Wunsiedel: „Die Csárdásfürstin“

Besuchte Vorstellung: 12.08.2017

Glanzvolle Aufführung der „Csárdásfürstin“ auf der Felsenbühne in Wunsiedel bringt das Publikum zum Kochen – und das trotz der Kälte

Beste Aufführung einer „Csárdásfürstin“, an die ich mich erinnern kann.

Mein geschätzter Kollege Frank Piontek hat ja bereits eine ausführliche Rezension (siehe unten!) erstellt, ich kann mich deshalb auf Schwerpunkte beschränken. Ich bin am Nachmittag des gleichen Samstags in Wunsiedel (er am Abend) und habe hier mit vielen meiner Freunde, fast 100 Personen aus Bamberg und Umgebung sind mitgefahren, eine fulminante Aufführung erlebt, mit teilweise anderen Hauptdarstellern.

Die Operettenbühne Wien Heinz Hellberg, ist in diesem Jahr wahrlich nicht vom Wetter begünstigt. Die Premiere für eine lange Zeit unterbrochen, da der Regen die Musik übertönt und die folgenden drei Vorstellungen alle mit größeren und kleineren Unterbrechungen versehen. Hochachtung für eine, ich möchte fast sagen, besessene Truppe, die für wenig Geld alles gibt um ihr Publikum zu erfreuen. Bei solchem Wetter spielen die meistern Freilichtbühnen nicht mehr sondern brechen ab. Ich kann kurz mit Heinz Hellberg sprechen und er sagt mir, „das Publikum hat gezahlt, es pilgert auf die Felsenbühne und will für sein Geld auch etwas sehen. Und da müssen wir alles geben, damit dieses, unser Publikum zufrieden ist. Und auch wenn wir tropfnass sind und mit Erkältungen kämpfen. Wir sind glücklich und stolz, wenn wir den Applaus unseres Publikums für unsere Leistung bekommen.“

Die besuchte Vorstellung am Samstagnachmittag ist die erste, die ohne Unterbrechung durchgespielt werden kann, kein Tröpfchen Regen fällt, der kommt erst wieder am Abend, als mein Kollege in der Vorstellung sitzt. Und was für einen sensationellen Nachmittag erleben wir. Eine so schmissige mitreißend gespielte und gesungene Operette, habe ich schon lange nicht mehr erlebt, meine Mitfahrer schwärmen den ganzen Abend davon, als wir die Erlebnisse bei einem guten Essen noch einmal Revue passieren lassen können. An diesem Nachmittag hat einfach alles gepasst und bei solch grandiosen Aufführungen wird die so oft totgesagte Operette niemals sterben.

Domoszlai-Galambos-Jahrmann-Hojsak

Die Inszenierung ist, wie man es von Hellberg gewohnt ist, so wie sie ursprünglich geschrieben wurde, nichts wird hineingedeutet, niemand, schon gar nicht Heinz Hellberg, will sich selbst verwirklichen, sein Ego über das Werk stellen. Nein, man will einfach nur unterhalten, einige Stunden von den Alltagssorgen ablenken und mitreißende Stimmung verbreiten – und dies ist in jeder Weise gelungen. Hellberg inszeniert die Operette in der authentisch ungarisch-wienerischen Form – und er tut gut daran, manches ist ein kleines bisschen bearbeitet, musikalisch aufgefrischt und den Erfordernissen der wunderschönen Felsenbühne angepasst worden. So bringt Operette pure Freude, so gelangt sie ohne Umwege in die Herzen ihres Publikums. Und obwohl die Operette beharrlich totgeschrieben wird, von den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten gnadenlos fast total aus dem Fernsehen und auch aus dem Rundfunk äußerst stark vertrieben wurde, lebt sie frischer denn je bei solchen Aufführungen. Der öffentlich – rechtliche Auftrag umfasst für mich auch die verdammte Pflicht und Schuldigkeit dieses Kulturgut zu pflegen und zu hüten. Es muss ja nicht so oft sein, wie in den 60 und 70er Jahren, aber diese Musikgattung ganz totschweigen geht einfach nicht. Und ich vermisse den Aufschrei, auch per Brief, Fax oder Mail, bei den Anstalten, mit der eindeutigen Aufforderung, diese Kunstform nicht der Vergessenheit preiszugeben. Bei einem Gespräch hat mir einmal ein Redakteur gesagt, na diesen alten Blödsinn mag ja eh keiner mehr. Ich hatte heute an diesem Samstagnachmittag einige jugendliche Gäste dabei, die das erste Mal bei einer Operette waren und die hellauf begeistert aus der Luisenburg gezogen sind und mit Sicherheit im nächsten Jahr wieder dabei sein werden. Schreiben wir doch einmal an unsere Fernseh- und Rundfunkanstalten und zeigen wir, dass wir die Operettenliebhaber keine aussterbende Rasse sind. Unsere Jugend wird sich mit Sicherheit auch dafür begeistern, wenn auch in überschaubaren Teilen, man muss es ihr aber auch erst einmal präsentieren. Sie muss die Möglichkeit haben, dies auch in Funk- und Fernsehen zu erleben. Warum kann man nicht die vielen Schätze aus den lange zurückliegenden Jahren einfach wiederholen, oder wie früher im ZDF-Musikkanal oder einem anderen Kanal offerieren. Es wird so viel Geld verschleudert für Sendungen, bei denen man nur den Kopf schütteln kann, da werden doch hier ein paar Silberlinge möglich sein. Ein ganz großes Dankeschön an dieser Stelle an Heinz Hellberg und die vielen anderen Tourneenveranstalter und an die Bühnen unserer Städte, die die Operette noch pflegen und damit auch heute noch ein nicht zu kleines Publikum begeistern können. Doch nun zum Stück.

