie technisch makellos und sauber Alina Wunderlin ihre herrliche Stimme bereits jetzt einzusetzen weiß. Eher weltlich besangen dann   der russische Tenor Anton Kuzenok als Nadir und der kroatische Bariton Stefan Hadzic als Zurga ihre Liebe zu der Priesterin Leila, ihrer früheren gemeinsamen Geliebten, in einem der schönsten Duette der Opernliteratur: „Au fond du temple saint“ aus Georges Bizets Oper „Die Perlenfischer“. Jussi Björling und Robert Merrill haben mit ihrer Interpretation dieses Duetts hohe Maßstäbe gesetzt, Anton Kuzenok und Stefan Hadzic reichten (fast) an ihre großen Vorbilder

heran.

Die Isländerin Arnheidur Eiríksdóttir ließ sodann die Arie der Dalila „Mon coeur s’ouvre à ta voix“ aus Camille Saint-Saens Oper „Samson und Dalila“ erklingen. Mit ihrem warmtimbrierten, glutvollen Mezzosopran und ihrer leidenschaftlichen Interpretation dieser berühmten Arie machte sie verständlich, warum Samson den Verführungskünsten Dalilas erliegt. Mit dem erst 25jährigen Koreaner Sung Jun Cho stellte sich bei diesem Konzert ein stimmgewaltiger, nobel phrasierender und hochmusikalischer Bass vor. In der Arie des Ralph „Quand la flamme de l’amour“ aus Bizets selten gespielter Oper „Jolie fille de Perth“ und in dem Couplet des Escamillo aus „Carmen“ zusammen mit Stefan Hadzic wurde deutlich, welch großes Potential in dieser wunderbaren Bass-Stimme steckt.

Die Koreanerin Ye Eun Choi ist die zweite Koloratursopranistin im „Internationalen Opernstudio der Oper Köln“ und brillierte in der Arie der Marie „Chacun le sait“ aus Donizettis Oper „Die Regimentstochter“ mit gestochenen Koloraturen und einem leuchtenden, funkelnden Sopran. Ein Glanzlicht an diesem Abend setzte auch Kathrin Zukowski mit dem „Vilja-Lied“ aus Lehars „Die lustige Witwe“. Ihr blühender, weichtimbrierter, in der Höhe leuchtkräftiger Sopran riss die Besucherinnen und Besucher zu emphatischem Beifall hin. Die Kölner Opernliebhaber können sich jetzt schon auf die Premiere der „Zauberflöte“ in der Regie von Michael Hampe zu Beginn der Spielzeit 2020/21 freuen, in der Katrin Zukowski die Pamina singen wird.

Der noble und stimmschöne österreichische Bass Florian Köfler mit der Arie des Banquo „Studia il passo“ aus Verdis Oper „Macbeth“, noch einmal Anton Kuzenok mit Augistín Laras Reißer „Granada“ sowie eine fulminante Interpretation des Finale-Terzetts aus Mozarts „Don Giovanni“ mit Stefan Hadzic, Florian Köfler und Sung Jun Cho als furchterregendem Commendatore schlossen den „weltlichen“ Teil des Abends ab. Auszüge aus Bachs „Weihnachtsoratorium“, der beseelt und zu Herzen gehende Abendsegen aus Humperdinks Oper „Hänsel und Gretel“ (Zukowski, Eiriksdottir) sowie ein Septett mit dem Weihnachtslied „Es ist ein Ros entsprungen“ bildeten den stimmungsvollen weihnachtlichen Ausklang eines begeistert beklatschten Abends, der einmal mehr zeigt, welch hohes musikalisches Niveau das „Internationale Opernstudio der Oper Köln“ unter seinem großartigen Leiter und Mentor Rainer Mühlbach besitzt.

In ihrem Grußwort an die „Freunde der Kölner Oper“ verlieh denn auch Kölns Opernintendantin Dr. Birgit Meyer ihrer großen Freude Ausdruck, dass die Kinderoper Köln, deren Ensemble durch das „Internationale Opernstudio“ gebildet wird, bei den 1. „Oper Awards“ im Konzerthaus Berlin mit dem ersten Preis für ihr Education-Programm ausgezeichnet wurde. Sie sprach den „Freunden der Kölner Oper“ für ihre Förderung der jungen Sängerinnen und Sänger ihren Dank aus, ohne die auch der Erfolg der Kinderoper nicht möglich wäre. Die Besucherinnen und Besucher dankten allen Beteiligten mit lang anhaltendem Applaus für das wunderschöne, vorweihnachtliche Konzert und für das vorgezogene Weihnachtsgeschenk, das die jungen Sängerinnen und Sänger ihren Förderern bereitet hatten.

 

Norbert Pabelick 11.12.2019

Bilder vom Veranstalter

 

 

 

Volksbühne am Rudolfplatz

Du bist ja selber schuld daran

seltene Kammeropern Offenbachs

Vorstellung am 15.10.2019

 

 

Du bist ja selber schuld daran heißt es in dem abschließenden Couplet an das Publikum aus Offenbachs Einakter UN MARI Á LA PORTE, den Regisseur Bruno Berger-Gorski und der Dirigent Hilary Griffith dem erfreuten Publikum im ehemaligen Millowitsch-Theater in Köln darboten. In den an diesem Abend gespielten Ausschnitten aus relativ unbekannten Kammeropern Offenbachs blitzt zwar immer wieder das satirische, gesellschaftskritische Talent des großen Kölner Komponisten auf, aber letztlich dominiert eine versöhnliche Botschaft: Die Unzulänglichkeiten, Eifersüchteleien, Egoismen, der standesmüßige Dünkel und die Schwächen der handelnden Personen sind eben menschlich und daher auch verzeihlich.

Turbulent und sehr menschlich geht es in Offenbachs Einakter Ein Ehemann vor der Tür aus dem Jahr 1859 wahrlich zu. Der Komponist Florian Specht flüchtet vor einem gehörnten Ehemann in schwarzer Diebeskleidung und mit schwarzer Gesichtsmaske in ein fremdes Zimmer, in dem sich die Braut Susanne und ihre Freundin Rosine vor dem Bräutigam verbarrikadiert haben, da dieser sich bei der Hochzeit ungebührlich benommen hat.

Der Bräutigam fleht vergeblich um Einlass, die beiden Damen werden durch den Eindringling zutiefst erschreckt, der Zimmerschlüssel wird aus dem Fenster geworfen, es kommt zu weiteren Turbulenzen und Aufgeregtheiten, aber schließlich endet das Verwirrspiel friedlich und harmonisch. Die beiden Damen greifen zu einer Notlüge: der Eindringling sei der Freund Rosines. Offenbach hat diese abenteuerliche Handlung, die in manchem an Mozarts Figaro erinnert, musikalisch süffig, elegant und virtuos umgesetzt. Den musikalisch anspruchsvollsten Part hat Offenbach dabei der Rosine zugeschrieben. Manchmal fühlt man sich als Hörer bereits an die Melodien der Olympia aus Hoffmanns Erzählungen erinnert.

Die israelische Sopranistin Reut Riwa perlte die halsbrecherischen Koloraturen wie an der Schnur gezogen herunter und erntete auch für ihre schauspielerische Performance den donnernden Applaus des Publikums. Die Mezzosopranistin Anna Lautwein als Susanne, der junge Tenor Ilja Aksionow als Florian sowie der Bassbariton Ben Hewat Craw als Bräutigam schlugen sich als ihre stimmschönen, agilen Mitstreiter bestens. Auch die Arie der Corilla aus Vert-Vert (1869) bewältigte Reut Rivka bravourös.

Begonnen hatte der Abend mit der Zahnschmerzarie aus Offenbachs Opéra-bouffe LA PRINCESSE DE TRÉBIZONE, die 1869 in Baden-Baden uraufgeführt wurde und die kein Geringerer als Karl Kraus als beste Offenbachiade überhaupt betrachtete. In dieser Arie täuscht Prinz Raphael Zahnschmerzen vor, um an der Jagd seines Vaters Casimir nicht teilnehmen zu müssen. Stattdessen will er die Gelegenheit nutzen, seine nicht standesgemäße und daher vom Vater abgelehnte Geliebte, die Schaustellerin Zanetta, zu treffen.

 

Der Kölner Kabarettist

Konrad Beikircher spielte und sang diese Bravourarie mit Zwerchfell erschütternder Komik und wurde dafür zu Recht mit Ovationen der enthusiasmierten Besucher belohnt. Ein besonderes Lob verdient hier allerdings auch Regisseur Berger-Gorski, der immer wieder mit lustigen und humorvollen Einfällen das schauspielerische Talent der Akteure herauskitzelte.

 


PÉPITO (Das Mädchen von Elizondo) feierte am 28.10.1853 seine Premiere im Théatre des Variétés in Paris, nachdem Offenbach den Sommer 1853 in seiner Geburtsstadt Köln verbracht hatte. Offenbach wollte unbedingt als Bühnenkomponist anerkannt werden, nachdem er sich zuvor vor allem als Cellist einen Namen gemacht hatte. Berger-Gorski stellte diese Opéra comique ins Zentrum des ersten Teils dieses launigen Opernabends und man konnte verstehen, warum dieses Stück nach 1856 zum festen Repertoire im Théatre des Bouffes-Parisiens gehörte.

Die Handlung ist so simpel wie eingängig. Die hübsche Manuelita (Katharina Diegritz) wartet auf die Rückkehr des in den Krieg ausgezogenen Pépito. Sie spart sich Geld vom Munde ab, um den Geliebten frei zu kaufen. Von dem älteren Wirt Vertigo (Thomas Kildisius) wird sie bedrängt, sie weist ihn aber ab. Auch der Jugendfreund Miguel (Ilja Aksionov) muss die Treue Manuelitas zu ihrem Geliebten anerkennen. Dann kommt alles doch ganz anders. Pépito schickt einen Brief an seinen Freund Miguel, aus dem hervorgeht, dass er eine andere Frau geheiratet hat. Dadurch steht der Liebe zwischen Manuelita und Miguel nichts mehr im Wege.

Musikalisch parodiert Offenbach in dieser Kurzoper z.B. Rossini, wenn sich Vertigo in seiner Buffoarie in Anlehnung an den Barbier von Sevilla als Faktotum vorstellt, der auf allen Klavieren zu spielen in der Lage ist. Auch Don Giovannis Serenade aus Mozarts gleichnamiger Oper findet in Pépito seine Entsprechung. Gesungen und musiziert wurde mit großem Engagement, gespielt und getanzt wurde mit Verve und vollem Einsatz. Waren in ein Ehemann vor der Tür kölsche Töne zu vernehmen, so durfte Manuelita in diesem Stück bayrischen Dialekt sprechen.

 

Derartige Aktualisierungen und lokale Verortungen kamen beim Publikum gut an und erzeugten viele Lacher, blieben aber doch insgesamt ein wenig hinter dem übrigen Niveau der Inszenierung zurück.

Hilary Griffiths und seine sieben Mitstreiterinnen und Mitstreiter im kleinen, aber feinen Orchester trugen ganz wesentlich zum musikalischen Erfolg des kurzweiligen Abends bei. Bruno Berger-Gorski, der schon an vielen bedeutenden Opernhäusern als Regisseur gearbeitet hat, gebührt ein besonderer Dank dafür, dass er im Offenbachjahr 2019 vier fast vergessene Offenbach-Pretiosen wieder zum Leben erweckt hat. Die Besucherinnen und Besuchern in der Volksbühne am Rudolfplatz sparten denn auch nicht mit großem Beifall und vielen Bravos für alle Akteure auf und hinter der Bühne und dankten allen Mitwirkenden für diesen gelungenen Abend mit selten gespielten Kammeropern Offenbachs. Großer Dank an die Kunststiftung Düsseldorf und diverse privater Sponsoren; nur durch sie konnte diese tolle Aufführung gestern zum Offenbach-Jahr in Köln realisiert werden.

 

 

Norbert Pabelick, 16.10.2019

 

Bilder (c) Der Opernfreund / BG

Foto Hilary Griffith (c) Eutiner Festspiele

Foto Konrad Beikircher (c) Beikircher.de

 

 

 

 

© Raimond Spekking / Wiki                                                        uraniatheater.de

 

Das Sherlock-Musical

Premiere: 13.09.2019

besuchte Vorstellung im Urania-Theater am 28.09.2019

 

Watson, ich kombiniere

Nachdem die Urfassung dieses Sherlock-Musicals bereits vor einiger Zeit im Kölner Urania Theater stattfand, fand in diesem Monat an gleicher Stelle die Premiere der überarbeiteten Version statt. Zusammen mit dem BBC-Autor Alan Wilkinson schuf Bettina Montazem, Intendantin dieser kleinen aber durchaus sehr charmanten Bühne mitten in Köln-Ehrenfeld eine Geschichte, die den vielleicht bekanntesten Privatdetektiv der Welt vor große Herausforderungen stellt. Seine großen Fälle liegen lange zurück, was Sherlock in eine tiefe Krise stürzt. Die Mischung aus Einsamkeit, Drogenkonsum und Selbstmitleid scheint böse Folgen zu haben, worauf ihn auch sein langjähriger Freund Dr. Watson immer wieder hinweist. Ablenkung muss her, doch die derzeit eingehenden Aufträge, scheinen nicht gerade dazu geeignet zu sein, ihn aus dieser Krise zu befreien. Die Suche nach einer entlaufenen siamesischen Katze ist ebenso unbefriedigend wie die Aussicht, einen achtjährigen Jungen als Assistenten auszubilden, der gerne Privatdetektiv werden möchte. Da kommt die Entführung eines französischen Wissenschaftlers gerade recht, der in den Wirren des 1. Weltkrieges eine Waffe entwickelt hat, an deren Pläne die Geheimdienste diverser Länder natürlich großes Interesse haben. Auch der deutsche Geheimdienst entsendet Peter Müller nach London um sich Sherlock als Assistent anzuschließen, ihm nach getaner Arbeit die Dokumente abzunehmen und ihn schlussendlich zu erschießen. Dass sich Peter in die Tochter von Dr. Watson verliebt, macht diesen Auftrag nicht einfacher, doch es gibt noch ein viel größeres Geheimnis, welches ihn mit dem britischen Meisterdetektiv verbindet.

Zugegeben, viele private Verwicklungen scheinen recht unrealistisch und ganz im Stile der großen Romanvorlagen erscheinen einige von Sherlocks Kombinationen auf den ersten Blick wie Hexerei, dennoch wird die Geschichte in gut zwei Stunden unterhaltsam auf die Bühne gebracht. Der Komponist Vladislav Bakhanov schuf dazu ein durchaus atmosphärisches Werk, welches zur jeweiligen Stimmung des Stückes gut passt. Von der fröhlichen Gartenparty zu Beginn als großes Ensemble-Stück bis hin zu Sherlocks tief-emotionale Erinnerungen an seine verstorbene Liebe ist die Bandbreite sehr groß, besonders gefallen können aber die atmosphärischen Zwischenspiele, die in Kombination mit den Choreografien der Delattre Dance Company bleibenden Eindruck hinterlassen. Die sechs Tänzer und Tänzerinnen in ihren meist komplett schwarzen Anzügen tanzen wirklich hervorragend, allein hierfür lohnt sich ein Besuch des Musicals. Außerdem werden sie geschickt für die Bühnenumbauten eingesetzt, eine gute Idee der Regie. Die musikalische Leitung des Abends liegt bei Erik Arndt, der den Darstellern den richtigen Einsatz angibt, da die Musik in der besuchten Vorstellung entgegen der Angabe auf der Homepage offenbar vom Band eingespielt wird.

Richard Bargel spielt die zerrissene Rolle des Sherlock Holmes eindringlich und überzeugend. Ganz hervorragend auch Claus Wilcke als Watson, der vor kurzem seinen 80. Geburtstag feiern durfte und sich hier einmal mehr als ganz großer Schauspieler präsentieren kann. Besonders schön und nah an den bekannten Vorlagen ist beispielsweise ein langes Gespräch zwischen den beiden Protagonisten, in dem Watson seinen langjährigen Freund mit sichtlicher Freude dessen Fehler vor Augen führt, dabei aber immer die Freundschaft an erste Stelle stellt. Als Mata Hari konnte die bekannte Sängerin Anna Maria Kaufmann verpflichtet werde, die vor allem mit ihrem großen Solo im zweiten Akt gefallen kann. Vom weiteren Ensemble lagen leider keine Besetzungsinformationen vor, da es kein Programmheft gibt und auch der Pressebereich sich hier auf die Hauptdarsteller konzentriert. Die Leistungen hier waren recht unterschiedlich, insbesondere die drei Darstellerinnen von Watsons Tochter, Sherlocks Jugendliebe und der Haushälterin Mrs. Hudson können hierbei überzeugen.

