
Dass zwischen den einzelnen Stücken, die im ersten Teil des Programms erklingen, nicht geklatscht wird, ist ausnahmsweise ein gutes Zeichen. Oder anders: Die Mitglieder des Nürnberger Wagner-Verbandes, der das Konzert arrangierte, und die anwesenden Gäste, haben schon schnell begriffen, dass man nicht zwanghaft nach jedem Stück applaudieren muss – auch wenn’s gut gespielt wird. Denn Iarina Mărgărit, von Beruf und Berufung her Pianistin, ist eine Musikerin, die das Publikum so hörbar in den Bann schlägt, dass die Stille zwischen den Stücken beredter ist als es ein Beifall sein könnte.
Liszt-Wagner-Matinée, so heißt das Programm, das mit Wagner eröffnet wird, um Liszt allen Raum zu geben. Die junge Musikerin aus Siebenbürgen, Jahrgang 2000, ist Stipendiatin des Nürnberger Verbandes und erweist dem Genius loci Ehre, indem sie zwei der späten, guten Klavierstücke des Musikdramatikers zu Gehör bringt, nebenbei auch an den Tannhäuser erinnert, den Liszt in Weimar erstaufführte. Ankunft bei den schwarzen Schwänen ist eines der beiden Klavierwerke, doch den Mittag öffnet Mărgărit mit dem Albumblatt In das Album der Fürstin Metternich. Er enthält etliche jener vielen vorschlagenden Doppelschläge, die ein Markenzeichen Wagners sind – und die Pianistin ist klug genug, die Matinée mit einem zurückhaltenden Salonstück zu beginnen, bevor sie zeigen kann, was sie alles kann.
Sie kann tatsächlich alles: das Zarte und das Harte, sie beherrscht die Kunst der Steigerung (das 104. Petrarca-Sonett: vom Pianissimo über das Fortissimo zurück zum Pianissimo) aus dem ff, sie kann brillante Attacken reiten (die Wilde Jagd aus den Étude d’exécution transcendante) und ganz ruhige Stücke so ruhig spielen, dass man fasziniert wird (Le mal du pays und Les cloches de Genève, ein Nocturne). Sie macht aus dem Lac de Wallenstadt ein Stück des frühen Impressionismus und der Pastorale ein lustiges Charakterstück. Gewiss: Das steht alles schon quasi in den Noten – aber die Kunst besteht darin, es herauszuholen. Die Eglogue kommt also charmant, also bezaubernd, und das vielleicht berühmteste Stück der Suisse-Reihe aus dem Années de pèlerinage-Zyklus, Vallé d’Obermann, schlicht bannend, weil Iarina Mărgărit die Kunst beherrscht, mit scheinbar unauffälligen Mitteln effektvolle Wirkungen zu erzielen und Steigerungen sehr kontrolliert anzulegen. Im Übrigen donnert’s bei ihr selbst dann nicht bös in die Ohren, wenn’s donnert.
Wenn alles nach rechten Dingen zuginge, müsste man der Musikerin auch noch nach Jahren auf den Konzertpodien wiederbegegnen.
Frank Piontek, 19. August 2025
Liszt-Wagner-Matinée
Iarina Mărgărit, Klavier
Steingraber, Kammermusiksaal
19. August 2025