Normalerweise mache ich, während ich ein Konzert höre, die Augen zu. Nicht so gestern Abend. Da saß ich meist mit geöffneten Augen, um mir das Schauspiel nicht entgehen zu lassen.
Angetreten waren: Sechs Schlagzeugerinnen und Schlagzeuger, also Prof. Cornelia Monske und ihre fünf Eleven – allesamt schon glänzende Musiker, die mit schier überbordender Energie ihre Instrumente beherrschen. Wie der Donner deiner Stimme, so heißt das Programm, dessen Untertitel, nicht zu Unrecht, „ein virtuoses Schlagzeuggewitter“ lautet. Zwar fällt das Erdbeben in Fredrik Schwenks Quadrivium – einem Instrumentalwerk mit eingelegten Sprechtexten auf Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz – fort, weil das 90 Minuten lange Stück um zwei Drittel gekürzt wurde, aber es donnert dann doch: auch in den vier Stücken des zweiten Teils. Aber kommt es auf den Donner an?

Auch, aber nicht nur. Denn wer „Schlagzeug“ liest, kann zumindest ahnen, dass Perkussionisten auch sehr sehr leise Töne zu provozieren vermögen. Dass mit Tomer Yarivs Gyro, von der Lehrerin und einer ihrer Schülerinnen an zwei Trommeln, kleinen Becken und Holzblöcken gespielt, eine unglaublich schnelle wie rhythmisch vertrackte Komposition im sich steigernden Dauerschnelllauf das Publikum rockt, ist ja klar – aber dass auch die weichen, an verschiedensten Phon-Instrumenten angestimmten Bach-Choräle und das Bach-Zitat in Tobias Broströms Bridging the world das Publikum anrührt, ist verständlich. Schwenk nennt das Konzert „eines der kontrastreichsten des Festivals“, und die sechs schwarzgekleideten Trommler, Kesselpaukenspieler, Marimbaphonisten und Beckenschläger undundund spielen eine spannend-impressive Musik, die so nur mit dem Schlagzeug, dem variablen, möglich ist. Schon Kyoto von John Psathas ist mit seinen vier Melodieinstrumenten und der Trommel ein einziges Klangereignis, der Broström eine Wohlfühlmusik, Gyro eine brillante „Radaumusik“ (O-Ton Monske) und The travelling Carnaval von Joe Porter eine mitreißende „Partymusik“. Die Zuhörer werden zumeist und vielleicht zum ersten Mal mit neuer Schlagzeugmusik konfrontiert – und goutieren die Fülle der Klangsprachen mit langem, heftigem Beifall.
Es ist dies ja auch eine der Chancen des Festivals: nicht allein junge Musiker zu fordern und zu fördern, sondern dem Publikum barrierefrei die weite Welt der Gegenwartsmusik zu erschließen – mit und ohne Donner, gleichviel.
Frank Piontek, 15. August 2025
Wie der Donner deiner Stimme…
Festival junger Künstler
Bayreuth, Stadtkirche
14. August 2025