Bayreuth: „Affetti musicali nello spazio“, Festival junger Künstler

Wer Ophelia Flassigs Konzept-Performance-Theater-Konzerte besucht, kann sicher sein, auf das Motto der 75. Ausgabe des Bayreuther Festivals junger Künstler zu stoßen, das da lautet: „E:motion“. Emovere, das heißt „herausbewegen“. Movere ist also „bewegen“ – und bei Flassig wird sich wahrlich bewegt.

© Olga Gassan / Festival junger Künstler

Schon im letzten Jahr feierte sie am selben Ort einen großen, auch emotionalen Erfolg mit ihrem Raum-Projekt im „Zentrum“. Wieder sind fünf Musiker unterwegs: zwei Damen und drei Herren, zusammen ein Streichquintett. Sie spielen wieder das, was man früher „Alte Musik“ nannte, aber man weiß ja, dass es Alte Musik niemals gab, oder anders: Wenn junge Leute beim Festival junger Künstler Musik von 16-, 17- oder 1800 spielen, können sie gar nicht anders, als Neue Musik zu spielen. Musikalische Affekte, also starke Gemütsbewegungen „für Aug und Ohr“, so lautet der Titel, den das Ensemble Thalia auf die Beine stellte, indem es eine musikalische Geschichte mit den Musikinstrumenten als Protagonisten erfand; Gefühlsregungen werden, wie es im Programmzettel heißt, „in neuer Form in Szene gesetzt“. Dass das Programm als End- und damit als einer der Höhepunkte des Festivalprogramms firmiert, mag der Logistik geschuldet sein, aber was könnte als Festivalfinale charmanter und sinnvoller sein als ein Familienkonzert? Immerhin halten die Kleinen nicht allein durch, sondern zeigen Regungen, indem sie, als die Musik einsetzt, das Gurgeln einstellen. Da erscheint ein weiß gewandetes Quartett auf der Bühne, man bildet bei Vivaldis Violoncello-Konzert RV 401 eine Vierergruppe aus zwei mal zwei Musikern, sie wiegen sich bei Purcells Rondeau aus The Fairy Queen sanft durch den Raum, an uns vorbei, ein Solo tritt vor den Vorhang (eine Passacaglia aus Bibers Rosenkranzsonaten, sicher keine leichte Kost für Musikanfänger, kommt gut an, also auch bei der kleinen Tochter der Konzeptionistin), Händels Air Die Eifersucht aus der Tanzsuite Terpsicore [hier verwendete Schreibweise für die Muse „Terpsichore“] ist mit seinen Landschaftsfilmprojektionen auf die weißen Rücken der Spielerinnen und Spieler ein lebendes Bild, Rebels Allemande aus dessen 7. Sonate zieht als inneres Bild vor uns vorüber, und während Johann Christian Cannabichs Cantabile aus dem zweiten Violin- und Viola-Duett bringt ein Film im Zeitraffer zwei bekannte Bayreuther Räume – den Hofgarten und Wahnfried –  und die Film-Musiker selbst in Bewegung (natürlich wirkt das hier stark), bevor zwei Hornpipes aus Purcells Feenkönigin-Musik die fünf Instrumentalisten im Raum, gleich neben uns, berückend nah bringen. Doch seltsam: wenn Augustin Geer und Tobias Bechtold die Sarabande aus Bachs zweiter Violoncello-Suite spielen, indem sie sich spielend ergänzen und der eine unten und der andere oben, auf der Empore sitzt, ist die Bewegung nicht am geringsten.

Denn äußere Motion ist das eine und nicht das Wichtigste. Musikalisch fein und herzbewegend, so nennt man das wohl.

Frank Piontek, 18. August 2025


Affetti musicali nello spazio

Festival junger Künstler
Ensemble Thalia
Das Zentrum, Bayreuth

17. August 2025