Punkten kann die Produktion auch durch die räumliche Nähe zu den Darstellern und Tänzern, wodurch eine ganz besondere Atmosphäre entstehen kann. Auch wenn es im Stück vielleicht noch den ein oder anderen kleineren Mangel geben mag, liefern solche Produktionen der verschiedenen Off-Bühnen doch immer wieder einen wichtigen Beitrag zur hiesigen Theaterlandschaft. Das Sherlock Musical bringt zwar nun nicht unbedingt den Broadway nach Ehrenfeld, wie die Werbung verlauten lässt, dennoch verschafft es dem Besucher aber durchaus einen sehr unterhaltsamen Theaterabend und das ist ja auch etwas Schönes. Vorstellungen im Urania Theater finden noch bis zum 27. November statt, zudem geht das Musical derzeit auf Tour, die einzelnen Spieltermine sind der Homepage zu entnehmen: https://dassherlockmusical.de/

 


Markus Lamers, 29.09.2019
Bilder: © Kay Uwe Fischer

 

Gespräch mit dem Mond

Opern-Air Konzert am Tanzbrunnen Köln


15. September 2019

 

Die Kölner Oper hatte zur Spielzeiteröffnung 2019/2020 zu einem Opern-Air Konzert an den Tanzbrunnen Köln eingeladen und über 1600 Besucher wollten sich dieses in Köln erstmalige Opernspektakel unter freiem Himmel nicht entgehen lassen. Da hatte auch Petrus ein Einsehen und bescherte nach kühlen Herbsttagen an diesem 15. September einen Spätsommerabend wie aus dem Bilderbuch. So war es fast schon selbstverständlich, dass Claudia Rohrbach, der Sopranliebling des Kölner Opernpublikums, ihr „Lied an den Mond“ aus Dvoráks Oper „Rusalka“ bei strahlendem Vollmond ins weite Rund des stimmungsvoll illuminierten „Tanzbrunnen“ verströmen lassen durfte. Der Blick der Zuschauer wanderte aber auch zu der augenblicklichen Interimsstätte der Kölner Oper, dem Staatenhaus, das seit dieser Spielzeit in festlicher Beleuchtung die Besucher willkommen heißt.
Die Protagonisten dieses Sommerabendkonzerts waren mit Ausnahme der Mezzosopranistin Dshamilja Kaiser ausschließlich Sängerinnen und Sänger des Kölner Opernensembles, von denen fast alle im „Internationalen Opernstudio der Oper Köln“ ihre ersten Sporen verdient haben. Der in aller Welt gefeierte Bassbariton Samuel Youn schmetterte mit voluminöser Stimmgewalt die Auftrittsarie des Escamillo „Votre toast“ aus Bizets Oper „Carmen“ und glänzte mit schauspielerischem Furor, dem sich die Damen Dshamilja Kaiser, Claudia Rohrbach und Arnheidur Eiriksdóttir (Mitglied des „Internationalen Opernstudios“) als Carmen, Frasquita und Mercédès kaum entziehen konnten. Die Liebesglut des Toreros war allerdings auch mehr als verständlich, denn Dshamilja Kaiser betörte in der „Habanera“ mit ihrem glutvollen, in der Höhe prachtvoll auftrumpfenden Mezzo ungemein.
Vervollständigt wurde der Block „Französische Oper“ mit dem Schmugglerquintett aus „Carmen“, in der die langjährigen Ensemblemitglieder Alexander Fedin und Martin Koch ihr humoristisches Talent unter Beweis stellten, der Gavotte , der Bravourarie der Manon aus Massenets Oper „Manon“, welche die aus New Orleans stammende Sopranistin Emily Hindrichs mit glockenklaren Koloraturen natürlich und stimmschön interpretierte, und Auszügen aus Jaques Offenbachs Oper „Les Contes D‘ Hoffmann“. Im Jubiläumsjahr des in Köln geborenen Komponisten, der sich selbst nie nur als Meister der Operette, sondern viel eher als Mann der ernsten Muse verstand, durfte Offenbachs Meisterwerk natürlich nicht fehlen, dessen Triumphzug in aller Welt der Komponist freilich selbst nicht mehr erleben konnte, da er kurz vor der Premiere von „Hoffmanns Erzählungen“ in der Opera Comique in Paris verstarb.
Der Schweizer Tenor Dino Lüthy sang mit tenoralem Schmelz und der notwendigen Attacke die Arie des „Klein Zack“, Claudia Rohrbach und Judith Thielsen ließen die Barcarole erklingen und in dem abschließenden Terzett zwischen Antonia, der Stimme der Mutter und Doktor Mirakel wurde deutlich, dass die Oper Köln mit der Sopranistin Kathrin Zukowski (noch im „Internationalen Opernstudio“) und dem koreanischen Bariton Insik Choi zwei Rohdiamanten besitzt, denen man eine ganz große Karriere voraussagen kann. Dies gilt auch für den Koreaner Young Woo Kim, der die Paradearie aller Tenöre, Puccinis Hit „Nessun dorma“ aus seiner Oper „Turandot“, mit verschwenderischer, strahlender Kraft wiedergab und damit das Publikum zu Beifallsstürmen hinriss. Als das blendend aufspielende Gürzenich-Orchester unter seinem Dirigenten Alfred Eschwé den Cancan aus Offenbachs Operette „Orpheus in der Unterwelt“ intonierte, war das Publikum förmlich aus dem Häuschen.
Die zweite Hälfte des Konzerts, das von Dr. Birgit Meyer, der Intendantin der Kölner Oper, und dem Chefdramaturgen Georg Kehren kenntnisreich, launig und humorvoll moderiert wurde, setzte ein mit einem Ohrwurm der Opernliteratur, mit dem Chor „Va pensiero“ aus Verdis Oper Nabucco. Schon erstaunlich, wie differenziert und klangschön Verdis Hymne im Tanzbrunnen erklang. Da hatten die Tontechniker wirklich ganze Arbeit geleistet.
Arien aus Mozartopern leiteten dann zur Operette über. Zunächst meißelte die blutjunge Sopranistin Alina Wunderlin („Internationales Opernstudio“) in einem Akt stimmlicher Hochseilakrobatik die halsbrecherischen Koloraturen der Höllenarie wie funkelnde Sterne in den Abendhimmel, dann schauspielerte und sang sich der österreichische Bassbariton Matthias Hoffmann mit der Arie des Papageno „Ein Mädchen oder Weichen“ in die Herzen der Besucherinnen und Besucher, sodass man meinen konnte, Mozart habe diese Arie eigens für diesen jungen Sänger komponiert. Und Insik Choi ließ zum Abschluss des Mozartblocks die so schwierige Champagnerarie perlen wie Sekt.
Ouvertüre, Couplet des Prinzen Orlofsky (Arnheidur Eiriksdóttir) und das Ensemble aus dem 2. Akt „Brüderlein und Schwesterlein“ aus der „Fledermaus“ von Johann Strauss mit u.a. Wolfgang Stefan Schwaiger und Lucas Singer bildeten den Abschluss eines vom Publikum begeistert aufgenommenen Konzerts, das in Köln Tradition werden sollte. Vielleicht werden ja auf diese Weise auch diejenigen dazu ermuntert, einmal eine Oper zu besuchen, die es bis jetzt noch nicht gewagt haben, ihren Fuß in ein Opernhaus zu setzen. „Die Oper verbindet, sie verbindet Generationen, sie verbindet verschiedene Kulturen und unterschiedliche Religionen und wirkt dadurch versöhnend und friedenstiftend. Besuchen Sie uns in der Oper Köln!“, stellte Frau Dr. Meyer in ihrem Grußwort zum Schluss der Veranstaltung fest. Es wäre zu schön, wenn angesichts der politischen und gesellschaftlichen Verwerfungen unserer Tage diese optimistische Zukunftsperspektive Realität würde.

 

Norbert Pabelick 16.9.2019  

(c) Wikipedia

 

 

 

STAR DUST – From Bach to David Bowie

Premiere Philharmonie Köln: 17.07.2019, besuchte Vorstellung: 16.07.2019 

Das Contemporary Ballet zum ersten Mal in Deutschland

Bereits im Jahr 1994 wurde das Complexions Contemporary Ballet von dem Choreografen Dwight Rhoden und dem Tänzer Desmond Richardson gegründet. Das ehrgeizige Ziel hierbei, durch einen konsequenten Mix von Methoden, Stilen und kulturellen Einflüssen wollte man den Tanz „neu erfinden“. In den vergangenen Jahren entwickelte sich die Company zu einer der gefragtesten Gruppen der Welt, die in den ganz großen Häusern auf der ganzen Welt zu Auftritten eingeladen wurden. Nach rund 25 Jahren ist man nun erstmals in Deutschland zu Gast. Nach Auftritten in München und Berlin eröffnet das Programm „Star Dust – From Bach to David Bowie“ nun das diesjährige Kölner Sommerfestival in der dortigen Philharmonie.

Passenderweise beginnt der zweigeteilte Abend mit dem Programm „Bach 25“, welches im April 2018 seine Uraufführung feierte. Chefchoreograf Dwight Rhoden schuf hierbei zu der Musik von Johan Sebastian Bach und Carl Philipp Emanuel Bach einen ganz bezaubernden Reigen an ausgefallenen Bewegungen, die die jeweiligen Stimmungen der Musik genau treffen. Es beginnt sehr schwungvoll mit dem Cellokonzert, A-Dur von C. Ph. E. Bach, wo auch gleich das alle 14 Tänzer gemeinsam auf der Bühne stehen. In den folgenden vier Barockwerken von J. S. Bach stehen dagegen meist einzelne Tänzer, Paare oder Trios im Mittelpunkt, wobei hier dennoch großer Wert auf die Stärke des gesamten Kollektivs gelegt wurde. Das Programmheft schreibt hierzu, dass „individueller Ausdruck und die Harmonie eines Ensembles in ein und demselben Werk ineinander verschmelzen können“. Eine in der Tat passende Zusammenfassung dieses Programmes, welches seinen Höhepunkt im großen Magnifikat von C. Ph. E. Bach findet. Die Wucht des Gesanges gepaart mit den absolut synchronen Bewegungen gehen unter die Haut. Nach einem wahren Ausbruch der Emotionen schließt das folgende Klavierkonzert Nr. 1, D-Moll von J. S. Bach den ersten Teil mit vergleichsweise ruhigen Bildern ab.

Nach der Pause erwartet den Zuschauer dann mit „Star Dust“ eine großartige Hommage an die Pop-Ikone David Bowie. „In jedem von uns steckt ein bisschen Bowie.“ kommentiert Dwight Rhoden sein Werk und folgerichtig treten die einzelnen Tänzer auch immer wieder als David Bowie in Erscheinung. Zu Hits wie Lazarus, Changes oder Space Oddity zeigen die Tänzer ein wahres Tanz-Feuerwerk auf der Bühne, welches insbesondere bei Live on Mars, unter die Haut geht. Anrührend auch die Darstellung von Heroes, welche am Ende in einem ganz berührenden stillen Moment endet. Neben der bekannten Musik wurde bei den Choreografien auch bewusst auf die Bühnenpräsenz des Glam-Rock-Musikers abgestellt, was sich auch in den Bildern und Figuren des Programmes wiederfindet.

Abgerundet wird der zweite Teil von einem passenden, man könnte fast sagen pop-modernen Lichtdesign, welches die Darsteller immer wieder ins passende Licht rückt. Verantwortlich hierfür zeichnet sich Michael Korsch, der im Übrigen auch bei „Bach 25“ für eine eher klassische Ausleuchtung der Bühne sorgte. Die figurbetonenden Kostüme von Christine Darch versprühen einen Hauch von Erotik, was diesen zutiefst berührenden Abend perfekt abrundet. Das Publikum in der nahezu komplett gefüllten Philharmonie spendet den 14 Darstellern sehr langen und begeisternden Applaus. An dieser Stelle soll daher auch darauf verzichtet werden, einzelne Tänzer besonders hervorzuheben, hier zählt vor allem das positive Gesamtbild. Auch Dwight Rhoden wurde vom Publikum mit großem Beifall bedacht für einen gelungenen rund zweistündigen Ballettabend, der den Tanz vielleicht nicht zwingend „neu erfunden“ hat, ihn aber mindestens auf eine Stufe gehoben hat, die ihresgleichen sucht. Bravo!

 

Markus Lamers, 17.07.2019


Bilder: © Sharan Bradford

 

 

Die doppelte Olympia

Sommerkonzert des Opernstudios Köln

01.07.2019 (Staatenhaus Oper Köln)

Beim Sommerkonzert der „Freunde der Kölner Oper“mit dem „Internationalen Opernstudio“ kam angesichts des Endes der erfolgreichen Spielzeit 2018/19 Wehmutsstimmung auf. Denn das so erfolgreiche „Internationale Opernstudio der Oper Köln“ muss in Zukunft auf einige Erfolgsgaranten verzichten. Der türkische Bass Yunus Schahinger und der koreanische Bariton Hoeup Choi verlassen nach zwei ereignisreichen Jahren das Opernstudio mit unbekanntem Ziel, der lyrische Tenor William Goforth, der noch kürzlich als Tamino in der „Zauberflöte für Kinder“ begeistert hatte, ist bereits in seine Heimat, die USA, zurückgekehrt und die junge koreanische Sopranistin Veronika Lee hat ein Engagement an der Bielefelder Oper angenommen.
Nach ihrer Mitgliederversammlung konnten die Opernfreunde sich aber noch einmal davon überzeugen, welch großartiges musikalisches Niveau die jungen Künstlerinnen und Künstler unter der Leitung von Rainer Mühlbach inzwischen erreicht haben. Den Reigen eröffnete Hoeup Choi mit dem Prolog des Tonio aus Ruggiero Leoncavallos Reißer „Pagliacci“. Besonders in den hohen Lagen trumpfte der junge Koreaner machtvoll auf, sodass man Rainer Mühlbachs Zukunftsprognose bei seiner launigen Moderation des Abends gerne glauben mochte: hier entwickelt sich eine dunkel timbrierte Tenorstimme, von der wir noch viel erwarten dürfen.
 Als ein ausgesprochener Publikumsliebling entpuppt sich an der Kölner Oper inzwischen die blutjunge Koloratursopranistin Alina Wunderlin, die unlängst an der Kölner Oper in der Jubiläums-Offenbachiade von Christian von Götz „Je suis Jaques“ ihr großes musikalisches und schauspielerisches Talent unter Beweis gestellt hat. Mit der Arie der Edilia „Der Himmel wird strafen dein falsch Gemüt“ aus Georg Friedrich Händels Oper „Almira“ brillierte sie nun beim Sommerkonzert und schickte ein Feuerwerk funkelnder Koloraturen in den Saal I des Staatenhauses, der mit dem Bühnenbild der „Tosca-Inszenierung“ den stimmungsvollen Rahmen für die Veranstaltung der „Freunde der Kölner Oper“ bot.
Ein Block mit Liedern und Duetten von Schubert, Isang Yun, Anton von Webern, Lili Boulanger, Felix Mendelssohn-Bartholdy und Richard Strauss bewies eindrucksvoll, welche Ausdruckskraft und Gestaltungsfähigkeit die jungen Sängerinnen und Sängern unter der Anleitung ihres großen Mentors Rainer Mühlbach, der seine Zöglinge einfühlsam am Klavier begleitete, inzwischen erworben haben. Das Lob gilt der wunderbaren Sopranistin Kathrin Zukowski, der isländischen Mezzosopranistin Arnheidur Eiríksdóttir, Veronika Lee, Yunus Schahinger und Alina Wunderlin in gleichem Maße. Es ist Rainer Mühlbach zu verdanken, dass nicht nur das Opernrepertoire, sondern gerade auch das Kunstlied in der Ausbildung der Stipendiatinnen und Stipendiaten im „Internationalen Opernstudio der Oper Köln“ immer wieder eine große Rolle spielt.
Als dann die „Habanera“ und das „Karten-Terzett“ aus Bizets Oper „Carmen“ mit einer glutvoll singenden, die Partie der Carmen ideal interpretierenden Arnheidur Eiríksdóttir verklungen waren, wollte der Beifall der begeisterten Besucherinnen und Besucher im Kölner Staatenhaus nicht enden. Und er brandete erst recht auf, als Alina Wunderlin und Veronika Lee in der Zugabe eine Premiere der besonderen Art aus der Taufe hoben. Die berühmte Arie der Olympia aus Jaques Offenbachs Oper „Hoffmanns Erzählungen“ verwandelte sich im Arrangement dieses Bravourstücks der Opernliteratur durch Rainer Mühlbach zu einem Zicken-krieg zweier Koloratursopranistinnen, die sich im Wetteifer um die höchsten Spitzentöne geradezu in Rage singen und um den Beifall des Publikums buhlen. Einfach köstlich! Der riesige Beifall für beide Interpretinnen und Rainer Mühlbach, der sich seine herrliche Komposition „Grand Duo Olympique“ patentieren lassen sollte, war mehr als verdient. Das Lob gilt aber allen Beteiligten für ein Konzert, das kurzweiliger und stimmungsvoller nicht hätte sein können.