Jahrmann-Hojsak

Die Kostüme von Lucia Kerschbaumer sind besonders auf der einmaligen Umgebung der Felsenbühne wunderschön anzusehen, prächtig beleben sie das Geschehen auf der riesigen Bühne. Das Bühnenbild, für das Adrian Boboc verantwortlich zeichnet, ist stimmig, mit geringen Mitteln wird hier Optimales erzeugt. Ein großes rotes Sofa, ein geschmackvoller Blumenkübel, Skulpturen, alles passt nahtlos. Der Funken springt über, über auf ein Ensemble, bei welchem es keinen einzigen Ausfall gibt.

Das Orchester der Operettenbühne Wien wird von einem ausgesprochenen Kenner der Operette, nämlich Laszlo Gyükér geleitet. Er, den ich vor kurzem noch in Bad Ischl bei den Lehárfestspielen bewundern konnte, hat auch heute das gut aufgelegte und beschwingt aufspielende Orchester fest im Griff. Auch wenn die Lautsprecheranlage zuweilen etwas Probleme bereitet (zB. kommt Boni von rechts auf die Bühne und links hört man dabei seine Worte, beim Gesang kommt es Gott sei Dank zu keinen solchen Problemen), wird schwungvoll musiziert. Gyükér lässt sein Orchester jubeln und auch lautstark galoppieren um es dann jedoch auch wieder sängerdienlich zurückzunehmen, wenn es erforderlich ist. Er hat im kleinen Finger eine Unmenge Musikalität und ich freue mich immer wieder ihn am Pult zu erleben. Melodienreichtum und Walzerseligkeit lassen das Publikum dahinschmelzen, selbst wenn es wie heute Nachmittag nicht sonderlich warm ist, sondern man im Gegenteil doch etwas frösteln muss und dieses Publikum kann im Walzerrhythmus nur begeistert applaudieren und das tut es ausgiebig. Es ist eine schmissige und schwungvolle Aufführung, an der es nicht das Geringste auszusetzen gibt. Sowohl darstellerisch als auch musikalisch erlebt man Operette aus einem Guss, wie sie leider nur noch ganz selten aufgeführt wird. Und dann kommen wir zu dem Wichtigsten an einer guten Operette, den Sängern und hier an diesem Nachmittag ist ebenfalls ein Glücksfall zu verzeichnen.

