Musikfestspiele Potsdam Sanssouci 2022
Inseln lautet das Motto der diesjährigen Festspiele und schon das Eröffnungskonzert am 10. 6. 2022 in der Friedenskirche Sanssouci mit dem Titel „Aufbruch nach Kythera“ brachte die Thematik ins Programm. „Die Einschiffung nach Kythera“ hatte Watteau sein berühmtes Gemälde von 1718 genannt, welches Friedrich der Große 1763 erwarb. Heute ist es im Schloss von Berlin Charlottenburg zu bewundern.
Die Mitwirkung des renommierten Ensembles Les Arts Florissants unter Leitung von Paul Agnew gab dem Abend hochkarätiges Format. Der bedeutende britische Tenor und Dirigent ist seit 2019 musikalischer Co-Direktor des Orchesters und bestätigte in diesem Konzert sein musikantisches Gespür und stilistische Vielseitigkeit. Das Programm begann mit einem weniger bekannten Komponisten – Thomas-Louis Bourgeois und seinem Ballet Les Amours déguisés von 1713. Daraus erklangen Auszüge aus dem Prolog, in welchem Venus die Verliebten aller Nationen einlädt, nach der Insel Kythera in See zu stechen. Die belgische Sopranistin Deborah Cachet als Solistin des Konzertes sang deren Air „Amants, rassemblez-vous“ mit schlanker, in der Höhe leuchtender Stimme und delikaten Nuancen im Ausdruck. Im Air d’une Amante, „Allez descendre aux rives de Cythère“, wusste sie mit inniger Empfindung aufzuwarten. Das Ensemble ließ in der Ouverture und weiteren orchestralen Teilen wie Prélude, Gavotte und Chaconne festlichen Glanz, kantables Melos und feierlichen Ernst hören.
Eine bekannte Größe im barocken Repertoire ist Jean-Baptiste Lully, das vorgestellte Werk Les plaisirs de l’ile enchantée allerdings eher eine Rarität in seinem Werkkanon. Der straff musizierten Ouverture folgten weitere Orchesterstücke wie die Première Entrée, die Marche de hautbois pour le Dieu Pan et sa suite sowie das Rondeau pour les violons et pour les flutes. Die Komposition entstand anlässlich einer Festlichkeit, die Louis XIV. 1884 im Park von Versailles ausrichten ließ und ist von entsprechend erhabenem Charakter. Eine feierliche Passacaglia leitete die Auszüge aus Purcells King Arthur ein, bei denen der Dirigent sogar einige Gesangstöne beisteuerte und dabei mit seinem noch immer intakten Tenor überraschte. Ein Höhepunkt des Programms war das Air of Venus „Fairest Isle“, das die Sopranistin mit strahlender Höhe und starker Empfindsamkeit vortrug.
Nach der Pause gab es Teile aus Händels Kantate Venus and Adonis – nach der auftrumpfenden Ouverture zwei Da capo-Arien: getragen und gefühlvoll „Dear Adonis“, lebhaft und jauchzend „Transporting joys“. In beiden erwies sich Cachet als kultivierte Sängerin und versierte Stilistin. Bei der Schauspielmusik zu Shakespeares The Tempest waren sogar drei Komponisten am Werk – Matthew Locke, John Banister und Pelham Hjumphrey. Die Sopranistin sang daraus die Songs von Milcha („Full fathom five“) und Ariel („Where the Bee sucks“) – ersterer zart und empfindsam, der zweite einem Folk Song ähnelnd. Hinreißend in seiner rhythmischen, den Sturm plastisch schildernden Steigerung der finale Curtain tune.
Im letzten Programmteil hatte das Orchester noch ein Heimspiel, denn Jean-Philippe Rameau zählt zu seinen Favoriten. Aus dem Prolog des Dardanus, der wieder nach Kythera führt, wo Venus die Liebesfreuden tanzen lässt, erklangen die majestätische Ouverture und zwei Soli der Vénus – die heitere Ariette „Régnez plaisirs“ und das bewegte Air „Brisez vos fers“. Das Orchester trumpfte nach graziösen Intermezzi am Schluss bei den Tambourins I und II mit federndem Rhythmus und stürmischem Aplomb auf, dass es das Publikum kaum auf den Sitzen hielt. Nach diesem wunderbaren Konzert wähnte man sich auf einer Insel der Glückseligkeit.
Bernd Hoppe, 12.6.22