 

Norbert Pabelick, 13.07.2019

 

 

 

 

Zauberflöte für Kinder

28. Mai 2019

 

Video

Entzückend und lehrhaft

 

Über die Zauberflöte, die Mozart-Oper, weltweit sicher eine der am meisten gespielten Werke des Wiener Meisters, ist viel geschrieben worden, insbesondere über die unterschiedlichsten Inszenierungen – von romantisch, poppig, ganz nüchtern bis hin zu albern, und natürlich in reduzierter Version für Kinder. Die Story ist ja nicht ganz einfach, dreizehn größere und kleinere Partien, ein Chor und ein Erzähler, verschiedene Spielorte und Geheimnisse müssen erst einmal erfasst werden; das dürfte auch für manchen Erwachsenen nicht einfach sein. In der Kölner Kammeroper hatte es jüngst eine solche abgespeckte Version gegeben. Limitierend ist auch immer die heikle und extrem hohe Partie der Königin der Nacht, die natürlich jeder im Ohr hat; ein wenig „fuschen“ geht daher nicht. Bei der Aufführung im Rahmen der Kinderoper Köln gab es dieses Problem allerdings nicht; die junge Koreanerin Veronika Lee, wie alle Sänger (bis auf Youn Woo Kim aus dem Ensemble und Lukáš Bařák) Mitglied des Kölner Internationalen Opernstudios, ist trotz ihrer Jugend eine beachtliche Koloratursängerin mit traumhafter Sicherheit und freier Höhe, ganz ohne hörbare Anstrengung.

 

Brigitta Gillessen, Chefin des Opernstudios, hat diesmal selbst Regie geführt und dabei das Kunststück vollbracht, die Oper kindgerecht zu entschlacken und zu kürzen, ohne auf den ideologischen Gehalt des Werkes zu verzichten. Der allerdings für jüngere Kinder schwer erkennbar sein dürfte; die Altersgrenze „ab 5 Jahre“ ist recht niedrig angesetzt. Und sie hat auch nicht den Fehler gemacht, allzu viel Lustiges einzubauen, um die Kiddies über knapp anderthalb Stunden bei Laune zu halten. Natürlich gab es viel zu lachen; die böse Schlange kommt zwischen den Zuschauern auf die Bühne, darunter kommen die bekannten drei Damen zum Vorschein, die den Drachen erlegt haben. Und das trotz seines riesigen Mauls. Das Paar Papagena (Alina Wunderlin) und Papageno (Lukáš Bařák) fegt auf einem abstrusen Designer-Roller über die Bühne, auf den mancher der kleinen Zuschauer sicher neidisch war, und Sarastro fährt stolz auf einer Art glänzend und technisch herausgeputztem Kettcar mit einem riesigen Schraubenschlüssel als Zepter und produziert damit heftige Lacher. Viele kleine inszenatorische Details erhalten die Aufmerksamkeit des Publikums, Gillessen hat es geschickt verstanden, für die ganz Kleinen und die ganz Großen im Publikum genügend Substanz zu liefern.

Dazu gehören auch die Bühne und die Kostüme von Nele Ellegiers. Fern von allem romantisierenden Plunder hat sie als Schloss einen schlichten Betonklotz gebaut, beim Drehen an der Verriegelung des zentralen Tresors erscheinen die markanten Begriffe wie Natur, Vernunft und Weisheit, ebenso wie in der Startszene eine verwirrende Zahl von Wegweisern nach Irgendwo, nach Liebe und nach Überall. Dazu diverse rätselhafte Lämpchen, Menschen in gelben Laboranzügen, darunter Youn Woo Kim als Priester mit jeder Menge Elektronik und Yunus Schahinger mit sonorem Bass als Sarastro gar mit einer brennenden Glühbirne auf dem Kopf. Die anstehenden Prüfungen sollen wohl als Laborexperiment durchgeführt werden, eine originelle Idee in der Jetztzeit.

Tamino ist der sehr stimmschöne und spielfreudige William Goforth im Harry-Potter-Look, Kathrin Zukowski schießt klar den Vogel ab mit ihrer Rolle als Pamina sowohl stimmlich wie auch darstellerisch. Einfach wunderbar diese Kathrin. Und der Russe Anton Kuzenok begeistert erneut mit seinem flexiblen Tenor als Monastatos, ebenfalls mit einem geheimnisvollen Technikhelm. Genannt werden muss noch die Isländerin Arnheidur Eiríksdóttir mit entzückendem Mezzo als dritte Dame.

Rainer Mühlbach führte das kongenial begleitende, stark reduzierte Gürzenichorchester umsichtig und mit sicherer Hand, bediente dazu noch das große Glockenspiel-Klavier und fand Zeit, sich über die Gags auf der Bühne sichtlich zu amüsieren. Wie immer gab es ein begleitendes Comic-Heft, Kiana Diederich (15) hat diesmal den Wettbewerb mit einer reizenden Darstellung der drei Prüfungen gewonnen. Und das wird oft nicht erwähnt: das Programmheft, hier überwiegend erstellt von Brigitta Gillessen. Ihre Gedanken zur Zauberflöte und die Bedeutung der einzelnen Akteure dürfte auch hart gesottenen Operngängern noch einiges an Erkenntnis liefern. Wie überhaupt nur eine spitzenmäßige Qualität in Szene und Musik jemanden – auch Kinder – für die Oper begeistern kann; das gilt gleichermaßen für die klassische Musik. So fiel dann auch der Applaus lang und sehr stark aus. Ida und Lotte, die kinderopernerfahrene Enkelinnen des Rezensenten, waren auf jeden Fall äußerst angetan.

 

Michael Cramer, 19.6.2019

(c) Paul Leclaire

 

 

 

Sancta Clara Keller

 

 

Stimmungen aller Arten

Datum: 18.5.2019

Bläserquartett mit Klavier

Die Konzerte bei KammerMusikKöln zeichnen sich durch ambitionierte Programme und oftmals rare Besetzungen aus, was einander teilweise bedingt. Der jüngste Abend (18.5., Wiederholung 19.5. in Bonn) geriet in dieser Hinsicht freilich nicht direkt extravagant. Daß bei zwei Werken die Flöte im traditionellen Bläserquintett ausgespart blieb und sich statt dessen dem Ensemble Oboe, Klarinette, Horn und Fagott ein Klavier hinzugesellte, war letztlich keine Besonderheit.

Ludwig van Beethovens Quintett opus 16 aus der Jugendzeit des Komponisten orientiert sich an den höfischen Tafelmusiken des 18. Jahrhunderts. Allerdings werden dem Klavier hervorstechende Aufgaben zugewiesen, was sich nicht zuletzt daraus erklärt, daß Beethoven ein aktiver Pianist war und sich viele Parts in die eigenen Finger schrieb. Im dritten Satz, einem Andante cantabile, wird dies besonders deutlich. Jetzt trat der 1981 geborene Nicolas Rimmer quasi in Beethovens Fußstapfen, titanenhaft nicht so sehr wegen seiner schlanken Erscheinung, sondern wegen eines großflächigen, aufrauschenden Spiels und einem sehr körperhaften Agieren. Der oft sehr orchesterhafte Klang des Instrumentes prägt Beethovens Quintett nachdrücklich. Tom Owen hatte es nicht immer ganz leicht, sich mit seinem zarten Oboenton durchzusetzen, was allerdings auch mit der Akustik des atmosphärisch attraktiven Sancta Clara-Kellers oder auch dem benutzten Zuhörersitz zu tun haben könnte. In toto geriet die Widergabe jedoch ungemein überzeugend.

„Mozarts geistige Erben“ war der Abend überschrieben. Dies eine Anspielung auf KV 452, ein Werk, vor dem auch Beethoven hohen Respekt hatte. Mozarts Musik gibt sich ungemein spielerisch und leichtfüßig, wenn auch nicht leichtgewichtig. Um den besonderen Mozart-Zauber überzeugend Klang werden zu lassen, gehört eine delikate interpretatorische Feinabstimmung. Bei den jetzigen Musikern (drei stammten aus dem Gürzenich-Orchester) war sie auf glückliche Weise gegeben.

Für Carl Reinecke fühlte sich Nicolas Rimmer zu einer kleinen Ansprache motiviert. Reinecke sei, wie der Komponist selber mit leichter Traurigkeit zugab, keiner in wirklich führender Position gewesen, habe immer etwas im Schatten von Koryphäen gestanden. In summa mag das stimmen, aber sein Trio opus 188 für Oboe, Horn und Klavier wartet doch mit vielen individuellen Ideen in punkto Themenverarbeitung, Harmonik und Tempomodifikationen auf. Im Scherzo spielen sich die beiden Bläser auf kokette Weise Dreitonfolgen zu. Das finale Allegro ma non troppo gibt sich heiter und apart. Zudem viel romantischer Aufschwung. Gerne ein baldiges Wiederhören.

Ein leichtes Defizit des Werkes besteht freilich in der Besetzung. Das Klavier als Klangfundament geht natürlich in Ordnung, aber Oboe und Horn (Egon Hellrung, weitgehend spielsicher) sind keine Instrumente, die sich klanglich wirklich stimmig ergänzen. Sie musizieren mehr oder weniger nebeneinander her. Das genaue Gegenteil ist bei Michail Glinkas „Trio pathétique“ der Fall. Klarinette und Fagott verschmelzen tonlich perfekt, das Klavier agiert virtuos im Hintergrund. Von „pathétique“ ist übrigens nicht sehr viel zu spüren. Der Finalsatz mit seinen häufigen Abwärts-Tonleitern wirkt sogar ausgesprochen kapriziös. Der sehr körperbewegte Blaz Sparovec und Pieter Nuytten gaben ein tolles Duo ab und wurden von Rimmers aufmunterndem Spiel bestens unterstützt.

Ein ausgedehnter, schöner und atmosphärischer Abend, vom Publikum, welches den Clara-Keller zur Gänze füllte, ausgiebig bejubelt.

 

Christoph Zimmermann 6.5.2019

Bild (c) Sancta-Clara-Keller.de

 

 

 

Cäcilia Wolkenburg

 

OFFENBACH

6. Februar 2019

 

Die nackte Wahrheit über die Entstehung des Can-Can

Jürgen Nimptsch (65) hat gleich mehrere Karrieren hinter sich: die berufliche bis hin zu Schuldirektor, die politische bis hin zum Bonner Oberbürgermeister, eine ehrenamtliche in vielen Gruppierungen und vor allem die künstlerische beim berühmten Kölner Männergesangverein www.kmgv.de, hier zuletzt als Baas (Intendant) bei der „Cäcilia Wolkenburg“. Das ist die Bühnengemeinschaft des bekannten Chores, die seit 135 Jahren ihr so genanntes „Divertissementchen“, ein komisch-parodistisches Theater- oder Singspiel auf Kölsch in der Kölner Oper bzw. im provisorischen Staatenhaus aufführt unter der strengen Bedingung: Keine echten Weiber auf der Bühne!

So auch 2019, dem 200sten Geburtsjahr des Kölner Sohnes Jacques Offenbach. Selbiges wird ein ganzes Jahr in der Stadt groß gefeiert mit vielen Events, sogar eine Offenbachgesellschafft hat sich extra gegründet www.yeswecancan.koeln; die rührige Claudia Hessel hält hier die Fäden zusammen und freut sich über neue Mitglieder. Nach dem Startschuss in der Philharmonie mit der „Offenbachiade“ nun das „Zillchen“, eingekölscht von „Cäcilia“, eine sehr große und sehr bunte Revue über Leben und Werk des Geburtstagkinds. Und da kommt unser Jürgen groß ins Spiel, denn er spielt und singt den Offenbach über die drei Stunden so lebendig und überzeugend, dass man den echten Jacques vor sich meint. „Amtssprache“ ist eine köstliche Mischung aus Französisch und Kölsch, die aber auch für „Imis“ (Eingewanderte) verständlich ist, zumindest bei der exzessiven Körpersprache der über 100 Mitwirkenden auf der Bühne. Das Divertissementchen ist eine enorme Herausforderung und logistische Meisterleistung, welche der Verein fast ausschließlich mit nur eigenen Leuten stemmt. Da wird über Monate geprobt, nachdem ein neues und passendes Stück ausgesucht wurde – nicht so einfach nach 145 Jahren. Eine immense Menge an Kostümen müssen mit Fantasie gezeichnet und genäht werden, die Bühne muss entworfen und gebaut werden, die Musik arrangiert und eingeübt werden, natürlich auch der Chor, ebenso das traditionelle Ballett und sehr vieles mehr. Da muss man schon den Hut ziehen, bevor man überhaupt ein Eckchen von dem Stück gesehen hat.

Der Kölner Lajos Wenzel, Schauspieler und Regisseur, der lange an der Kammeroper tätig war, hat die Werke von Offenbach und die Stationen seines Leben in Köln und Paris bunt vermischt, nicht immer hart an der historischen Wahrheit, aber sehr bühnen- und stimmungswirksam. Da geht es immer zwischen den beiden Städten flugs hin und her, denn Offenbach hat in Paris ein Theater, dessen ironische Stücke bei der Konkurrenz Neid erweckt und den Oberen nicht gefallen; er darf nur drei Sänger gleichzeitig auf der Bühne auftreten lassen, so der gestrenge Polizeipräsident, musikalisch unterlegt vom Kriminaltango. Völlig unmöglich. Es sei denn, das geplante Stück bringt den Ordnungshüter zum Lachen.

Natürlich wird reichlich Lokales serviert, über etliche Gläser Kölsch und angefangen von der ewigen Baustelle am Offenbachplatz, wo ein Trupp Arbeiter fröhlich nichts tut und eher dem Schnaps huldigt. „Ein Provisorium hält immer am längsten“, so die Weisheit der Bauleute. Das stimmt und sitzt. Bis hin zum ständig zitierten „Kölschen Grundgesetz“, welches immer passt und sogar die Gäste auf dem Flughafen Köln begrüßt. Als Handlung für das neue Stück ist die Geschichte von „Orpheus in der Unterwelt“ angesagt, aber da Jaques in Paris lebt, will ihn so recht nichts dazu einfallen, zumal er keine Kohle und Ärger mit seinen Mitarbeitern hat.

Und wo findet man einen guten Stoff? Natürlich in seiner Heimatstadt Köln, und zwar in einem Brauhaus: dort entsteht die erste Operette der Welt. Dazu kommt die inspirierende Musik von den „Bergischen Sinfonikern“ aus Wuppertal zusammen mit den „Westwood Slickers“, einer Bonner Dixie-Band; alles musikalisch perfekt zusammengehalten von Bernhard Steiner. Mit immer wieder stimmungsmachende Ohrwürmer: Willi Ostermann, die Piaf, Queen, auch Tschaikowski, Queen und die Black Föös lassen grüßen. Und immer wieder Melodien aus „Hoffmanns Erzählungen. Komplett arrangiert von Thomas Guthoff.

Die Geschichte wird von vielen amüsanten Details umrahmt: Offenbach´s Mama macht mit ihrer Damenriege „Arthöschen“ wegen ihrer Krampodere“ eine Kneippkur aus dem Eimer und hebt beim Wassertreten die Röcke „He deit et wieh“: das ist die historisch zwar nicht verbürgte, aber überzeugende Geburt des Cancan in Zeitlupe. Eine entzückende Idee. Auch die „Tour de France“ dreht ein paar Runden über die Bühne. Natürlich lässt sich auch das traditionelle Männerballett nicht lumpen, darunter der KMGV-Präsident Gerd-Kurt Schwieren, seines Zeichens Optiker in Köln: nicht mehr ganz jung, und seit 50 Jahren dabei, mit einer reizenden und zugleich zwerchfellerschütternden Tanzshow.

Klar ist: alles geht gut aus. Denn Ehefrau Hermine hat bei ihrer Kur in Bad Ems die Frau des Kaisers kennengelernt und ihr in Kölscher Klüngelmanier von dem Problem erzählt. Die Folge: der Kaiser wollte das Stück unbedingt selbst sehen, und zwar im Pariser Theater. Alle jubeln, die Zeitungen überschlagen sich, und Kölner feiern ihren großen Sohn Jacques Offenbach. Das Divertissementchen hat erneut einen rundum perfekten Abend auf die Bretter des Staatenhauses hingelegt, mit erstaunlich guten Stimmen der Laiensänger, mit sehr schwungvoller Musik, und viel lokaler, ans Herz gehender Kölscher Folklore, die beim einen oder anderen sicher ein paar Tränchen hervorgerufen haben dürfte. Alle Vorstellungen bis zum 5. März sind fast ausverkauft, aber vielleicht findet sich noch eine sehr lohnende Eintrittskarte.