Galambos-Domoszlai

Als Csárdásfürstin Sylva Varescu die Ungarin Lilla Galambos auf der Bühne. Sie bezaubert in jeder Beziehung. Neben einem lebendigen frischen Spiel steht ihr ein silbriger höhensicherer leuchtender klarer und ausdrucksvoller Sopran zur Verfügung, ihre blitzsauberen Koloraturen reiht sie wie eine Perlenkette aneinander, eine mehr als nur beeindruckende Leistung. Dass sie daneben auch noch bildschön ist, sei auch noch am Rande erwähnt. Bei einer solchen Sylva schmilzt nicht nur das Herz ihres Edwins dahin, nein die Herzen der anwesenden Herren im Publikum schlagen auch wesentlich aufgeregter wie sonst und trotz der Kühle in Wunsiedel wird es ihnen warm um dieses Herz. Heinz Hellberg hat sich hier einen wahren Schatz in sein Ensemble geholt und man freut sich heute schon auf die „Gräfin Mariza“ im nächsten Jahr. Sandor Domoszlai, der ebenfalls aus Ungarn stammende Tenor hat es bei einer solchen Sylva natürlich schwer, aber er setzt seinen kräftigen gutgeführten, alle Höhen der Partie leicht erklimmenden Tenor so gut ein, dass er ihr ebenbürtig ist und die Duette der beiden gehören zu den Glanzlichtern des heutigen Nachmittags. Das Buffopaar knüpft an die Leistungen der beiden Hauptprotagonisten nahtlos an. Die junge, gebürtige Linzerin Elisabeth Jahrmann ist nicht nur ebenfalls ein Hingucker, sondern sie erfindet das Soubrettenfach neu. Nicht nur, dass sie auf der Bühne herumwirbelt, ihrem Boni den Kopf verdreht, nein, sie hat auch einen wunderschönen Sopran, der über die Soubrette hinausgeht. Kraftvoll, stimmschön, warm und mit einer ausgezeichneten Höhe beeindruckt sie nicht nur ihren Boni sondern auch das Publikum, das ihr und Sylva im übertragenen Sinne zu Füssen liegt. So macht Operette einfach nur Spaß. Zusammen mit ihrem Partner auf der Bühne, dem aus Slowenien stammenden David Hojsak als Graf Boni sind sie, neben Sylva und Edwin, die eindeutigen Lieblinge des Publikums. Vom darstellerischen und auch der tänzerischen Seite weiß David Hojsak vollstens zu überzeugen, seine humorvolle Art, sein lausbubenhafter Charme reißt das Publikum mit. Wenn er sich in der Zukunft stimmlich noch etwas steigern kann, momentan ist er mir hier noch etwas zu leichtgewichtig, wird er in seinem Fach zu den ersten Kräften zählen. Ich weiß, dass das Publikum diese kleine Einschränkung an diesem heutigen Nachmittag völlig anders sieht, aber er ist für mich ein tänzerisch, darstellerisch weit überdurchschnittlicher Künstler, wenn er noch ein bisschen an der Stimmgewalt feilt, wird er zu einem der besten Buffos werden und solche brauchen wir dringend. Das Publikum mitreißen kann er schon vorzüglich, sowohl bei seinen Soloauftritten als auch in seinen Duetten mit seiner Stasi. Auf jeden Fall sind beide ein klasse Buffopaar, an welchem man einfach nur seinen Spaß hat.

Einen hervorragenden Bonvivant, einen in den Tag hineinlebenden Schwerenöter, aber auch weisen und mahnenden Feri Bácsi bringt der Ungar Csaba Fazekas auf die Operettenbühne. Sein schöner voller kräftiger Tenor weiß zu überzeugen und füllt jeden Zentimeter seiner Rolle aus. Zu Recht wird auch er gefeiert. Er verkörpert den alternden Schwerenöter auf das trefflichste und man möchte ihn gerne auch einmal in einer größeren Rolle sehen. Gefeiert wird auch das Fürstenpaar, welches von Viktor Schilowsky und Judith Bellai, weit über das normale Maß hinaus ausgelebt wird. Sie sind beide eine Luxusbesetzung für diese kleinen Rollen und füllen sie mit jeder Faser ihres Körpers aus. Judit Bellai zeigt dabei in Spitzenunterwäsche, was sie noch alles so drauf hat und schade, dass man ihr nicht wenigstens ein kleines Couplet gegeben hat. Iavor Radovanov als General Rohnsdorf und Mario Renev als Kiss und als Notar sind in ihren kleinen Rollen ohne Fehl und Tadel und gliedern sich in das exzellente Ensemble nahtlos ein.

Fazekas-Gyükér-Galambos

Fast nicht endend wollender Applaus am Ende eines beschwingten, heiteren, aufregenden, humorvollen sowie erfrischenden Nachmittags, bei welchem die außergewöhnlichen Stimmen der Hauptakteure noch lange im Gedächtnis bleiben. Ich habe schon sehr viele Csárdásfürstinnen gesehen, dies aber war mit Abstand einer der besten, an die ich mich erinnern kann. So macht die Operette unbeschwerten Spaß und ich freue mich heute schon auf nächstes Jahr in Wunsiedel, dann wird Heinz Hellberg „Gräfin Mariza“ mitbringen.

Manfred Drescher 14.08.2017

Fotos (c) Der Opernfreund