Besuchte Vorstellung am 27.4.2014, (Deutschlandpremiere 24.4.2014)
Variantenreicher Tango
Auf dem Programm der 12. Movimentos Festwochen der Autostadt gibt es auch in diesem Jahr neben zahlreichen weiteren kulturellen Veranstaltungen (u.a. Schauspiel, Jazz und Lesungen) wieder Tanzabende im Kraftwerk des VW-Werks mit international gefeierten Compagnien und Choreographen. Als spartenübergreifendes Motto für Movimentos steht nach „Toleranz“ im Vorjahr diesmal „Glück“; dabei wird zwischen äußerlich glücklichen Umständen, die nichts über die Befindlichkeiten des Einzelnen aussagen, und dem starken Gefühl echten inneren Glücklichseins unterschieden.
Auch das Tanzstück „Milonga“ von Sidi Larbi Cherkaoui setzt sich mit dem Glücksgefühl auseinander, und zwar in einer ursprünglichen Form des Tango Argentino. Der Titel bedeutete früher einfach „Tanzveranstaltung“: Zur „Milonga“ trifft man sich abends in Cafés, Nebenräumen von Gaststätten oder Studios von Tango-Lehrern, um bei gutem Tango möglichst die höchste Form des Glücks zu erreichen. So lässt Cherkaoui die Akteure auch hier zunächst auf schwach beleuchteter Bühne zu Live-Musik auftreten. Die aus Violine, Gitarre, Bandoneon und Kontrabass bestehende Band wurde vom Klavier aus von Fernando Marzan geleitet und bildete so mit teils mitreißenden, teils elegischen Melodien à la Piazzolla den authentischen musikalischen Rahmen des Abends.
Fünf echten Tangopaaren, die die Regeln dieses Tanzes kennen und stets halten, stellt Cherkaoui ein zeitgenössisches Tanzpaar gegenüber, das den Tango ebenso gut beherrscht, sich aber nicht an die festen Regeln des Paartanzes hält. So werden sie immer wieder aus der Gruppe gedrängt und bleiben letztendlich allein. Das alles wird mit einer Leichtigkeit dargeboten, die höchste Körperbeherrschung und Präzision voraussetzt.
In variantenreichen Tangos wechselten sich sehr elegante glatte Bewegungen mit interessanten Verschlingungen und Verschränkungen von Armen und Beinen bei hohem Tempo ab. Jedes Tanzpaar hatte große Soli und bestach jeweils durch besondere Schritte und Akzente; das „zeitgenössische“ Paar absolvierte eine hinreißende „Bodenkür“. Eindrucksvoll haften blieben auch die Pas-de-trois in unterschiedlichsten Besetzungen; da wurde besonderes Augenmerk auf feinste Zusammenarbeit gelegt. Große Bildeinspielungen von Buenos Aires auf einen Zwischenvorhang, begleitet von nur einem Tanzpaar, gönnten den übrigen Tänzern kurze Pausen zwischen den einzelnen Episoden.
Insgesamt war es ein gelungenes Projekt, das im Sadler’s Wells (London) in Kooperation mit Movimentos und weiteren spezialisierten europäischen Festivals entstand und in Wolfsburg Deutschlandpremiere hatte. Großer Beifall und „standing ovations“ beendeten den Tango-Abend.
Marion Eckels 28.4.2014 Fotos: Thomas Ammerpohl/Matthias Leitzke