 

Michael Cramer 14.2.2019

Bilder (c) Kölner Männer Gesangsverein

 

 

 

Fritz Thyssen Stiftung  

Rosen aller Arten 

Pia Salome Bohnert, Linda Leine

6.2.2019

           

„Dunkelrote Rosen, bring‘ ich, schöne Frau“ … Dieses Einlagelied zu Carl Millöckers „Gasparone“ kam im Recital von Pia Salome Bohnert zwar nicht vor, aber an dem durch Edith Piaf berühmt gewordenen Chanson „La vie en rose“ ging die Sopranistin nicht vorbei. Für ihren Auftritt bei der engagierten Reihe „Im Zentrum Lied“ (Saisonthema: Kolorit) hatte die Sängerin zusammen mit ihrer Klavierpartnerin Linda Leine ein äußerst vielschichtiges Programm konzipiert, vom Barock eines Henry Purcell bis hin zu aktueller Moderne. Vielleicht war es eine Premiere, aber dann dürfte es wohl später noch anderswo zu hören sein. Wie auch immer: zwei Stunden auswendig Singen bedeutet schon mal eine enorme Gedächtnisleistung, dazu kam der Wechsel zwischen vier Sprachen (incl. Russisch). Einige Texte hat Pia Salome Bohnert für das wie immer üppige Programmheft selber ins Deutsche übertragen.

Es gibt kaum eine Blume, welche nicht besungen wurde, vom Edelweiß bis hin zur Lilie. Doch der Rose eignet wegen ihres Aussehens besondere Attraktivität. Auch ihr Lebensrhythmus, welcher dem des Menschen gleicht (Schlafen, Erwachen), bringt einem diese Blume besonders nahe. Wohl können die Stacheln der Rose einer allzu großen Berührungsintensität im Wege stehen. Aber dem „Heidenröslein“ Goethes, von Franz Schubert vertont, nützt solche Abwehr nichts - es erleidet den Tod durch einen „wilden Knaben“. Und dieser Vorgang läßt sich sogar noch zwischenmenschlich gesteigert deuten … Mit einer Reihe gezielter Ritenuti ließen Pia Salome Bohnert und Linda Leine das kleine Drama beklemmend tragisch werden. Bedeutungsvoll die extrem verlangsamte, finale Refrainzeile „Röslein rot“.

Das aufeinander Hören und der agogische Gleichklang beider Künstlerinnen bewährte sich auch bei anderen Liedern, wobei die vier Beispiele aus Mädchenblumen“ von Richard Strauss die im Programm eher knapp berücksichtigte Romantik auffüllte. Kompositorisch am inspiriertesten ist die „Wasserrose“, welche sich in ätherischer Melodik ergeht. Auf die eher heiteren „Mohnblumen“ bereitete schon das leichte Lächeln der Sopranistin vor. Humorvoll auch die beiden Beispiele aus Hans Pfitzners „Alte Weisen“, wobei Pia Salome Bohnert mit einem klaren hohen C einmal mehr ihre Höhensicherheit unter Beweis stellte.

Die Stimme der Sopranistin besitzt eine leichte Kühle, was aber kein Defizit an Ausdruckswärme bedeutet. Dieses Timbre vermag den Gesang hingegen vor allzu massiver Emotionalität zu schützen. Bei den ausgewählten Gesängen, darunter Maurice Ravels „Shéhérazade“, war das freilich kaum nötig. Während sich Olivier Messiaen als Vertreter einer wirklich zeitgenössischen Musik in seinen „Trois mélodies“ noch in etwa tonal äußert, führten die Titel von George Crumb in eine bereits geräuschhaft angereicherte Tonwelt. Die kam dem Zuhörer freilich immer noch näher als Anna Mikolajkovás sprechdominante „Vertonung“ einer knappen Wortfolge, von Daniel Gerzenberg offenbar mit Überzeugung als „Gedicht“ bezeichnet. Ein Auftragswerk. Nun ja, solche Experimente nimmt man schon mal an. Noch nicht erwähnte KomponistInnen: Sofia Gubaidulina und Joseph Marx. Die Pianistin zäsierte den Abend mit Klavierstücken von Claude Debussy und Serge Prokofjew und überzeugte auch hier mit ihrem exquisiten Spiel. Diverse Wortbeiträge zum Thema „Rose“ steuerte Andreas Durban bei, rhetorisch lebendig wie immer.

 

Christoph Zimmermann (7.2.2019)

Foto vom Veranstalter

 

 

 

Volksbühne am Rudolpflatz

Dubcekova Jar

Deutschland-Premiere: 16. Januar 2019

Blick zurück auf politisch hoffnungsvolle Zeiten

Es hatte Symbolcharakter, daß der tschechische Pantomime Milan Sládek seine Deutschland-Premiere von „Dubcekova Jar“ („Dubcek Spring“ – auf deutsch also „Prager Frühling“) in der Kölner Volksbühne am Rudolfplatz bot, schräg gegenüber dem Theater im Bauturm. In diesem kleinen Haus war Sládek in seinen deutschen Anfangsjahren nämlich aufgetreten, und machte das Publikum mit seiner Kunstfigur Kefka bekannt, die 1960 in Prag das Licht der Welt erblickt hatte.

Durch Deutschland war der Künstler bereits 1965 getourt, sicher auch eine Folge von Alexander Dubceks Liberalisierungspolitik in der Tschechoslowakei. Aber 1968 kamen sowjetische Panzer und zermalmte alles, was er an kleinen Freiheiten (im Rahmen des Sozialismus) für seine Landsleute erkämpft hatte. Milan Sládek zog aus diesen Vorgängen die Konsequenzen und siedelte nach Schweden um; 1970 wechselte er nach Köln, wo er auf starkes Publikumsinteresse stieß.

Pantomimentheater war hierorts eine bis dato kaum bekannte Kunstform, die Breitenwirkung kam also nicht von ungefähr und führte 1974 sogar zur Etablierung des Festivals „Gaukler“. Der Rezensent erlaubt sich anzumerken, daß er all diese Jahre in vollem Umfang miterlebt hat. Zu den internationalen Gastspielen kamen natürlich auch immer wieder neue „Kefka“-Produktionen wie „Dreigroschenoper“, „Don Juan“, „Carmen“ und „König Ubu“.

Seit jeher ist Milan Sládek an einer Verbindung der Bühnenkünste und ihrer Befruchtung untereinander interessiert. So fließen bei ihm beispielsweise die Ästhetiken des Schwarzen Theaters oder auch des japanischen Puppentheaters Bunraku zusammen. Einen besonderen Erfolg mit dieser Mixtur erzielte Sládek bei der Mozart-Oper „Die Hochzeit des Figaro“ (1991), wenig später auch bei Monteverdis „Poppea“. Was Mozart betrifft, gab es auch eine Rekonstruktion der Faschingspantomime „Pantalon und Columbine“, in welcher der Komponist selber auf der Bühne mitwirkte. Sládek verkörperte den Pierrot, eine Anleihe nicht erst hier aus dem Bereich der Commedia dell’arte.

Die politischen Umwälzungen von 1989 mit ihren neuen Lebensbedingungen veranlaßten Milan Sládek zur Rückkehr in seine Heimat, wo er u.a. eine Festivalvariante von „Gaukler“ aufzog („Kaukliar“). Aber die alten Zeiten waren wohl doch nicht in vollem Umfange zu revitalisieren, hinzu kamen erfolgreiche internationale Auftritte. So zog Sládek wieder nach Köln, von wo aus er heute seine weiterhin umfänglichen Auftritte organisiert. Wie die der Dubcek-Story, eine Kooperation mit der Oper von Banska Bystrica (Edita Gruberova trat hier in jungen Jahren auf).

Sládek, inzwischen 80, hat die landesweite Begeisterung für Dubcek noch hautnah miterlebt. Heute muß er freilich gestehen: „Bei uns weiß vor allem die Jugend kaum etwas über die Ereignisse von 1968.“ Es passant: wird einst auch die Erinnerung der Deutschen an den Mauerfall 1989 verblassen?

Wie können vergangene Zeiten einem Publikum von heute stimmig und dringlich vermittelt werden? Obwohl Milan Sládek Recherchen zum Thema „Prager Frühling“ durchgeführt hat (u.a. Gespräche mit den Söhnen von Dubcek), kam für ihn eine historisch unanfechtbare Bühnenpräsentation nicht infrage. Es werden allerdings authentische Filmaufnahmen gezeigt (zur Musik des „Dies irae“ aus Verdis „Requiem“). Ansonsten aber steht der Pantomime als Dubcek (in verschiedenen Lebensaltern) im Mittelpunkt der Bühnenvorgänge, umgeben von einem Kollektiv junger Mitspieler, was an den Chor der griechischen Tragödie erinnert. Ansonsten versteht Milan Sládek seine Inszenierung als eine Art Aquarellbild, welches sich verläßlicher Konturen enthält. Das knospende Gänseblümchen zu Beginn ist freilich ein symbolstarkes und eindeutiges Bilddetail, auch die Fesselung Dubceks ergibt einen starken sinnbildlichen Akzent. Doch nicht alle Bilder erschließen dem Zuschauer das gemeint Bedeutungsvolle, man empfindet mitunter sogar visuelle Selbstgefälligkeit. Und ausgesprochen nervig sind die ständigen lauten Musikeinblendungen.

Darüber setzt sich Milan Sládeks immer noch behende Körperlichkeit und seine ausdrucksvolle Mimik aber dann doch weitgehend hinweg. So jedenfalls dürfte es das Publikum empfunden haben, welches dem Pantomimen am Schluß mit Ovationen verwöhnte.

 

Copyrights: Ctibor Bachraty.

Christoph Zimmermann 17.1.2019

 

 

Kölner Kinderoper wird „UNICEF-Pate Köln“

Der Saal 3 des StaatenHauses war am Samstag, dem 24. November 2018,  festlich geschmückt, und dies aus einem ganz besonderen Anlass. Der Kinderoper Köln wurde durch das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF der Titel „UNICEF-Pate Köln“ verliehen. Vor der bejubelten Aufführung von Richard Wagners „Walküre“ in der Kinderoper, die dem Festakt voranging, trugen Schülerinnen und Schüler der Henry-Ford-Realschule ausgewählte Kinderrechte der UN-Kinderrechtskonvention vor.

 Beim eigentlichen Festakt begrüßte Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker diese Schulkinder ganz besonders herzlich und dankte ihnen für ihr Engagement und ihre individuelle Interpretation der von ihnen rezitierten Kinderrechte. Frau Reker erinnerte daran, dass die Kölner Kinderoper neben Moskau die älteste Kinderoper in Europa ist und dass durch diese segensreiche Einrichtung in den vielen Jahren tausende Schulkinder in die Welt der Oper eingeführt wurden. Sie sprach der Kölner Oper und deren Intendantin Dr. Birgit Meyer ein ganz besonderes Lob für die umfangreiche kulturelle und theaterpädagogische Arbeit aus, die auch Kita- und Kindergartenkinder mit einschließt. Mit dem Startschuss der Zusammenarbeit zwischen UNICEF und der Kinderoper Köln wird die Thematik der Rechte der Kinder weiterführend aufgegriffen.

Die Intendantin hob in ihrer sehr persönlichen Ansprache hervor, wie sehr es ihr am Herzen liege, Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Musik und Oper zu ermöglichen. Die Kinderoper sei längst über bescheidene Anfänge hinausgewachsen und biete den Kindern und Jugendlichen qualitativ hochklassige Aufführungen mit Musikerinnen und Musikern des Gürzenichorchesters und großartigen Sängerinnen und Sängern unter Leitung von Rainer Mühlbach. Die Unterstützung der Kinderoper durch Sponsoren wie z.B. die Pandion AG, aber auch die Finanzierung der jungen Sängerinnen und Sänger durch die „Freunde der Kölner Oper“ sowie den „Förderverein der Kinderoper zu Köln“ unter ihrem Vorsitzenden Herrn Boden sei eine wertvolle und großartige Hilfe. Dr. Meyer brachte ihre große Freude über die Partnerschaft der Kinderoper mit UNICEF zum Ausdruck und sah darin eine „Würdigung des Engagements und der Leistung unseres gesamten Teams“. Gerade in der heutigen Zeit sei „der freie Zugang zu Bildung und Kultur für Kinder egal welcher Herkunft so wichtig.“

Auch UNICEF-Vorstandsmitglied Anne Lütkes gab ihrer großen Freude über die Kooperation zwischen Kölner Kinderoper und UNICEF Ausdruck. Sie dankte Dr. Arnd Kumerloeve, Mitglied im Deutschen Komitee für UNICEF und Vorstandsmitglied bei den „Freunden der Kölner Oper“, für seine Verdienste um die Initiierung dieses Projekts. Brigitta Gillessen, die Leiterin der Kinderoper Köln, fand zum Schluss sehr warmherzige Worte für eine Institution, die aus dem Kölner Kulturleben nicht mehr wegzudenken ist und auf welche die Kölner Oper, deren Intendantin Dr. Meyer und das ganze Opernteam zu Recht sehr stolz sein können. Die Patenschaft mit UNICEF ist Lohn für die exzellente Arbeit, die in Köln mit der Kinderoper geleistet wird, sie ist aber darüber hinaus auch Ansporn, die Kinderrechte stets ins Bewusstsein aller Opernbesucher zu rücken und in dem Bemühen nicht nachzulassen, Aufführungen der Kinderoper auf höchstem Niveau zu veranstalten und „den Kindern Gelegenheit zu bieten, bereichernde und sinnliche Erfahrungen jenseits des Alltags zu machen“ ( Frau Dr. .Meyer).

Der würdige und stimmungsvolle Festakt hinterließ nur zufriedene Gesichter. Vor allem auch bei den Mädchen und Jungen der Henry-Ford-Realschule, die ja an diesem Tag eigentlich die Hauptpersonen waren.

Norbert Pabelick 4.12.2018

 

St. Maria im Kapitol

MARIENVESPER

Ltg. Thomas Neuhoff 

3. November 2018

Von Anfang bis Ende gebannt

Bei den Kölner Chorkonzerten stehen die aufgeführten Werke häufig alleine für sich, d.h. ohne eine überhöhende dramaturgische Sinnprägung. Bei Bachs „Weihnachtsoratorium“ bedeutet die Nähe zum Fest der Geburt Christi natürlich stets einen triftigen Anlaß. Auch der Bach-Verein greift Anfang Dezember auf dieses populäre Werk zurück, mit der häufigen Beschränkung auf die Kantaten 1-3. Immerhin hat man sich der Mitwirkung von Concerto Köln versichert, und bei Händels „L’Allegro, il Penseroso ed il Moderato“ kooperiert man im kommenden März mit dem Kölner Kammerorchester.

Für Claudio Monteverdis „Marienvesper“ („Vespro della Beata Vergine“) wurde Concerto con anima engagiert, ein Ensemble, welches sich auf eine historische Musizierpraxis konzentriert. Diesem anderthalbstündigen Werk galten drei Aufführungen, zunächst im Altenburger Dom, dann in der Bonner Kirche St. Marien und nun in Kölns St. Maria im Kapitol. Über die Akustik der erstgenannten Aufführungsorte kann aus Unkenntnis nichts gesagt werden. Jene in St. Maria im Kapitol erwies sich indes als ideal. Die Halligkeit der Kirche wirkt ausgesprochen stimmig, was nicht zuletzt beim Ausklingen einzelner Nummern der „Marienvesper“ festzustellen war.

Daß Hall einen Chor besonders großvolumig erscheinen läßt, ist eine alte Erfahrung. Doch das hindert nicht an der gerechten Beurteilung einer musikalischen Leitung. Und da kann man den Sängern des Bach-Vereins nur ein Riesenkompliment machen, was sensible Artikulation, harmonischer Zusammenklang und das sichere Bewältigen selbst intonatorisch heikler Phrasen betrifft (etwa die Spitzentöne der Soprane in „Laudate Jerusalem“). Mustergültig in die Aufführung integriert war auch Giovani del Coro, der Jugendprojektchor der Bonner Lukaskirche.

Der Aufführung der „Marienvesper“ aus Anlaß des 375. Todesjahres von Monteverdi gingen zwei Veranstaltungen voraus: ein Komponistenporträt im Gemeindeforum Auerberg Bonn sowie ein Gesprächskonzert in der Kölner Trinitatis-Kirche unter dem Titel „Monteverdis sanfte Revolution“ 1610“, welche eine Vermittlung zwischen dem historischen Stil („prima pratica“) und einer fortschrittlichen Kompositionsweise („seconda pratica“) darstellt. Selbst wenn jemand mit den Ohren des 21. Jahrhunderts eine gewisse Gleichförmigkeit im Ausdruck von Monteverdis Musik empfindet, wird bewundernd eingestehen müssen, daß die „Marienvesper“ mit einer unglaublich fantasievollen Klangfantasie aufwartet. Die Einbeziehung eines Kinderchores, der abwechslungsreiche Einsatz der Solostimmen und die äußerst farbvariable Nutzung des Instrumentariums (u.a. mit den festlich klingenden Zinken und Posaunen) schaffen ein großartiges Ausdruckspanorama, welches den Zuhörer neunzig Minuten lang unnachgiebig in Spannung hält. Hinreißend auch die Lontano-Stellen, welche in einer Kirche stets besondere Wirkung machen.

Es gibt eine Fülle von Einspielungen der Monteverdi-Vesper, unter Nikolaus Harnoncourt, John Eliot Gardiner und anderen. Die Aufführung des Bach-Vereins unter dem (wieder einmal) hochkompetenten Thomas Neuhoff (Bild oben) dürfte sich – so die ungeschützte Behauptung – neben diesen glänzend behaupten.

