Schöne Tradition zur Vorweihnachtszeit
Aus ihrer mit Messeschlager Gisela 2024 begonnen Reihe von Aufführungen von DDR-Musicals oder -Operetten, verbunden mit der schon viel länger geübten Tradition, semiszenische Aufführungen rund um Weihnachten anzubieten, ist in diesem Jahr eine Verbindung von beidem entstanden mit der Aufführung von Guido Masanetzs In Frisco ist der Teufel los, einem der bis 1974 in siebzig unterschiedlichen Inszenierungen über tausendmal aufgeführten Beispiele des in der DDR geförderten Heiteren Musiktheaters, denn der Begriff „Operette“ war so verpönt wie deren Hauptthema, nämlich Liebe zwischen Personen unterschiedlichen Standes. Aufführungen der neuen, aus dem Westen stammenden Gattung Musical aber hätten den Staatshaushalt wegen der anfallenden Gebühren für die Aufführungsrechte zu sehr belastet, den Schatz aus den Portemonnaies der die Interzonenautobahn Benutzenden oder später Eintrittsgeld, sprich Zwangsumtausch, in das Staatsgebiet Zahlenden wollte man nicht dafür opfern.

1956, im Jahr des Ungarnaufstands, fand die Uraufführung der ersten Textfassung von Otto Schneidereit mit dem Titel Wer braucht Geld? im Berliner Metropoltheater statt. Das Sujet passte zu einem Streik der amerikanischen Dockarbeiter an Atlantik- wie Pazifikküste, obwohl man ja im eigenen Land mit dem 17. Juni 1953 ein wesentlich näher liegendes Vorbild, allerdings nicht mit Happy End, gehabt hätte. Das Stück wurde trotz seines beachtlichen Erfolgs nach dem Mauerbau von Maurycy Janowski ideologisch überarbeitet, die erneute Uraufführung fand 1962 ebenfalls im Metropoltheater stand, danach trat es nicht nur seinen Siegeszug durch die DDR, sondern auch durch die „sozialistischen Bruderländer“ an. Der Klassenkampf als Thema hatte die Gattung Operette, wenn auch mit neuer Gattungsbezeichnung, für die DDR, gerettet, und man konnte sich sogar mit gutem Gewissen aus Nord- und Mittelamerika stammender populärer Rhythmen bedienen.
Es geht um den Barkassenbesitzer Anatol Brown, der unverhofft zum Erben eines allerdings mit Schulden belasteten Hotels wird, das seine Widersacherin Xonga Miller zu einem weiteren einträglichen Vergnügungsetablissement machen will, während er ein Heim für abgemusterte Seeleute plant. Durch die Solidarität der Dockarbeiter gelingt ihm die Umsetzung seines Plans, und als Erster kann sein wohnungs- und arbeitsloser Freund Jonas einziehen.

In der verdienstvoller Weise auf anderthalb pausenlose Stunden Spieldauer verkürzten Fassung in der Komischen Oper wird zwar am Text der Gesangsnummern nichts geändert, wohl aber am Dialog, indem es mit einer Begründung für die Stoffwahl, man brauche Aufmunterung in schweren Zeiten, beginnt, sicherlich keine in der DDR geduldete Aussage, aber der der Geschichte angehörende Staat taucht immer wieder auf der Videowand, die den Bühnenhintergrund bildet, auf. Meistens grau und verschwommen, aber unverkennbar Alexanderplatz und Müggelsee, ein einst in Zusammenarbeit mit Schweden erbautes Hotel in der Karl-Liebknecht-Straße zeigend, driften Text und Bild auseinander, was aber dem Vergnügen keinen Abbruch tut, zumal sich wahrscheinlich bereits beim DDR-Publikum die eine oder andere Assoziation hätte ergeben können.
„Du hast den Farbfilm vergessen“ gehört nicht zu den Schlagern des Stücks, wohl aber ähnlich schmissige, dazu hörbar in die Welt von Blues, spanischer Folklore, schmissigen Rhythmen und soullastigen Klagen eingetauchte, es reiht sich ein Ohrwurm an den anderen und lässt auch den heutigen Hörer nachvollziehen, warum das Stück einst so beliebt war, das so nachdrücklich aus dem „sozialistischen Alltag“ entführte.

Dass die Musik auch das heutige Publikum mitreißen kann, ist ganz besonders dem Orchester der Komischen Oper unter Kai Tietje zu verdanken, das die Musik leuchten und manches Bein im Publikum zucken ließ. Der akustisch hochpräsente Chor war hinter dem Orchester aufgereiht und unter der Leitung von Inga Diestel ebenfalls ein Garant für gute Laune. Vor dem Orchester hatte Martin G. Berger auf schmalem Raum doch für ein quirliges Geschehen gesorgt. Aus dem Ensemble, aber auch aus der Sparte Musical stammten die Sänger, nach Art des Hauses gern das Geschlecht mit der jeweiligen Rolle tauschend. Christoph Marti ist ein alter Bekannter im Kabarett wie auch auf der Bühne der Komischen Oper und gab in der Rolle der Kapitalistin Xonga Miller seinem Affen als Überfrau Zucker. Die drei Irrenwärter waren als Irrenwärterinnen kostümierte Herren, von denen einer gleich auch noch den Notar spielte. Opern- wie musicalreife Leistungen zeigten Alma Sadé als Chica und Christoph Späth als Ben Benson, beide Ensemblemitglieder seit langem, aber um Musicalqualitäten nicht verlegen. Alexander von Hugo und Tobias Joch waren so ansehnlich, wie es eine Liebhaberrolle verlangt und so tänzerisch begabt, dass sie Extraapplaus hervorriefen. Mächtig ins Zeug legte sich Virginia West als beherzte Virginia. Kurzum, die Komische Oper hatte mit der Wahl von Stück und Besetzung einmal mehr ins Schwarze getroffen, wenn es darum ging, nach den stressreichen Vorweihnachtswochen und in den zu Beginn zitierten schweren Zeiten für etwas genussvolle Ablenkung zu sorgen.

Die Aufführung bietet ambitionierte, frische und anregende Unterhaltung und sollte doch nicht vergessen machen, dass In Frisco ist der Teufel los auch ein Beispiel für Indoktrinierung und Manipulierung von Künstler und Publikum darstellt. Das Wissen darum sollte jedoch der Freude an einer gelungenen Vorstellung keinen Abbruch tun.
Ingrid Wanja, 21. Dezember 2025
In Frisco ist der Teufel los
Guido Masanetz
Komische Oper Berlin
Premiere am 21. Dezember 2025
Szenisches Arrangement: Martin G. Berger
Musikalische Leitung: Kai Tietje
Orchester der Komischen Oper Berlin