Besuchte Vorstellung: 19. Oktober 2014 in Leverkusen;, Premiere: 13. Juni 2014 bei den Händel-Festspielen Halle/Saale
Georg Friedrich Händel
Georg Friedrich Händels Opernpasticcio „Giove in Argo“ galt lange Zeit als nicht aufführbar, da die Partitur verschollen war. 2006 gab es einen ersten Rekonstruktionsversuch, der im Markgräflichen Opernhaus in Bayreuth gespielt wurde. Im Leverkusener Bayer-Kulturhaus war jetzt eine Produktion zu erleben, die bereits im Juni 2014 bei den Händel-Festspielen in Halle an der Saale gezeigt wurde.
Wie in allen Händel-Opern wird auch hier eine äußerst verworrene Handlung auf die Bühne gebracht: Der Gott Zeus betätigt sich als Schürzenjäger in Argos und ist gleichzeitig hinter Iside und Callisto her. Isides Vater wurde zudem von Callistos Vater Licaone ermordet, wofür Iside Rache nehmen möchte. Außerdem hat Jupiter in Isides Verlobten Osiris einen Rivalen. Damit die ganze Geschichte noch komplizierter wird, treten Zeus und Osiris unter falschem Namen auf.
Regisseur Kay Link hat das Stück, das eigentlich eine Pastorale ist und unter Schäfern, Jägern und Nymphen spielt, in die Wartehalle eines bestreikten Flughafens verlegt. Zeus ist ein Pilot, seine Tochter Diana eine Stewardess. Die anderen Figuren sind Flüchtlinge und Reisende. Die Übertragung in die Gegenwart wirkt oft bemüht und nicht immer schlüssig. Auch schwächelt die Personenführung: Link hält das Personal zwar gut im Trab und es gibt viel Aktionismus, jedoch beschränkt er sich pro Arie auf eine Aktivität, mit der dann die ganze Gesangsnummer ausgefüllt wird. Auch könnte es in den Arien mehr Interaktion zwischen den Figuren geben.
Die Musik, die Händel vor allem aus „Acis and Galatea“ und „Parnasso in festa“ übernommen hat, bewegt sich auf dem gleichen Niveau, das man von ihm sonst kennt. Das gibt es viele Lamenti, aber auch einige muntere Stücke, wie das berühmte „Tornami a vaghegiar“ aus „Alcina“. Das Barockorchester „l´arte del mondo“ spielt unter der Leitung von Werner Ehrhardt sehr gestenreich und kompakt auf. Dabei werden die dynamischen und spieltechnischen Kontraste oft hart herausgearbeitet.
Das Ensemble dieser Aufführung bewegt sich insgesamt auf hohem Niveau. Besonderes komödiantisches und darstellerisches Talent besitzt der Tenor Krystian Adam. Er spielt den Zeus mit playboyhafter Lässigkeit und leichter Ironie. Dazu singt er mit einer äußerst wendigen und schön klingenden Stimme. Raffaella Milanesi darf als Iside immer wieder die Furie herauskehren und ihre Arien mit dramatischer Attacke singen. Natalia Rubis hat als Callisto einiges zu klagen, gefällt aber auch mit kecken Koloraturen. Dritte Sopranistin des Abends ist Barbara Emilia Schedel, die mit leichter Stimme die Göttin Diana singt. Mit kernigem und frischem Bass singt Thilo Dahlmann den Osiris. Bassist Johan Rydh erinnert als Tyrann Licaone zwar optisch an Bruce Willis, klingt aber oft rauh und unschön.
Der Beifall in Leverkusen ist enthusiastisch, aber differenziert. Mit den barocken und vorklassischen Raritäten, die hier dem Publikum präsentiert werden, scheint ein echtes Kennerpublikum anzulocken.
Als nächste Produktion ist wieder ein Festspiel-Händel zu sehen: Nämlich ein „Rinaldo“, der bereits in Karlsruhe gespielt wurde, in einer Aufführung mit Marionetten.
Rudolf Hermes 22.10.14
Fotos: Timann Graner