Das chorische Elysium wurde ergänzt durch ein superbes Solistenensemble. Der vokal wie rhetorisch ausdrucksstarke James Gilchtrist, welcher in der vorigen Saison schon bei Brittens „War Requiem“ beeindruckte, setzte sich dabei emphatisch an die Spitze. Seine Fachkollegen Robin Tritschler und Stefan Sbonnik boten gleichfalls Optimales. Tobias Knaus mit seinem leuchtenden Altus war sogar eine veritable Entdeckung. Einen noblen Bariton bot Jakob Kreß. Last not least die Sopranistinnen Hannah Morrison und Barbora Kabátková, deren Timbres wunderbar miteinander harmonierten.

Ein wahrhaft grandioser Abend, welcher noch lange nachwirkte

Christoph Zimmermann (4.11.2018)

Fotos (c) Wiki / Bachverein.de

 

 

Michael Daub

Schöne, ausdrucksvolle Baritonstimme

26.10.2017

 

Der saisonale Auftaktabend der Reihe „Im Zentrum Lied“ fand erstmals im Museum für angewandte Kunst statt, nicht zuletzt aus akustischen Gründen, wie verlautete. Ganz nachvollziehbar wurde das für das Ohr des Zuschauers freilich nicht. Merklich individuell war hingegen die Präsentation des Konzertes. Bariton Michael Daub und sein prominenter Klavierbegleiter Eric Schneider gaben in dialogischem Miteinander verschiedentlich Hinweise auf die ausgewählten Werke, welche unter dem Titel „Meeresleuchten“ allerdings nur partiell erfaßt waren. „Landschaften und Naturbeschreibungen“ (Programmheft) war eigentlich eine umfassendere Formulierung. Freilich stand Debussys „La mer est plus belle que les cathédrales“ prägend am Anfang. Dieses Lied diente auch der Untermalung für die Ankündigung des Konzertes in der morgendlichen „Mosaik“-Sendung des WDR. Hier handelte es sich um eine Aufnahme von Anna Prohaska, freilich auch mit Eric Schneider als Pianist (entnommen der vor 8 Jahren entstandenen CD „Sirene“).

 

Ein Vergleich dieser Interpretation mit dem Livevortrag von Michael Daub machte u.a. deutlich, wie stark die Wirkung einer Vokalkomposition von der Individualität einer Stimme abhängig sein kann. Ein lichter Sopran gibt nun einmal andere Farben her als ein viriler Bariton.

 

Erster Eindruck bei Michael Daub: eine enorm schöne Stimme. Das war auch die Reaktion von Eric Schneider, als er den jungen Sänger kennenlernte. Seit 2015 arbeiten beide nun schon zusammen und haben Auftritte an repräsentativen Konzertstätten absolviert. Obwohl nach wie vor studierend (in London) ist Michael Daub schon jetzt als Sänger von ganz außerordentlichem Rang zu bezeichnen. Seine „schöne Stimme“ wirkt bestens focussiert, ist ebenso expansiv wie sensibel, volltönend und tragfähig selbst in Momenten zurückgenommener Dynamik. Das faszinierte auch bei Debussy und den beiden finalen Liedern von Henri Duparc. Dieser Komponist taucht in hiesigen Konzertprogrammen relativ selten auf; Dank also für die jetzige Begegnung.

 

Entsprechend der gewählten Thematik war das Programm romantisch ausgerichtet. Selbst die drei Gesänge von Samuel Barber paßten in dieses Schema, gehört der amerikanische Komponist doch unleugbar zu den „Konservativen“ des 20. Jahrhunderts, schrieb melodisch und harmonisch gegen den Rest der Musikwelt. Da wirkt ein Hugo Wolf mitunter fast „moderner“. Außer mit Liedern aus seiner Feder war das weitgehend aus Raritäten bestehende Programm von Schubert und Brahms geprägt. Als Höhepunkt des Konzertes darf Michael Daubs ruhig fließende, fast magisch beschwörende Widergabe von Schuberts „Meeres Stille“ bezeichnet werden, feinfühlig und klangsensibel begleitet von Eric Schneider, der nur mitunter vom Pedal etwas viel Gebrauch machte. Für die Darbietungen gab es reichlich Beifall, der am Ende sogar von Bravorufen durchsetzt war.

 

Unter den beiden Zugaben befand sich auch ein kapriziöses Lied von Kurt Weill. Es war wohl auch als Andeutung zu verstehen, daß das Thema des Abends ohne weiteres bis ins 20. Jahrhundert hinein hätte ausgeweitet werden können. Vielleicht ein anderes Mal.

 

Die künstlerische Leiterin der Konzertreihe, die im Ausland lebende Sopranistin Ingrid Schmithüsen, war in dem wie immer üppigen Programmheft mit einem Grußwort und einigen Textübersetzungen präsent. Der WDR hat übrigens mitgeschnitten und sendet die Aufzeichnung des Konzertes am 11. Dezember in seinem 3. Programm.

 

Christoph Zimmermann (27.10.2018)

 

 

Fortsetzung des Kinderopern-„Rings“ mit „Walküre"

Die Walküre

Premiere: 21.10.2018

Superlativer Siegmund

Anders als in Bayreuth, wo Wagners „Ring für Kinder“ in diesem Sommer als komplette Tetralogie gegeben wurde, erfolgt eine entsprechende Inszenierung der Kölner Oper in Jahresetappen. Mehr ist einem adoleszenten Publikum im Grunde auch nicht zuzumuten. Die Spieldauer der jetzt gebotenen „Walküre“ ist mit 70 Minuten human, obwohl weiterhin zu fragen bleibt, ob jedes Detail von Wagners komplexem Weltgeschehen bei Kindern wirklich ankommt. Da könnte eine Umfrage sicher interessant sein.

Die Werkfassung bemüht sich, Bühnenvorgänge so plausibel und durchschaubar als möglich zu machen. Brigitta Gillessen, Leiterin der Kinderoper und wiederum auch Regisseurin, erzählt die Geschichte um Siegmund und Sieglinde in einer Bilderbuchart, welche keine intellektuellen Rätsel aufgibt, sondern ganz einfach logisch und spannend ist. Die Informationen zur Oper mit ihren komplexen Hintergründen, welche das Programmheft bietet, sollten Kindern freilich idealerweise vor der Aufführung vermittelt werden. Alleine die Erläuterung, welche Ausstatter Christof Cremer für die Kostüme von Wotan und Fricka abgibt (Assoziationen zu Wagner und seiner Gemahlin Cosima), sind eigentlich nur von Connaisseurs angemessen zu würdigen. Und wer merkt schon, daß sich in Frickas Frisur die Hörner jener Widder spiegeln, welche in der originalen Oper die Wotansgattin auf die Bühne kutschieren? Das Bühnenbild, konzeptionell mit jenem von „Rheingold“ identisch, besteht vor allem aus massiven Bodenquadern. Im Hintergrund eine hohe Wand mit länglichem Fensterdurchblick, links die Weltesche, rechts am Boden liegend die in Walhall eingesammelten Helden.

 

Fans von Wagners Musik wird es bei Stefan Behrischs Werkfassung hier und da sicher leicht schmerzlich durchzucken ob der Kürzungen, Verknappungen und auch so manchen Tonartenverschiebungen. Gleichwohl ist dieses Arrangement geschickt und zweckdienlich. Auch mit dem verkleinerten Orchester, in welchem die Harfe hör- und sichtbar zum Zwecke der Klangauffüllung mehr als üblicherweise zu tun hat, wird man ohne Schwierigkeiten warm. Regisseurin und Dirigent Rainer Mühlbach, welcher mit dem Gürzenich-Orchester Wagners Musik auch bei den reduzierten Bedingungen wunderbar zum Blühen bringt, haben in den Musikverlauf Sprechpassagen und melodramatische Elemente eingebaut, welche auf verdeutlichende Inhaltsvermittlung abzielen. Wagners abgehobene Texte werden teilweise modifiziert. Statt Sieglindes „Nicht sehre dich Sorge um mich“ heißt es simpel „Nicht kümmere dich um mich.“ Alles gibt es als Übertitel, welche vom Premierenpublikum (überprozentual Erwachsene!) merklich genutzt wurden.

Das Sängerteam besteht aus Mitgliedern des „großen“ Ensembles und des Opernstudios, von denen viele nach ihren beiden Ausbildungsjahren aufgestiegen sind. Etwa Insik Choi, welcher als junger und männlich attraktiver Wotan mit einem kernigem, aber schlank geführten Bariton aufwartet. Klasse! Die vielseitige und beim Kölner Publikum außerordentlich beliebte Claudia Rohrbach verkörpert die Sieglinde einwandfrei, ohne gleich ideal zu sein. Regina Richter ist Fricka (und auch Schwertleite im vierköpfigen Walküren-Ensemble). Sie gibt eine optimale Autoritätsperson, sängerisch wie auch bei ihren Sprechpassagen. Als Brünnhilde gibt sich Jessica Stavros vital und sopranleuchtend, wird bei den Hojotohos von Veronika Lee (Helmwige) jedoch um Grade übertroffen. Kathrin Zukowski ist Rossweisse, Yunus Schahinger dräuend der sinistre Hunding.

Und dann das Großereignis: Young Woo Kim als Siegmund. Der junge Koreaner gewinnt Sympathien sogleich mit seiner euphorischen Darstellung, gibt dem Outlaw wirklich schicksalhaften Umriß. Sein Tenor ist enorm expansiv und schafft das Bild eines jugendlichen Helden, wie er im Buche steht. Die Kölner Oper hat die Qualitäten des ehemaligen Studiomitgliedes erkannt und plant für die nächste Zeit eine Personality-Veranstaltung, über die derzeit aber noch nichts Näheres verlautet.

Christoph Zimmermann (21.10.2018)

Bilder (c) Paul Leclaire

 

 

 

 

Hedwig and the Angry Inch

Volksbühne am Rudolfplatz, Köln


Besuchte Vorstellung: 12.08.2018

 

Off-Broadway in Deutschland


Immer wieder entdecken am New Yorker Off-Broadway neue Musicals das Licht der Welt. Einige schaffen den Sprung an den Broadway oder auch über den Ozean nach Europa, andere sind hierzulande leider nie zu erleben. Und dies, obwohl in den Werken oft ein großes Potential für kleine, aber feine Musicalproduktionen steckt. Doch vielleicht wird sich hier in Zukunft etwas ändern, in Hamburg hat sich der Verein OFFstage Deutschland e.V. gebildet als Initiative zur Förderung von Off-Musical in Deutschland. In Frankfurt ansässig ist das noch junge Produktionsunternehmen offMUSICAL, die dort sehr erfolgreich mit den beiden Musicals „Hedwig and the Angry Inch“ und der Deutschlandpremiere von Green Day‘s „American Idiot“ gestartet sind. Die Premierenproduktion von offMUSICAL war nun auch in Berlin und Köln zu sehen.

„Hedwig and the Angry Inch“ ist ein Werk, welches es inzwischen auch auf den Spielplan ambitionierter Stadttheater geschafft hat, zuletzt war es u. a. im Theater Trier zu sehen und vor wenigen Jahren am Landestheater Linz, dennoch ist es weitestgehend unbekannt obwohl das 1998 uraufgeführte Musical im Rahmen eines Broadway-Revivals im Jahr 2014 mit vier Tony Awards ausgezeichnet wurde. Zur Handlung heißt es in der Presseankündigung: „Die talentierte, doch international ignorierte Rock-Chanteuse Hedwig wird auf ihrer Welttournee mit der eigenen tragikomischen Vergangenheit konfrontiert: Als Hänsel Schmidt in Ost-Berlin aufgewachsen, überredet sie der amerikanische GI Luther zur Übersiedlung in die USA und zur Geschlechtsangleichung. Leider geht diese katastrophal schief und von ihrem Glied bleibt ein „Angry Inch“ zurück. Verlassen und ausgenutzt, weder Mann, noch Frau führt sie ihr Weg nun auf die Volksbühne am Rudolfplatz. Sie ahnt nicht, dass dieses Konzert ihr Leben für immer verändern wird.“

Der Zuschauer begibt sich nun auf eine rund 110minütige Reise durch Hedwigs tragischkomisches Leben, erzählt in Rückblicken durch die „Dame“ höchstpersönlich. 11 Songs, meist sehr rockig, hin und wieder aber auch durchaus gefühlvoll bilden den musikalischen Rahmen des Werkes von Stephen Trask (Musik und Texte) und John Cameron Mitchell (Buch). Unter der musikalischen Leitung von Dean Wilmington besteht die Band, die ebenfalls den Namen „The Angry Inch“ trägt, zudem aus Jonas Wiesner an der Gitarre, Sebastian Michaeli am Schlagzeug und Jan Nicolai Schmidt am Bass. Zusammen bilden sie eine formidable Rockband. Als Hedwig gibt Michael Kargus mit toller Stimme die Titelfigur musikalisch stark, allerdings gelingt es ihm nicht immer, die tragischen Momente wirklich bewegend ins Publikum zu transferieren. So sind es insbesondere die humorvollen Stellen im Werk, bei denen man als Zuschauer wirklich rundum zufrieden ist. Auch die große Diva die ihren Ehemann Yitzhak unterdrückt um klar zu machen wer hier der Star ist, bringt Kargus glaubhaft rüber.

Ganz hervorragend Kathrin Hanak in der Rolle des Ehemanns, meist rollenbedingt zurückhaltend aber bei Ihrem Solo „Unterm Strich“ grandios. Während die Zwischentexte, die von Michael Kargus und Thomas Helmut Heep (der sich auch für die Inszenierung verantwortlich zeichnet) lokal angepasst wurden, komplett auf Deutsch sind, bleiben einige Lieder unübersetzt. Ganz hervorragend inszeniert ist das Ende, bei dem sich Hedwig endlich komplett dem Zuschauer öffnet und mit „Midnight Radio“ den vielleicht stärksten Auftritt des Abends auf die Bühne bringt.

Sicherlich ist „Hedwig and the Anry Inch“ nicht der Geschmack jedes Lesers, dennoch zeigt dieses Werk einmal mehr, wie breit gestreut modernes Musiktheater heute sein kann und dass Musical viel mehr ist als eine reine Cash-Cow in Form von beispielsweise „My Fair Lady“ oder aktuell auch „Spamalot“. Auch dass sich Anspruch und Musical nicht gegenseitig ausschließen, sondern prima ergänzen können, zeigt uns offMUSICAL Frankfurt an diesem Abend. Im Januar 2019 schickt man nun auch Green Day´s „Amerian Idiot“ auf Tour durch Bielefeld, München, Stuttgart, Essen und Saarbrücken, in Berlin ist man bereits am 31.08. und 01.09. dieses Jahrs zu Gast im Admiralspalast.

 
Markus Lamers, 13.08.2018
Fotos: © Agnes Wiener / Niklas Wagner

 

 

 

 

 

KammerMusikKöln

Oren Shevlin und Mariko Ashikawa

27. Mai 2018

Romantik und etwas mehr

In einem großen Sinfonieorchester mitzuwirken, ist fraglos ein erhebendes Gefühl. Doch besondere Beglückung wird immer darin liegen, in einem kleineren Kreis noch stärkere interpretatorische Verantwortung zu übernehmen. Deshalb zieht es die meisten Instrumentalisten früher oder später zur Kammermusik. Sowohl Mitglieder des Gürzenich-Orchesters als auch des WDR Sinfonieorchesters arrangieren in der Philharmonie sowie im Funkhaus entsprechende Reihen. Seit 2011 gibt es eine neue Formation, gemischt aus Musikern beider Klangkörper. Kölner Kammersolisten nennt sich dieses Ensemble und ist integriert in die Veranstaltungsreihe KammerMusikKöln.

Die ersten Aufführungen fanden im Belgischen Haus statt, doch mußte dieses vor einiger Zeit geräumt werden. Eine neue Spielstätte fand sich im Sancta-Clara-Keller, nicht weniger attraktiv und leicht urig angehaucht. Alle ausführenden Musiker sitzen nun ebenerdig, also nicht auf erhöhtem Podium, was die Intimatmosphäre der Konzerte und die Nähe zum Publikum verstärkt. An dieser Stelle wird erstmals über das Unternehmen berichtet, welches sich übrigens mittlerweile auch in einer Bonner Zweitstätte etablieren konnte.

Die langsam auslaufe Saison firmiert unter dem Titel „Short Stories“. Das aktuelle Konzert war mit „Romantik plus“ überschrieben. Mit lediglich zwei Ausführenden markierte es die untere Besetzungsgrenze; bei besonderen Gelegenheiten können es nämlich bis zu 18 Musikern werden, wobei es speziell in solchen Fällen ohne Gäste nicht ausgeht.

