Premiere am 02.12.2017
Liebe, Verrat und Gnade am persischen Königshof
Da ist dem Oldenburgischen Staatstheater wieder einmal eine veritable Ausgrabung gelungen. Hand aufs Herz – wer kennt schon die Oper „Siroe, re di Persia“ („Siroe, König von Persien“) von Johann Adolf Hasse? Dabei ist der Stoff, zu dem Pietro Metastasio ein Libretto schrieb, über 35mal vertont worden, darunter von Nicola Antonio Porpora, Antonio Vivaldi, Georg Friedrich Händel, Baldassare Galuppi, Niccolo Piccini und Tommaso Traetta. Unter all diesen war die Version von Händel am erfolgreichsten.
Die Handlung spielt im Jahr 628 n. Chr. am Hofe des persischen Königs Cosroe. Der will seinen jüngeren Sohn Medarse und nicht den erstgeborenen Siroe zu seinem Nachfolger machen. Das führt zu komplizierten Verwicklungen und Intrigen zwischen den beteiligten Personen. Dazu gehört Emira, die sich in Männerkleidung unter dem Namen Idaspe an den Hof geschlichen hat, um sich an Cosroe für den Tod ihrer Familie zu rächen. Sie liebt Siroe, der von ihrer Identität weiß und der ihre Gefühle erwidert. Laodice ist die Mätresse von Cosroe, liebt aber in Wahrheit ebenfalls Siroe. Arasse schließlich ist General der persischen Armee und der Bruder von Laodice. Er ist Siroe treu ergeben und führt Cosroes Befehl, Siroe zu töten, nicht aus. Dieser Befehl wurde ohnehin nur gegeben, weil man den unschuldigen Sirooe für einen Verräter hielt. Bei dieser Konstellation gibt es jede Menge an Intrigen, an heftigen Gefühlen wie Hass, Verzweiflung, Liebe und Todesbereitschaft mit immer neuen Kehrtwendungen. Ein Wunder, dass alles doch zu einem glücklichen Ende führt, weil die Liebe zum Vater Schlimmweres verhindert. So wird Siroe denn doch König und kann Emira heiraten, die ihrerseits auf die Rache an Cosroe verzichtet.
Regisseur Jakob Peters-Messer, der vor zwei Jahren in Oldenburg bereits Händels „Xerxes“ prachtvoll inszeniert hatte, fand auch zu „Siroe“ einen leichtfüßigen und abwechslungsreichen Zugang. Das ist bei einer Oper, bei der es keine Duette und keine Ensembles gibt und sich nur Rezitative und Arien aneinanderreihen, gar nicht so einfach. Aber er verdeutlicht alle Emotionen mit einer ausgefeilten Personenführung, die eine differenzierte Körpersprache mit einschließt, stets auf den Punkt. Und Bühnenbildner Markus Meyer, der schon den „Xerxes“ mitgestaltet hat, liefert auch hier barocken Bühnenzauber vom Feinsten. Bemalte Prospekte, die einen unendlichen Säulengang vortäuschen, weiße Elefanten aus Pappmaché, ein vom Bühnenhimmel herabschwebendes Flugobjekt und ein „Bilderrahmen“ mit Rosenblättern und orientalischen Ornamenten rund um das Bühnenportal sorgen für ein Flair wie aus 1001 Nacht.
Zu Emiras empfindsamer Arie „Non vi piacque, ingiusti dei, ch’io nascessi pasrorella“ („Ihr wolltet nicht, ungerechte Götter, dass ich als Schäferin geboren wurde“) gesellen sich Statisten mit Schafsköpfen um sie herum. Solche liebenswerten Details finden sich an vielen Stellen. Oft sind im Hintergrund auch aktuelle Bilder von zerbombten Häusern aus Syrien zu sehen oder ein Video mit bedrohlichen Rauchwolken. Das hat aber nichts mit platter Aktualisierung zu tun, sondern verdeutlicht nur, dass der König sich im Krieg befindet. Auch die phantasievollen Kostüme stammen von Markus Meyer, unter denen besonders das mit barockem Pomp gestaltete Kleid von Laodice hervorzuheben ist.
Es ist erstaunlich, wie kompetent das Oldenburger Haus Barockopern weitgehend aus dem eigenen Ensemble besetzen kann. Das hat sich in der Vergangenheit gezeigt und wurde aufs Neue bestätigt. Mit dem Countertenor Nicholas Tamagna steht als Siroe ein ausgezeichneter Sänger zur Verfügung, der mit mal makellos schwebenden, mal mit ausdrucksintensiven Tönen die Riesenpartie nicht nur durchsteht, sondern von Anfang bis Ende auch bezwingend gestaltet.
Philipp Kapeller beweist als Cosroe mit seinem höhensicheren und wandlungsfähigen Tenor einmal mehr seine Vielseitigkeit. Dem Medarse (eigentlich auch eine Rolle für Countertenor) gibt die prachtvolle Yulia Sokolik mit schimmerndem Mezzo ein eher sanftes Profil. Die Emira gestaltet Hagar Sharvit mit einer breiten Palette an Emotionen. Myrsini Margariti besticht als Laodice mit einem Feuerwerk schwierigster Koloraturen. Martyna Cymerman kehrt als Arasse mit leuchtendem Sopran mehr den treuen Freund als den General heraus.
Mit Wolfgang Katschner steht ein ausgewiesener Barock-Fachmann am Pult des Oldenburgischen Staatsorchesters. Das hat sich ganz auf den barocken Klang eingestellt und musiziert, teilweise auf historischen Instrumenten, äußerst subtil und feinsinnig. Hasses individueller Orchestersatz mit ihren beredten Streicherfiguren kommt bestens zur Geltung. Barock-Oper in Oldenburg – das ist immer wieder ein Ereignis!
Wolfgang Denker, 03.12.2017
Fotos von Stephan Walzl