17.8.14
Ehrenrettung eines Musicals
Einen Herzenswunsch bedeutet es für den Intendanten Michael Lakner, innerhalb der Musicaltrias Lerner/Loewes fast nicht mehr aufgeführte „Gigi“ selbst zu inszenieren. Lakner steht damit auch zum ersten Male selbst am Regiepult und: es ist der Aufführung absolut nicht anzumerken, das ein Regienovize die Spielleitung hat, so professionell und liebevoll gerät das Endergebnis. Das Stück selbst ist nach Colettes erfolgreicher Novelle zunächst als Kinofilm mit der bezaubernden Leslie Caron in der Titelrolle herausgekommen, bevor das Werk für die Bühnen der Welt adaptiert wurde. Fünf Bombenrollen für die Darsteller, eine wundervolle Komödie um zwei Pariser Lebemänner, einen alten und einen jungen, die mitbekommen , wie sich Gigi unter der Obhut von Oma und Großtante vom tolpatschig liebenswerten Teenager zur wahrhaftigen Frau entwickelt, die sich unverstellt aus der Halbwelt ihrer beiden weiblichen Vorbilder zu einer sebstbewußten, jungen Frau entwickelt. Es kommt, anders als bei Colette, zur Eheschließung, als zur Maitressenschaft, so konnte das puritanische Amerika das Happy End goutieren. Loewes Musik ist schwungvoll und schmissig, ohne ganz die Qualität des ersten Erfolges „My fair Lady“ (nächstes Jahr in Ischl ! ) zu erreichen.
Katharina Sautner hat für die Produktion ein schlichtes, wie effektvolles Bühnenbild geschaffen, das mit Bildeinblendungen jeweils atmosphärisch passend die schnellen Szenenwechsel ermöglicht, die an einer relativ technikfreien Bühne wie dem Kongress & Theaterhaus Bad Ischl eine enorme Herausforderung darstellen. Wenige Requisiten reichen dabei völlig aus, denn das Hauptmerk liegt auf schlichter, unverstellter Bühnenkunst.
Michael Lakner hat, wie eigentlich immer, ein hervorragendes Ensemble aufgestellt, das seine werkkongruente Arbeit mit vielen feinen Einzelheiten auf den Punkt bringt: Verena Barth-Jurca ist in der Titelrolle völlig glaubwürdig, die kindlichen Anteile geraten vielleicht etwas zu Pippi-Langstrumpf-mäßig zappelig, doch das Reifen zur jungen Dame mit feinem Sopranklang macht pure Freude. Hervorragend auch Benjamin Plautz als junger Gaston Lachailles, der Schauspieler taugt mit angenehmer Singstimme bestens für das Musical, der Spagat aus gesellschaftlicher Langeweile und aufrichtiger Anteilnahme an Gigi und ihrer Mamita gelingt glaubwürdig. Grandios bestellt sind die „Alten“; Kurt Schreibmayer in der Partie des alternden Charmeurs Honorè, im Film eine Paraderolle für Maurice Chevalier, bringt den sympathischen Egozentriker und fein raunzigem Sangeston auf den Punkt. Gigis Mamita wird von Helga Papouschek mit vielen Untertönen und zartbitteren Anklängen (Erinnerungsduett beider) beispielhaft aus den möglichen Klischees geadelt. Dazu als aufgetakelte Demimonde-Dame älteren Zuschnitts die Tante Alicia von Marianne Nentwich, nach einem etwas outrierendem Beginn sich zu einer „Guten-Laune-Granate“ steigend. Dazu noch Mandy Garbrecht als exaltierte Liane d`Exelmans mit eleganter Attitüde. Wenn man das Stück bringt, muß man es mit solchen Darstellern ! Die vielen Kleinpartien werden vom Mitgliedern des Chores paradiert, der auch als Kollektiv jedes Jahr mit Spielfreude und gutem Klang für gelungene Vorstellungen sorgt. Alle diese Darsteller wurden von Michaela Mayer-Michnay wunderschön gekleidet, stilistisch findet man einen bunten Mix von der Belle Epoche bis ins Zwanzigste Jahrhundert ohne irgendwie geschmacklos zu werden. Die Figuren werden dabei bestens getroffen, dazu noch Leonard Prinsloos hübsche Choreographie, der Abend erhält schönstes Unterhaltungsformat.
László Gyükér sorgt mit dem Franz-Lehár-Orchester für den rechten Musicalklang, manchmal zwar sehr klangvoll im Raum stehend, doch stets mit den szenischen Anschlüssen verbunden; vielleicht könnte die eine oder andere Stelle noch etwas mehr „swingen“ oder die Solonummern von Honoré noch etwas mehr an den französischen Chansonton anknüpfen, doch wer ist schon perfekt? Insgesamt eine schwungvolle Wiedergabe eines recht vergessenen Musicals, das gerade für kleinere Bühnen von Interesse sein könnte. Schön, es einmal kennenzulernen.
Martin Freitag 20.8.14 Fotos: Lehar Festival