Um die Gestaltung unorthodoxer Programme ist KammerMusikKöln in besonderer Weise bemüht. Für „Romantik plus“ wurde als führendes Instrument das Cello ausgewählt, mit seinem warmen, sonoren Klang für die Musik des 19. Jahrhunderts besonders prädestiniert, wie sonst eigentlich nur das Horn. Oren Shevlin war vor Ort schon häufig zu hören, ein vielgefragter Solist, aber auch Mitglied des WDR Sinfonieorchesters (was das Programmheft verschwieg). Als seine Klavierpartnerin fungierte Mariko Ashikawa, an der Kölner Hochschule für Musik und Tanz ausgebildet und dort mittlerweile selber als Pädagogin tätig.

Den Auftakt des Abends machten Robert Schumanns „Fünf Stücke im Volkston“, anspruchsvoll zwar, aber doch sehr gefällig, wie es der Titel im Grunde verspricht. Oren Shevlin gab sie vital und lebendig, war den Doppelgriffen in Nr. 3 glänzend gewachsen und steigerte die Tonfülle in den Tiefenlagen seines Instruments (Nr. 5). Auffallend die unterschiedliche Dosierung des Vibratos. Einen bravourösen Aufwärtslauf wie am Ende von Nr. 1 sollten die Zuhörer in abgewandelter Form später bei Astor Piazzollas „Le Grand Tango“ nochmals erleben. Mit ihrem gelenkigen Spiel war Mariko Ashikawa dem Cellisten eine anschlags- und stilsichere Partnerin.

Bei der Cellosonate opus 38 von Johannes Brahms drehten beide Musiker um etliche Grade auf, als wollte man Schumanns Vortragshinweis „mit viel Ton“ (Nr. 3) aufgreifen. Aber die Sonate ist von ihrem Habitus her tatsächlich besonders klangüppig angelegt, da durfte man durchaus in die Vollen gehen. Das mittlere, menuettartige Allegretto zäsierte das Werk genügend leichtfüßig.

Vom musikalischen Impetus her war Edvard Griegs Cellosonate opus 36 nach der Pause eine stilistisch schlüssige Programmfortsetzung. Der Pianistin wurde jetzt ein sogar noch rauschhafteres Spiel abverlangt, was Mariko Ashikawa mit Verve gelang. „Nordischer“ Tonfall ist in Griegs Musik unüberhörbar. Ein kurzes Motiv im ersten Satz erinnerte an das Klavierkonzert des Komponisten, im Finale spürte man Peer-Gynt-Atmosphäre. Dem Cello wird in diesem Werk so ziemlich alles abverlangt; Oren Shevlin meisterte seine Aufgaben grifftechnisch souverän und musikalisch total stimmig.

Das „Plus“ des Abends war das bereits erwähnte Werk Piazzollas. Die Lehrerin des adoleszenten Komponistin, Nadia Boulanger, hatte ihm sinfonischen Ehrgeiz zwar ausgetrieben, aber bestimmte Formen integrierte er doch immer wieder in seine Tangos, entkleidete sie einer bloßen Bar-Atmosphäre. Große Musikalische Gebärden bei den beiden Interpreten. Ihre Zugabe führte dann in romantisch schwelgerische Gefilde zurück.

Christoph Zimmermann (27.5.2018)

 

Dmytro Popov als Motivationskünstler 

Abschlusskonzert des Meisterkurses mit dem „Internationalen Opernstudio der Oper Köln“ im Saal 3 des Staatenhauses (25.05.2018)

Martina Franck, die Künstlerische Operndirektorin der Oper Köln, pries in ihrer kurzen An-sprache die Arbeit des ukrainischen Tenors Dmytro Popov mit den jungen Sängerinnen und Sängern des Internationalen Opernstudios während der vergangenen beiden Tage in den höchsten Tönen und versprach einen glanzvollen Opernabend. Und der wurde es auch! Die zahlreich erschienenen Opernfreunde brauchten ihr Kommen wahrlich nicht zu bereuen.
Popov, gefeierter Gast an allen großen Opernhäusern der Welt, spornte die jungen Künstler zu wahren Höchstleistungen an, ballte triumphierend die Faust, wenn eine Phrase nach mehrmaligem Anlauf vollendet gestaltet wurde, machte einen gefühlt zwei Meter hohen Luftsprung, wenn das hohe C strahlend im festlich geschmückten Saal 3 des Staatenhauses erklang und geizte nicht mit verbalen und körperlichen Umarmungen, wenn seine „Schüler“ ihr Gesellenstück mit Bravour dem begeisterten Publikum präsentiert hatten.
Der blutjunge türkische Bass Yunus Shahinger eröffnete mit sonorer Bassgewalt den Reigen musikalischer Glanzlichter mit der Arie des Banquo aus Verdis Oper „Macbeth“. Die belgische Mezzosopranistin Sara Jo Benoot erprobte mit großem Erfolg an diesem Abend einen Stimmfachwechsel und gestaltete mit leuchtendem, hochdramatischem Sopran u.a. die berühmte Briefszene der Tatjana aus Tschaikowskis Oper „Eugen Onegin“. Der Schweizer Tenor Dino Lüthy verströmte balsamischen Schmelz bei der Arie des Werther aus Massenets gleichnamiger Oper, die georgische Koloratursopranistin Maria Kubliashvili verzauberte mit herrlichen Pianotönen und gestochenen Koloraturen in Arien von Mozart und Bellini sowie einem Lied von Rachmaninow und der koreanische Bariton Hoeup Choi sang die Arie des Rodrigo aus Verdis Oper „Don Carlos“ mit stimmlicher Wucht und Gänsehaut fördernder Klangschönheit.
Als Maestro Popov daraufhin flugs ans Klavier eilte, einige Stimmübungen mit dem jungen Koreaner einlegte und ihn dann die Tenorarie (!) „Vesti la giubba“ aus Leoncavallos Reißer „I Pagliacci“ singen ließ, kannte die Begeisterung im Publikum keine Grenzen mehr. Ob hier ein neuer Stern im Tenorfach aufgeht? Dmytro Popov jedenfalls ist davon überzeugt. Bei dem koreanischen Tenor Young Woo Kim erübrigen sich solche Fragen. Seine herrliche Tenorstimme füllte mühelos den Saal 3 des Staatenhauses bei seiner Interpretation der Arien des Faust aus Gounods gleichnamiger Oper und des Rudolfo aus Puccinis Oper „La Boheme“. Als dann in der Reprise der Puccini-Arie Woo Kim das abschließende hohe „C“ strahlend mühelos und ganz natürlich aus der Gesangslinie heraus erklingen ließ, da jubelte nicht nur das Publikum, sondern auch der eigentliche Star dieses denkwürdigen Abends, der mit seinen Schülerinnen und Schülern mitfiebernde, ungemein empathische und seine Eleven motivierende Dmytro Popov.
Rainer Mühlbach, der Leiter des „Internationalen Opernstudios der Oper Köln“, begleitete seine Schützlinge einfühlsam am Klavier. Er kann zu Recht stolz sein auf die in den letzten beiden Jahren geleistete Arbeit, ohne die ein derartiges künstlerisches Niveau an diesem Abend nicht möglich gewesen wäre. Den jungen Sängerinnen und Sängern dürfte jedenfalls eine große Opernkarriere offen stehen.

Norbert Pabelick 28.5.2018

 

 

 

BAUTURMTHEATER KÖLN

Die Kunst des Gesangs

Martina Franck spricht im Bauturmtheater

22.04.2018

 

Die Freunde der Kölner Oper und die Freunde und Förderer des Theater im Bauturm hatten gemeinsam zu einem ganz besonderen Vortrag eingeladen. Und trotz des herrlichen Sommerwetters war der Theatersaal im Bauturm fast vollständig gefüllt, als Martina Franck, die Künstlerische Betriebsdirektorin der Oper Köln, 2 1/2 Stunden kenntnisreich, kurzweilig und amüsant über die Kunst des Singens referierte und dabei zahlreiche Tonbeispiele zu Gehör brachte.

Was sind die Kriterien, nach denen eine Sängerin oder ein Sänger für eine bestimmte Partie ausgesucht werden? Martina Franck nannte die Punkte, die sie selbst zum Maßstab macht: Die Stimme muss vor allem zuerst einmal „gesund“ sein. Technische Souveränität, Ausstrahlung, natürliches Singen, ein harmonischer Übergang aus dem Brustregister in die Kopfstimme, vielleicht sogar ein interessantes oder unverwechselbares Timbre, dann aber auch Bühnenpräsenz, Teamfähigkeit und schauspielerisches Talent sind unter vielen nur die wichtigsten Gesichtspunkte, die für ein Engagement entscheidend sind. „Eine figürlich unpassende Traviata wird nirgendwo mehr zu sehen sein, und die Unart des Stehtheaters ist eigentlich passé, Opernsänger müssen auch gute Schauspieler sein“, so Martina Franck. Eine Ausnahmesängerin wie Montserrat Caballé hätte es heute – das sei menschlich und künstlerisch sehr bedauerlich – schwer, eine vergleichbare Karriere zu starten.

Die Brüller auf den Brettern, welche die Welt bedeuten, sind nicht Martina Francks Favoriten. Der Paradigmenwechsel im Gesang durch den Verismus seit Verdi, vor allem aber die enormen Anforderungen an Durchhaltevermögen und Lautstärke durch Wagner und Richard Strauss, sie hätten, so Martina Franck, dem bis Ende des 19. Jahrhunderts gepflegten Belcanto, dem Canto fiorito und dem gemischten Gesang aus Brust und Kopfstimme für lange Zeit den Garaus gemacht. Das mit der Bruststimme geschmetterte hohe C elektrisiere die Zuhörer, führe aber auch, so Kölns Operndirektorin, z.T. zu einer Verrohung des Gesangs. Erst mit der Wiederbelebung der Opern Händels, Rossinis und besonders Bellinis werde wieder die Kunst des verzierten Gesangs in der Ausbildung junger Sängerinnen und Sänger gelehrt. Maria Callas sei hier als Wegbereiterin von enormer Bedeutung, der peruanische Tenor Diego Flórez sei wohl im Augenblick der ideale Vertreter des „tenore contraltino“ und Cecilia Bartoli stehe beispielhaft für die souveräne Beherrschung des canto fiorito.

Als Jussi Björling und Robert Merrill in dem herrlichen Duett zwischen Zurga und Nadir aus Bizets „Perlenfischer“ zu hören sind, da strahlt Kölns Operndirektorin wie auch bei den Einspielungen von Lauritz Melchiors Interpretation von „Dio mi potevi scagliar“ aus Verdis Othello und einem Auszug aus Donizettis „Anna Bolena“ mit Maria Callas. Es gab und gibt eben immer noch Sängerinnen und Sänger, die mit ganz natürlichem, auf dem Atem liegenden Stimmfluss unangestrengt und mit herrlicher Pianokultur den Gesang zur Kunst werden lassen.

Norbert Pabelick, Michael Cramer (Freunde der Kölner Oper), Martina Franck mit Hund, Laurenz Leky (Bauturmtheater)

 

Fotos (c) Stadt-koeln.de / Freunde der Kölner Oper e.V.

Norbert Pabelick 25.4.2018

 

Eine Institution von Bedeutung

Das Kölner Kammerorchester sieht seinem hundertjährigen Bestehen in 5 Jahren entgegen...

Bis 2023 gehen zwar noch einige Jahre ins Land, aber beim Kölner Kammerorchester (KKO) ist der Blick schon jetzt fest auf dieses Datum gerichtet, denn dann besteht es – als ältestes Kammerorchester Deutschlands – seit sage und schreibe hundert Jahren. Für die Gründungsidee im Jahre 1923 war die Überlegung ausschlaggebend, Kompositionen der Barockzeit und der Klassik in einer „werkgerechten Interpretation“ zu vermitteln, ein Begriff, welcher seit den endfünfziger Jahren durch die Bezeichnung „historisch informierte Aufführungspraxis“ abgelöst wurde. Auf Hermann Abendroth, von 1914 bis 1934 vor Ort künstlerischer Leiter des Gürzenich-Orchesters, folgte sein Schüler Erich Kraack, welcher die Konzerte des KKO für eine längere Zeit ins nahe gelegene Leverkusen verlegte. 1963 übernahm Helmut Müller-Brühl den Klangkörper rückte ihn nicht zuletzt durch eine Schweiz-Tour mit Wilhelm Kempff nachhaltig ins Licht der Öffentlichkeit. Aufführungen in Deutschland fanden hauptsächlich im prunkvollen Brühler Schloss statt, dessen festliches Ambiente im Verein mit den musikalischen Genüssen für starken Publikumszuspruch sorgte. Ab 1988 etablierte man in der Kölner Philharmonie zusätzlich die Reihe „Das Meisterwerk“, welche bis heute besteht. Im Rahmen dieser Veranstaltungen waren so manche prominente Künstler zu hören bzw. solche, die es einmal werden sollten. Julia Fischer beispielsweise gab hier im Alter von 17 Jahren ihr Debüt.

Für die Breitenwirkung der Arbeit des KKO sorgten nicht wenig die über 200 CD-Aufnahmen, welche in Zusammenarbeit mit dem engagierten und seine Verkaufspreise niedrig haltenden Label Naxos entstanden. Viele von ihnen sind noch heute erhältlich. Im Falle der Edition von Bachs Orchesterwerk gab es in einer Fachzeitschrift folgende bezeichnende Rezension zu lesen: „Helmut Müller-Brühl liefert ein überzeugendes Argument dafür, dass die Wahl zwischen alten und modernen Instrumenten bei Bach zweitrangig sein kann, wenn der Interpretationsansatz stimmt. Mit der richtigen Mischung aus historischen Informationen und gutem Geschmack arbeitet der Dirigent den Basisgehalt der einzelnen Bachischen Sätze klar heraus. Da wird deutlich artikuliert, schwungvoll und federnd musiziert, ohne dass dieser Stil zur bloßen Masche würde.“ Zu den Einspielungen unter Müller-Brühl während seiner letzten Amtsjahre gehören u.a. die fünf Klavierkonzerte Beethovens mit wechselnden Solisten, unter denen sich auch der junge Igor Levit befindet. Diese phonografische „Hoch“zeit ist inzwischen abgeebbt, was angesichts der gegenwärtigen Fülle, ja Überfülle an Spezialorchestern bzw. -ensembles allerdings kaum verwundern kann.

Mit dem Tod des fast achzigjährigen Helmut Müller-Brühl im Jahre 2012 trat ohnehin einer markante Zäsur ein. Als Nachfolger des den Stil des Orchester so maßgeblich prägenden Dirigenten wurde Christian Ludwig auf Zeit berufen. Es gelang dann, mit Christoph Poppen einen Principal Guest Conductor zu gewinnen, welcher sich nicht zuletzt durch seine Vielseitigkeit empfahl. Bis 1997 war der ausgebildete Geiger Primarius des Cherubini-Quartetts, eine Tätigkeit, welche er dann zugunsten einer Karriere als Dirigent aufgab. Es würde zu weit führen, alle seine Positionen (viele auch im Ausland) aufzuzählen, wobei neben dem Konzert auch die Oper eine gewichtige Rolle spielt. Die besonders prägenden Jahre beim Münchner Kammerorchester und bei der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken/Kaiserslautern sollten allerdings erwähnt werden.

Beim KKO hat Christoph Poppen einem dezidierten Publikumsgeschmack Tribut zu zollen. Barock und Klassik (mit leichter Ausweitung ins frühe 19. Jahrhundert) sind vornehmlich gefragt; daran hat sich seit den Jahren Helmut Müller-Brühls zunächst einmal wenig geändert. Mit den Entwicklungen nachfolgender Epochen vertraut zu machen und Lust auf Neues zu erwecken ist aber Poppens erklärte Absicht und wird eine spannende, aber sicher auch anstrengende Aufgabe in Zukunft sein. Am weitesten wagt sich in der kommenden Saison ein Konzert am 17. Februar vor, in welchem der Tenor Christoph Prégardien u.a. Gustav Mahlers Gesellenlieder vortragen wird. In seinem gestalterischen Mut weiß sich Christoph Poppen eines mit dem Orchester, wo die Zusammenarbeit gemäß vielen Bekundungen als beflügelnd und harmonisch bezeichnet wird. Oft fällt in Bezug auf den Dirigenten das Wort „Charisma“, welches auch das Publikum bei den Konzerten spüren dürfte

Die Höhenflüge der künstlerischen Zusammenarbeit wirken sich hoffentlich auch günstig auf die finanzielle Situation aus. Bis heute verdankt das KKO seine Existenz alleine privater Unterstützung, die man aber auszuweiten hofft. Dem Vorsitzenden des Vorstandes Kölner Kammerorchester e.V., Franz Xaver Ohnesorg, ehemals Intendant der Kölner Philharmonie und heute Leiter des Klavier-Festivals Ruhr, gelang es mit seinem von künstlerischen Idealen getragenem Geschäftssinn, neben dem Kuratorium Kölner Kammerorchester nun auch noch einen „Förderkreis 100 Jahre KKO“ und einen „Freundeskreis KKO“ (unterschiedliche Mitgliedsbeiträge) zu etablieren. Einen finanziellen Zugewinn bedeutete auch das Benefizkonzert am 11. März, bei welchem Juliane Banse (Gattin von Christoph Poppen), Dietrich Henschel, Michael Barenboim (Sohn von Daniel B.), Frank Peter Zimmermann mit Sohn Serge und Elisabeth Leonskaja unentgeltlich mitwirkten.

Dank Christoph Poppens internationalen Kontakten bestreitet das KKO inzwischen auch eine Vielzahl von Auslandsgastspielen. Hervorzuheben ist für den kommenden Juli die erneute Mitwirkung beim Festival Internacional de Musica do Marvao, von Poppen ins Leben gerufen und inzwischen längst führende Kulturadresse in Portugal. Für 2019 sind Reisen nach Korea, Taiwan und (!) China geplant. In jüngster Zeit fanden diverse Auftritte in den Niederlanden statt. Aber auch in deutschen Städten ist man ständig präsent, für welche stellvertretend Heimbach mit seinem Festival „Spannungen“ genannt sei (nächstes Konzert am 16. Juni).

Weiterführende Informationen unter www.koelner-kammerorchester.de

Christoph Zimmermann 21.3.2018

Bilder (c) Koelner-kammerorchester.de

 

 

WDR Funkhaus

Keine Oper, aber durchaus gute Unterhaltung:

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER

Uraufführung: 23.02.2018 

Besuchte Vorstellung: 24.02.2018

 

Die Sage des fliegenden Holländers, der durch einen Fluch belastet nur alle sieben Jahre für sieben Tage an Land darf, um durch eine Frau die ihn aufrichtig liebt erlöst zu werden, konnte sich in der Vergangenheit immer als Vorlage für diverse Film- und Theaterproduktionen beweisen. Hinlänglich bekannt ist nicht nur Wagners Oper, auch in Disney´s „Fluch der Karibik“ wird diese Sage aufgegriffen. Der WDR produzierte für die Sendung „Klassik populär“ nun die Welturaufführung dieses Stoffes als modernes Musical. Aufgezeichnet wurde die konzertante Version am 23. und 24. Februar diesen Jahrens im großen Sendesaal des WDR Funkhauses am Kölner Wallrafplatz.

Doch begonnen hat alles bereits einige Jahre zuvor. Bei einem Wettbewerb gewannen Philipp Polzin (Musik, Buch und Liedtexte) und Christian D. Dellacher (Musik, Orchestrierung und Arrangements) mit dem Musical „Der fliegende Holländer“ den ersten Preis, welcher eigentlich in einer Aufführung des Werkes bestehen sollte. Leider entwickelte sich die Suche nach einer passenden Bühne offenbar etwas schwieriger als angenommen, so dass die, um es vorwegzunehmen, großartige Partitur bis zum Februar 2018 weitestgehend unter Verschluss blieb. Vor einiger Zeit nahm sich das WDR Funkhausorchester dem Stück an, so dass die Uraufführung des Werkes gleich mit einem großen, professionellen Orchester punkten konnte. Außerdem konnten mit Chris Murray (Holländer), Milica Jovanovic (Senta), Richard-Salvador Wolff (Erik) und Thomas Bayer (Daland) vier erfolgreiche und bekannte Musicaldarsteller verpflichtet werden, die durch den Chor „Vocal Journey“ ergänzt wurden.

Gleich die Ouvertüre weiß zu gefallen, kann man das Meeresrauschen aus ihr förmlich spüren. Unter der musikalischen Leitung von Kai Tietje spielt das WDR Funkhausorchester zwei Stunden so wunderbar, das man sich mehrmals am Abend wünscht, dass dieses Konzert doch bitte als CD-Veröffentlichung erscheinen möge. Auch die Gesangssolisten wissen zu gefallen, die Rolle des Holländers scheint Murray fast auf den Leib geschrieben zu sein, Milica Jovanovic übernimmt die großen Balladen und auch Richard-Salvador Wolff gelingt der Wechsel von Disneys Aladdin (den er vor kurzem noch in Hamburg verkörperte) zum Seefahrer prächtig. Musikalisch spielt das Werk geschickt mit großen Orchesternummern, moderneren Rock-Pop-Balladen und schönen Seemanns-Shantys, bei denen auch der Chor immer wieder zu gefallen weiß.

Die Regie dieser konzertanten Aufführung übernahm Roland Hüve, kein so leichtes Unterfangen bei solch einem Stück, was geradezu vor Bildgewalt überquillt. So beschränkt sich Hüve auch mehr oder weniger auf einen großen Steeg über den die Darsteller laufen und ein paar kleinere Requisiten wie Stühle in der Seemannskneipe, für eine Radioaufzeichnung sicher ausreichend. Dazu die passenden Kostüme für die Darsteller und ein geschickter Einsatz des Lichtes runden die Aufführung für die Zuschauer im Saal ab. Übrigens waren sehr viele Erstbesucher bei einem Konzert des Funkhausorchesters im ausverkauften Konzertsaal zu Gast, wie eine kleine Abstimmung durch Handzeichen zu Beginn ergab, charmant kommentiert von der Bühne mit dem Hinweis, dass man dies wohl eine gelungene Neukundenakquise nennen könne.

Doch genug geschwärmt, am besten hören Sie selber mal rein. Allen Lesern sei die Ausstrahlung des Konzertes im Rahmen von „Klassik Populär“ am Sonntag, den 28.04.2018 um 19 Uhr auf WDR4 wärmstens empfohlen. Weitere Informationen zum Stück liefert auch die Homepage www.hollaendermusical.de. Eine CD-Veröffentlichung wäre wie bereits erwähnt wünschenswert, damit das Werk möglichst vielen Entscheidungsträgern in den Theatern des Landes bekannt wird, denn hier ist ein Musical mit großem Potential entstanden, welches richtig inszeniert - ein großes Schiff, eine kleine Häuserfront und viel Nebel würden wahrscheinlich fast schon ausreichen - sicherlich ein großer Publikumsrenner werden könnte und musikalisch zudem bestens unterhält.


Markus Lamers 6.3.2018
Bilder (c) WDR / Claus Langer

 

 

 

AUSWEICHSTÄTTE AM OFFENBACHPLATZ

 

Zum Zweiten

Der Kaiser von Atlantis

Premiere: 214.2.218       

Dritte Aufführung: 2.3.2018

Erfolgreich im Außengebäude

Die sogenannte „Außenspielstätte am Offenbach-Platz“, wo die durchaus schon proper aussehenden Häuser von Oper und Schauspiel weiter dem Ende ihrer Generalsanierung (vermutlich 2022) entgegen träumen, war eine offensive Idee des Schauspielintendanten Stefan Bachmann. Der studioartige Raum lässt selbstverständlich nur klein dimensionierte Inszenierungen zu, was aber auch als Herausforderung für den Spielplan wie für die Regie begriffen werden kann. Der „Saal 3“ im Haupt-Provisorium der Oper („Staatenhaus“) ist hingegen ein weitläufiges Arreal, welches durch das Bühnenbild künstlich verkleinert werden muss, sofern es nicht konzeptionell genutzt wird wie bei der grandiosen Produktion von Brittens „Rape of Lucrecia“, welche ihrer baldigen Wiederaufnahme entgegen sieht.

Viktor Ullmanns “Der Kaiser von Atlantis“ ist die zweite Initiative der Kölner Oper in der Außenspielstätte nach Georg Kreislers „Adam Schaf hat Angst“ (Juli 2017). Das Schicksal des tschechischen Komponisten dürfte bekannt sein. Er wurde als Jude 1942 nach Theresienstadt deportiert, dessen Zustände die Nazis in der Öffentlichkeit schönredeten. Die Abteilung „Freizeitgestaltung“ war ein potemkisches Dorf besonderer Art, aber tatsächlich funktionierte eine lagerinterne Kulturarbeit, was übrigens auch Stefan Heuckes 2006 in Mönchengladbach uraufgeführte Oper „Das Frauenorchester von Auschwitz“ thematisiert. In Theresienstadt durfte Ullmann seine Oper komponieren (das Libretto schrieb Schicksalsgefährte und Leidensgenosse Peter Kein); die Orchesterbesetzung musste sich nach den zur Verfügung stehenden Instrumenten richten,. Zur Premiere kam es aber nicht, wobei die Meinungen über die Gründe divergieren. Von Papiermangel für die Noten ist die Rede, bzw. von Schwierigkeiten für das Ausstattungsmaterial. Aber vielleicht wurden in der symbolhaften Handlung zuletzt politische Anspielungen aufgespürt. Kurz bevor Viktor Ullman nach Auschwitz abtransportiert und dort ermordet wurde, übergab er die Unterlagen seiner Oper einem Mithäftling, der sie über das Kriegsende hinweg zu retten vermochte. Erste Aufführungen vom „Kaiser von Atlantis“ (posthume Premiere 1975 in Amsterdam) waren Annäherungen an die noch nicht rekonstruierte Originalgestalt. Eine Edition des Schott-Verlages 1993 darf mittlerweile als authentische Fassung angesehen werden.

Der Tod: ein Urthema der Menschheit, mal als schmerzhaft, mal als erlösend empfunden. Aber er gehört unausweichlich und notwendigerweise zum Dasein. Was, wenn diese Konstellation einmal außer Kraft gesetzt würde? Ullmanns Oper durchdenkt das kritisch. Der Kaiser Overall, ein Kriegsherr, wie er im Buche steht, propagiert den Kampf aller gegen alle. Der Tod fühlt sich durch diese Maßnahme verhöhnt und verweigert seinen Dienst. Kein Mensch stirbt mehr, auch nicht bei heftigsten Auseinandersetzungen auf dem Schlachtfeld. In dieser Situation finden die Menschen aber wieder neu zu sich, was Eike Ecker in ihrer Kölner Inszenierung dadurch visualisiert, dass die Bühnendarsteller die Köpfe von ihrer Stoffummantelung befreien und wieder freie Sicht gewinnen. Ein Soldat und sein weibliches Pendant Bubikopf finden sogar in Liebe zueinander.

Der Kaiser ist von seiner Schuld aber nur schwer zu überzeugen. Doch dann willfährt er doch der Forderung des Todes, selber aus dem Leben zu scheiden und damit dem Erdenleben wieder zu seiner normalen Gangart zu verhelfen. Hier nun freilich stößt die Inszenierung an leichte Grenzen. Das hat wesentlich mit dem so ungemein sympathisch wirkenden Bariton Nikolay Borchev zu tun, welcher den Kaiser 2013 bereits konzertant am Theater an der Wien sang (und demnächst in Köln als Stolzius in Zimmermanns „Soldaten“ zu erleben sein wird). Der Sänger wirkt in keinem Moment als grimmer Despot, eine Fallhöhe zu seiner Unterwerfung findet somit nicht statt. Grundsätzlich ist die sängerdarstellerische Leistung des jungen Russen allerdings superb. Aber der clowneske Harlekin von Martin Koch und der sinistre Tod von Lucas Singer besitzen letztlich markantere Rollenumrisse, auch Judith Thielsen als Trommler. Das „Liebespaar“ Claudia Rohrbach und Dino Lüthy (einstweilen noch im Opernstudio) verströmen belkanteskes Melos.

Das taucht in Ullmanns Partitur auch sonst häufig auf. Mit der Musikästhetik seines Lehrers Arnold Schönberg scheint er also nicht auf voller Wellenlänge zu liegen, eher steht Sympathie für Alexander Zemlinsky zu vermuten, dem er in Prag als Kapellmeister zur Seite stand. Und der verweigerte sich einem grundsätzlichen Verlassen der Tonalität. Ullmann lässt auch Sympathien für Kurt Weill spüren, was von den Musikern des Gürzenichorchesters unter Rainer Mühlbach mal hart und kantig, mal aber auch eminent süffig zum Klingen gebracht wird.

Das Bühnenbild von Darko Petrovic bietet nicht viel außer einer das mittig platzierte Orchester umlaufenden Spielfläche. Blickfang ist eine schwarze Stoffglocke, welche den Lautsprecher symbolisiert, im Prolog akustisch dominant. Markante Akzente setzten weiterhin die Kostüme. Eike Eckers Inszenierung verzichtet auf zeithistorische Anspielungen, führt vielmehr auf fast schon asketische Weise einen mittelalterlichen Totentanz vor, einen dunklen Danse macabre. Mit seinen visuellen Andeutungen erreicht er mehr als vorstellbare politische Querverweise.

Eine knappe Stunde höchst beeindruckendes Welttheater. Vom Publikum nachdrücklich akklamiert.

Christoph Zimmermann (3.3.2018)

 

 

Viktor Ullmann

DER KAISER VON ATLANTIS

Premiere am 24. Februar 2018

Wenn der Tod streikt

Was ist es für Opernfreunde in Köln eine Freude, wieder den Weg zum Offenbachplatz einzuschlagen um in die Oper zu gehen. Zwar ist man auch noch weiterhin genötigt den mächtigen Riphahn-Bau links liegen zu lassen, aber immerhin öffnet die sogenannte „Außenspielstätte am Offenbachplatz“, die in ferner Zukunft die kleine Bühne des Schauspiels sein wird, derzeit ihre Pforten für das Musiktheater.

Viktor Ullmanns Kammeroper „Der Kaiser von Atlantis“ steht auf dem Programm und konnte bei der Premiere einen wahren Beifallssturm entfachen. Diese Oper, die gerade mal eine knappe Stunde dauert, ist - und das mag man sich heute kaum vorstellen - unter den barbarischen Bedingungen nationalsozialistischer Schreckensherrschaft im Ghetto Theresienstadt entstanden. Ullmann war hier interniert und durfte aber, da man dort zu Propagandazwecken ein kulturelles Leben von Machthaberseiten zuließ, komponieren. So entstand dieses Werk, das von beißendem Spott, Ironie und Groteske durchzogen ist. Zur Aufführung kam es zu Lebzeiten Ullmanns nie, nach der Generalprobe wurde das Werk von den Nazis verboten und der Komponist wurde 1944 im KZ ermordet. Erst dreißig Jahre später fand das Werk den Weg auf die Bühne und wird seitdem immer wieder vereinzelt gespielt, nun also auch in Köln.

Im Untertitel trägt die Oper den Zusatz „Die Tod-Verweigerung“ und dieser fasst die Handlung eigentlich schon kurz und bündig zusammen. In Atlantis (die Metapher des untergegangenen Reichs steht hier auch für das versunkene „gute“ Deutschland), herrscht Kaiser Overall. Dieser befiehlt einen Krieg, bei dem jeder gegen jeden kämpfen soll – das ist dem Tod zu viel. Er verweigert die Arbeit und niemand kann mehr sterben. Soldaten schießen aufeinander, aber sie bleiben nicht tot auf dem Schlachtfeld liegen, sondern blicken sich in die Augen und erkennen sich als Menschen (im Falle eines Soldaten und des weiblichen Soldaten Bubikopf entspinnt sich sogar eine kurze Liebesgeschichte). Der Tod nimmt erst wieder die Arbeit auf, als der Kaiser zustimmt, der erste zu sein, den der Tod ins Jenseits führen darf.

Dieses Werk ist natürlich voll von ironischen, ja zynischen Anspielungen auf die Machtverhältnisse im dritten Reich. Ein Herrscher, der nicht mehr bei seinem Volk ist, aber den totalen Krieg befiehlt und nur noch mittels Lautsprecher mit seinen Untergebenen kommuniziert, grotesk sind die Figuren, die Szene, wenn der Tod mit einem Harlekin über das Leben philosophiert, absurd die Liebesszene auf dem Schlachtfeld. Regisseurin Eike Ecker, die schon zahlreiche kleinere Produktionen für die Kölner Oper realisieren konnte, arbeitet sich brav durch das Stück. Sie arbeitet akkurat mit der Musik, traut sich aber nur selten, die Groteske des Stücks auch in die Szene zu übersetzen. Ullmann greift immer wieder zum sehr dicken Pinsel, Ecker traut sich nur selten das auch in ihrer Inszenierung zu tun. Charmant ist ein Ballett der Statisterie, mit kleinen glitzernden Sensen zu fetzigen Swing-Rhythmen aus dem Graben, Soldaten die eimerweise rotes Konfetti schaufeln – solche Bilder hätte man sich mehr gewünscht. Was Ecker freilich ganz exzellent gelingt ist die Zeichnung der Figuren und der Blick für die ruhigen, lyrischen Momente der Oper, denn auch die gibt es und hier entstehen wirklich berührende Momente.

Bühnenbildner Darko Petrovic, der auch für die wilden, prächtigen Kostüme verantwortlich zeichnet, hat für die nicht gerade üppigen Platzverhältnisse der Spielstätte ein Setting geschaffen, bei dem das Orchester in der Mitte der Bühne in einer Vertiefung sitzt, durch dessen Mitte ein Steg mit einer kleinen, erhöhten Plattform führt. Über dem Orchester schwebt bedrohlich, omnipräsent und letztendlich hervorragend überzeichnet der riesige Schalltrichter eines Lautsprechers. Und genau aus diesem sind auch die ersten Worte des Abends zu hören, denn Ullmann sieht die Rolle des Lautsprechers explizit vor. Diese übernimmt auf dem Off Lucas Singer, der auf der Bühne aber auch die Hauptrolle spielt: er ist der Tod. Und diese Rolle verkörpert er mit Macht. Mit seinem tiefen, sonoren Bass vermag er die dämonischen Momente dieser Figur auszuleuchten, er vermag aber auch zutiefst zu rühren, wenn er die Sinnhaftigkeit von Leben und Tod in Frage stellt. Dabei sind höchste Textverständlichkeit und Präzision im Ausdruck bemerkenswert. Ihm zur Seite steht aber ein durch die Bank weg hervorragendes Ensemble. Martin Koch gibt einen Harlekin der an Spielfreude und Ausdruck kaum zu übertreffen ist. Sicher in allen Höhen und Tiefen dieser Partie, agil auf der Bühne füllt er die Rolle mit der ihr eigenen tragikomischen Penetranz. Nikolay Borchev gibt einen soliden Kaiser Overall, bleibt aber in der Darstellung etwas zurückhaltend. Dino Lüthy, Mitglied des internationalen Opernstudios der Oper Köln, singt die Rolle des Soldaten mit viel Verve und weiß sich bestens neben seiner Bühnenpartnerin Claudia Rohrbach, fast schon ein Urgestein am Kölner Opernhaus und hier mit der eher kleinen Rolle des Bubikopfs betraut, zu behaupten. Beide meistern ihre Rollen souverän und klangschön. Judith Thielsen vermag in der Rolle des Trommlers nur bedingt zu überzeugen: so schön ihre Stimme ist, die Textverständlichkeit ist leider kaum gegeben.

Bemerkenswert ist sicherlich auch die Leistung der 14 Musiker des Gürzenich-Orchesters unter der Leitung von Rainer Mühlbach. Die Musiker musizieren die Farbigkeit und Vielseitigkeit der Partitur bis in die letzten Nuancen perfekt aus und das ist nicht ohne, denn Ullmann greift auf ganz verschiedene Elemente der Musikgeschichte zurück und präsentiert eine unglaublich facettenreiche Partitur. Vom mit Harmonium begleiteten Rezitativ, über melodramatische Moment, von barocken Tanzformen, über freitonale Passagen bis hin zu mitreißenden Jazzmomenten, vom harmonisch verfremdeten Deutschlandlied (bei der Ankündigung des „totalen Kriegs“ stehe einem hier wirklich die Haare zu Berge) bis zum Luther-Choral – was in dieser Partitur steckt ist eine Menge und die Musiker stellen sich dieser Herausforderung mal wohltönend, mal wild und zügellos aber immer hoch präzise und immer den richtigen Klang entfaltend. Letztendlich, das sei am Rande bemerkt, macht das Werk auch neugierig sich mehr mit dem Schaffen Ullmanns zu beschäftigen, denn auch wenn einiges seines Oeuvres in den Wirren des zweiten Weltkrieges verloren gegangen ist, sind doch viele Werke enthalten, die es zu hören lohnt.

Mit dem „Kaiser von Atlantis“ ist der Kölner Oper eine interessante und berührende Produktion gelungen, die sich um ein Werk verdient macht, das man sich häufiger in den Spielplänen der Opernhäuser wünscht und das ein packendes Statement gegen die Absurditäten von Krieg und Machtmissbrauch ist.

Dank an Paul Leclaire (c) für die schönen Bilder

Sebastian Jacobs  25.2.2018

 

 

 

West Side Story

am 9.1. im Musical Dome

 

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„Irgendwo auf der Welt kehrt diese alte Geschichte wieder und wieder: Zwei Menschen unterschiedlicher Herkunft begegnen sich, verlieben sich ineinander und schwören sich ewige Treue“. So beginnt das Programmheft die Einleitung zur aktuellen Welttournee der West Side Story, die nach Tokio, Manila, Singapur, Bangkok, Paris, Shanghai, Den Haag und Groningen derzeit im Kölner Musical Dome Station macht. Und genauso regelmäßig wie diese Geschichte stehts wiederkehrt, so regelmäßig taucht auch dieses Musical auf den Spielplänen der verschiedensten Theater auf. Dies liegt zum einen sicher an der wunderbaren Musik von Leonard Bernstein, doch auch der Inhalt scheint stehts aktuell, in der heutigen Zeit vielleicht noch mehr als jemals zuvor. So erhielt das Buch von Arthur Laurents in der Vergangenheit diverse aktuelle Deutungen durch die Regie, die bei der West Side Story sicher auch problemlos möglich und sinnvoll sind. Auf der anderen Seite ist das Werk aber auch in der ursprünglichen Version noch heute sehenswert und so bietet die aktuelle Tour in der Inszenierung von Joey McKneely eine wunderbare Hommage an das große klassische Broadway Musical. Zudem wird als weltweit einzige Inszenierung auf die Originalchoreografie von Jerome Robbins zurückgegriffen, die Songs erklingen im englischen Original von Stephen Sondheim.

Die Auseinandersetzung zwischen den Jets und den Sharks überzeugt auch in Köln auf ganzer Linie in bewährter Qualität, holte BB Promotion das Werk ja in der Vergangenheit bereits öfter nach Deutschland und Österreich. Auf der aktuellen Tour werden die beiden Hauptrollen von Kevin Hack als Tony und Natalie Ballenger als Maria übernommen. Egal ob „Maria“, „Tonight“, „I Feel Pretty“ oder „One Hand, One Word“, beide harmonieren wunderbar zusammen und können gesanglich vollkommen überzeugen. Stark auch das gesamte Ensemble, was die Damen vor allem bei „America“, die Herren dagegen bei „Gee, Officer Krupke“ auch gesanglich mal zeigen dürfen. Auch Schauspiel und Tanz sind ganz hervorragend. Allgemein bleiben bei dieser Inszenierung vor allem die vielen und wunderbar akkurat getanzten Choreographien im Gedächtnis. Kelly Beirne zeigt als Anita eine wunderbar glaubhafte Darbietung dieser Rolle und auch Lance Hayes (Riff) und Waldemar Quinones-Villanueva (Bernado) verkörpern die jeweiligen Bandenchefs mehr als rollendeckend. Vom gesamten großen Ensemble bleiben vor allem Daniel Russel als Baby John und Natalia Sanchez als Anybodys im Gedächtnis, was sicher auch etwas an den Rollen liegen mag. Insgesamt waren die Standing Ovation am Ende der Vorstellung für die Darsteller absolut verdient.

 


Donald Chan leitet das für eine Tourproduktion überraschend große Orchester sicher und souverän durch die Vorstellung. Das Bühnenbild von Paul Gallis besteht vor allem aus zwei Häuserfronten rechts und links der Bühne, die sich in verschiedene Richtungen bewegen lassen und so in Verbindung mit einigen Projektionen von New York immer wieder neue Räume schaffen, schlicht und effektiv. Die Kostüme von

Renate Schmitzer sind den 50iger-Jahren angepasst und auch die Abgrenzung der Sharks und Jets ist gut gelungen, ohne aufdringlich zu wirken.

 

Alles in allem, erwartet den Zuschauer „eine große Broadway-Produktion“ am Rhein, bei der der Zusatz „Der Original Broadway-Klassiker“ mehr ist als nur ein Werbespruch. Vielmehr ist er eine recht treffende Beschreibung dieser Inszenierung, die von den Zuschauern mit lautem Beifall bedacht wurde und der ein oder andere Besucher hatte auf Grund der gut umgesetzten Geschichte am Ende sicher auch eine kleine Träne im Auge. Etwas eilig hatte es allerdings wohl der Inspizient gestern Abend, denn der Vorhang blieb sehr schnell geschlossen und die Saalbeleuchtung wurde eingeschaltet zu einem Zeitpunkt wo die Zuschauer sicherlich noch bereit waren, den Darstellern mit einer Runde Extraapplaus zu danken. Wer sich die Show noch ansehen will, muss sich allerdings sputen, denn die West Side Story gastiert nur noch bis zum 14. Januar 2018 in Köln und im Vorfeld konnten bereits über 90 % der Plätze abgesetzt werden, so dass es nur noch Restkarten an den Abendkassen geben wird. Hingehen lohnt sich allerdings.


Markus Lamers, 10.01.2018
Fotos: © Johan Persson / Susanne Brill
Weitere Informationen: www.westsidestory.de

 

 

 

Kinderoper Köln

Orpheus in der Unterwelt

WA-Premiere: 6.1.2018

Vehemente Spielwut, eine Stunde lang

Die Kölner Kinderoper ist – mit Überzeugung euphorisch ausgedrückt – eine einzige Erfolgsgeschichte. Erst war sie in einem Foyerzelt der „alten“ Oper am Offenbachplatz untergebracht, siedelte dann ins südstädtische „Pfandhaus“ um (besonders intimer Rahmen) und residiert jetzt wie das gesamte Opernarsenal im Ausweichquartier “Staatenhaus“ bis noch mindestens 2022. Das künftige unterirdische Domizil der Kinderoper am Offenbachplatz gab es als Architektur-Entwurf immerhin schon mal zu sehen, aber nun ist weiteres Warten auf ein endgültiges Opening nach der sich hinschleppenden Restaurierung angesagt.

Bei der Wiederaufnahme von „Orpheus in der Unterwelt“ besitzt die glitzernde Ausstattung von Elisabeth Vogetseder noch immer starke Attraktivität, allerdings war das intime Ambiente des Pfandhauses 2013 für sie besonders günstig. Die Inszenierung stammt von Elena Tzavara, der damaligen Leiterin der Kinderoper. Sie bietet eine kindgerechte Bearbeitung von einer Stunde Spieldauer. Bezüglich Handlung und Musik (Fassung für Salonbesetzung: Uwe Sochaszewsky) bedeutet das so etwas wie „großer Querschnitt“. Aber die wichtigsten Elemente der Handlung sind erhalten geblieben. Dass dabei Witz vor Psychologie geht, geht in Ordnung. Es gibt ein „modernisiertes“ Finale. Obwohl Eurydike gemäß höherer Weisung wieder zu ihrem ungeliebten Gatten zurückkehren soll, hat die sonst so sauertöpfische Öffentliche Meinung (Fernsehmoderator Ralph Caspers) eine rettende Idee. Die frustrierte Frau bekommt eine Fernsehshow. Hier kann sie Orpheus tot reden, so wie er sie zu Anfang nahezu tot gegeigt hatte. Elena Tzavaras Inszenierung zündet noch immer, wobei ein Moment dies sogar fast wörtlich unterstreicht. Bei der Bemerkung „Ich habe eine Idee“ entflammt sich der über der Szene hängende Kronleuchter. Ein köstlicher Moment.

Die erhöhe Spielfläche ermöglicht „unterirdische“ Auftritte und Abgänge. Der Olymp ist durch eine breit gezogene Chaiselongue repräsentiert, auf welcher sich die Götter der Langeweile hingeben. Dahinter, auf leicht erhöhtem Podium, sitzen Musiker des Gürzenich-Orchesters und spielen unter Rainer Mühlbach mit Verve. Dass von Offenbachs originaler Orchestrierung nur Rudimente erhalten bleiben, nimmt man unter den gegebenen Umständen gerne hin.

Das Ensemble ist nicht nur spielfreudig, sondern geradezu spielwütig, wobei Maria Isabel Kublashvili (Venus) und Anna Herbst (Diana) freilich nur Ensembledienst leisten können. Fast alle Sänger sind Mitglieder des Opernstudios. Matthias Hoffmann (Pluto) gehörte ihm einige Zeit an, gehört jetzt zum regulären Ensemble. Sein inzwischen noch machtvoller gewordener Bass und seine Bühnenpräsenz sind einfach umwerfend. Dino Lüthy (als Orpheus kraftvoll lyrisch) wird fraglos den gleichen Aufstieg machen, sofern er nicht an ein anderes Haus wechselt. Bis in die Fingerspitzen hinein erotisch gibt Maria Maria Isabel Segarra die Eurydike. Noch stärker als der Alberich im Kinderopern-„Rheingold“ bei wirkt bei Hoeup Choi der Merkur. Spielfreude und Charme wirken bei dem jungen Koreaner mächtig zusammen. Yunus Schahinger überzeugt als Jupiter mit Kyffhäuserbart. Eine bessere Beherrschung der deutschen Sprache wird sich noch einstellen. Constanze Meijer als kußfreudige Juno und Alexander Fedin aus dem offiziellen Ensemble (Styx) haben merklich Spaß an ihren skurrilen Rollen.

Eine Stunde reinen Vergnügens. Wann lässt sich das derart einschränkungslos sagen?

Christoph Zimmermann (6.1.2018)

Bilder © Matthias Jung / Kinderoper Köln

 

Die Schöne und das Biest

Besuchte Vorstellung: 21.12.2017, Musical Dome Köln

Märchen schreibt die Zeit…

Es ist Weihnachtszeit, was gibt es da Schöneres als sich einen Abend lang der „Disney Magie“ hinzugeben. Möglich ist dies derzeit im Kölner Musical Dome, wo das Musical „Die Schöne und das Biest“ mit der preisgekrönten Musik von Alan Menken zu erleben ist. Aufgeführt wird das Werk vom Budapester Operetten- und Musicaltheater in (sehr gut verständlicher) deutscher Sprache. Und hierbei wird nicht am Personal gespart, 21 Musiker und 41 Darsteller können sich wahrlich sehen und vor allem hören lassen.

Die beiden Hauptrollen verkörpern Kitti Jenes als Belle und Sándor Barkóczi als Biest ganz hervorragend. Während Jennes mit wunderbar klarer Stimme auch in den hohen Tönen stets sicher und dem Ohr schmeichelnd daher kommt, ist das Biest zunächst der große, miesmutige und stets fauchende Schlossbewohner, bevor er langsam sein Herz öffnet und schlussendlich durch die Liebe Belles den Fluch vom verzauberten Schloss nehmen kann. Auch gesanglich weiß Barkóczi zu begeistern und so wird „Wie kann ich sie lieben?“ zum Ende des ersten Aktes trotz kleinerer Tonprobleme am Mikroport ausgerechnet an dieser Stelle zu einem Highlight der Show. Ausdrücklich erwähnen sollte man an dieser Stelle auch Martin Harbauer, der mit den Darstellern an der deutschen Einstudierung des Werkes gearbeitet hat. Da sich das Stück in den letzten Jahren zu einem echten Dauerbrenner entwickelt hat, wurde die Textverständlichkeit im Laufe der Zeit auch stets besser und auch wenn ein kleiner Akzent bei einigen Darstellern natürlich immer bleibt, sind alle Texte verständlich und von überraschend guter Leistung aller Akteure von denen hier stellvertretend für alle nur noch die drei verzauberten Schlossbewohne Ádám Bálint (Lumière), Ottó Magócs (Herr von Unruh) und Ágota Siménfalvy (Madame Pottine) erwähnt werden sollen.

Märchenhaft schön ist auch die Inszenierung von György Böhm, die etwas düsterer und weniger kitschig daher kommt wie die ursprüngliche Originalinszenierung. Geschickt eingesetzt wird hierbei eine große Drehbühne, die das Schloss mit seinen verschiedenen Räumen geschickt darstellt und eine Bespielung über mehrere Ebenen ermöglicht. Gelungen ist auch die Bibliothek in Form großer Flügel, mit denen Belle und das Biest in die Welt der Bücher und Geschichten entfliegen. Eine ganz besondere Überraschung erwartet den Zuschauer dann bei der Verwandlung des Biests in den Prinzen, die hier aber nicht verraten werden kann, da es eine der zauberhaftesten Szenen war, die der Autor dieser Zeilen in diesem Jahr im Theater erleben durfte. Erzsébet Túri entwarf passende Kostüme für die Dorfbewohner und alle verzauberten Gegenstände im Schloss, die daher kommen wie man es auch auf Grund der bekannten Filmvorlage erwartet. Das Bühnenbild von István Rózsa ist für eine Tourproduktion erstaunlich detailreich und weiß zu gefallen.

Noch bis zum 07. Januar 2018 ist „Die Schöne und das Biest“ in Köln zu sehen, bevor es in Frankfurt in der Alten Oper zu sehen ist. Aufgrund der großen Nachfrage, in der besuchten Vorstellung war der Musical Dome nahezu bis auf den letzten Platz gefüllt, wurde aber auch bereits eine neue Spielserie angekündigt die das Werk in der nächsten Advents- und Weihnachtszeit nach Wien, Bregenz, München, Nürnberg, Essen und erneut nach Köln führen wird. Die Zuschauer wird es freuen, in Köln verließen wohl alle nach heftigem Applaus für die Darsteller und drei unterhaltsamen Stunden das Theater mit einem Lied auf den Lippen, dass diesen Abend trefflich zusammenfasst: „Märchen schreibt die Zeit, immer wieder wahr, eben kaum gekannt, dann doch zugewandt, unerwartet klar.“


Markus Lamers, 23.12.2017
Fotos: © Stefan Malzkorn / Thommy Mardo

 

 

 

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