Besuchte Vorstellung 16.01.2020
Wunderschön konventionelle Aufführung des rührenden Volksstückes mit herrlicher Musik
Gerne erinnere ich mich an den wunderschönen Farbfilm mit Sonja Ziemann und Rudolf Prack aus den 50er Jahren über das „Schwarzwaldmädel“. War er doch durch seine farbenprächtige Gestaltung, dem rührseligen Geschichterl und den eingängigen und einschmeichelnden Melodien von Léon Jessel damals einer der großen Kassenschlager im Kino. Heute erleben wir eine nostalgische Reise zurück in die gefühlsbetonte Geschichte aus dem Schwarzwald. Der der Jugend längst enteilte Domkapellmeister Blasius Römer glaubt eine neue Liebe zu erleben. Er meint nämlich irrtümlich, dass das Bärbele, eine Art Aschenputtel, auch als „Lumpenprinzessle“ von den Dorfbewohnern bezeichnet und als Außenseiterin behandelt, sich in ihn verliebt hat. Die beiden lustigen Handwerksburschen Hans und Richard, die von Hans verlassene Geliebte Malwine, die den beiden nachreist, der Ochsenwirt Jürgen, der praktisch fast alle Ämter des kleinen Fleckens in sich vereint hat, und der allem, was da auf ihn zukommt „machtlos vis-á-vis“ steht, ein Ausspruch der sich durch das gesamte Stück zieht, der unvermeidliche Berliner Urlauber Schmusheimer, der sich überall einmischt und alles besser weiß, sie alle tragen ihr Scherflein dazu bei, ein abwechslungsreiches, fröhliches Spiel ablaufen zu lassen. Am Schluss, wie es sich für eine zünftige Operette gehört, natürlich mit einem gewaltigen Happy End. Glückliche Menschen am Schluss des Stückes auf der Bühne und glückliche Menschen am Schluss im Zuschauerraum, der bis auf den letzten Platz ausverkauft ist. Hat doch der umtriebige, mit einem feinen Gespür und einem geschickten Händchen ausgestattete Theaterleiter Christian Federolf-Kreppel, wie schon so oft, das richtige Näschen gehabt und vor allem weiß er, wann sich Treue auszahlt. Bereits seit 1996 gastiert die Wiener Operettenbühne Heinz Hellberg in Schweinfurt, hat sich ein äußerst beständiges Publikum erobert und bringt Operette im besten Sinne des Wortes auf die Bühne und sorgt damit immer für restlos ausverkaufte Zuschauersäle. Hier versucht sich kein selbstgefälliger Intendant selbst zu verwirklichen, seinem Affen Zucker zu geben und damit das arme Publikum zu peinigen, nein, mit Heinz Hellberg wird die Operette in ihrer schönsten und ursprünglichsten Form auf die Bühne gebracht, diesmal als modernes Märchen, welches alle verzaubert. Man kann kaum glauben, dass diese reizende Schwarzwaldmär bereits im Jahr 1917 die Bühnenbretter das erste Mal betreten hat. Über die ganzen Jahre hat die Geschichte, vor allem auch durch die eingängige gefällige und mitreißende Musik kein bisschen von ihrem Reiz verloren.
Wie praktisch bei allen seinen Regiearbeiten wird von Hellberg diese einfache ländliche Geschichte unverfälscht, farbenprächtig und ohne größere Änderungen in der Geschichte vorzunehmen, auf die Bretter, die die Welt bedeuten, diesmal in Schweinfurt, gestellt. Eine wohltuende Inszenierung, an der das Publikum seine helle Freude hat, lebendig, fröhlich, humorvoll und verständlich. Das Orchester der Operettenbühne Wien wird diesmal von Dorian Molhov geleitet. Er führt es mit straffer Hand durch die wunderschöne Melodienwelt und lässt es aufbrausen, wo es notwendig ist. Leider übertreibt er es hier die erste halbe Stunde ein bisschen und überdeckt die vorzüglichen Sänger teilweise etwas. Diese singen tapfer und erfolgreich gegen die Wogen an, die sich aber dann Gott sei Dank mit zunehmender Dauer entsprechend glätten. Immer mehr nimmt der Dirigent seine vorzüglich spielenden Musiker etwas zurück, vor allem, wenn die ein oder andere Gesangstimme etwas bedroht erscheint. Schmeichelnd „erklingen zum Tanze die Geigen“ aus dem Orchestergraben, umfließen die Szene und die Sangessolisten und die Musiker spielen kraftvoll, präzise, sauber, zurückhaltend und wo es erforderlich ist auch leidenschaftlich, eine insgesamt gesehen eindrucksvolle Leistung der Musiker und ihres Dompteurs. Auch der Chor weiß voll zu überzeugen und man muss immer wieder die Leidenschaft bewundern, mit welcher sich die Choristen in ihre Aufgaben werfen. Man merkt ihnen richtig an, wieviel Spaß sie an Ihren Auftritten haben und dies überträgt sich natürlich auch auf das Publikum, und all das für ein sicher nicht allzu üppiges Salär. Eine abwechslungsreiche, bunte stimmige Kulisse, ebensolche farbenprächtige Kostüme, die einfach Spaß machen, sind das Tüpfelchen auf dem I und ein ganz großes Lob und Dankeschön an Lucya Kerschbauer, die für die Kostüme verantwortlich ist und an Mioara Dumitrescu, die für die Maske zuständig zeichnet. Alles mehr als gefällig, einfach Hingucker, die das Spiel erst richtig zum Blühen bringen. Hier passt einfach alles, ist stimmig, bunt, farbenprächtig und teilweise beeindruckend. Man muss ja immer dabei denken, dass es sich um eine Tourneebühne handelt, wo es viel schwieriger ist entsprechend zu agieren, als bei einem festen Haus. Ein ganz kräftiges Bravo deshalb an alle Beteiligten und Verantwortlichen.
Doch nun zu dem Wichtigsten bei einer Operettenaufführung, jedenfalls für mich, nämlich zu den Sängern. Manche noch so schöne Aufführung ist am mangelnden Stimmvermögen der jeweiligen Protagonisten gescheitert. Heute und hier ist dies Gott sei Dank nicht der Fall. Wobei man auch sagen muss, dass Heinz Hellberg über die vielen Jahre es immer wieder geschafft hat, ausgezeichnete Sängerdarsteller zu verpflichten, die zu einer Operette wie das Salz in der Suppe gehören. Kein einziger Ausfall ist zu verzeichnen, insgesamt ein überdurchschnittliches homogenes Ensemble, welches in dieser wunderschönen volkstümlichen Operette agiert.
In der Rolle des Domkapellmeisters Blasius Römer, eigentlich der tragenden Rolle der gesamten Operette, können wir den gebürtigen Wiener und Prachtbariton Viktor Schilowsky erleben. Endlich hört man ihn einmal in einer größeren Rolle, die seinem weichen, geschmeidigen, samtenen, warmen und raumfüllenden Bariton entgegenkommt. Es macht richtig Spaß seiner einschmeichelnden, ausdrucksstarken und einfach schön geführten Stimme zuzuhören. Langanhaltenden Applaus kann er zusätzlich völlig zu Recht mit dem melancholisch vorgetragenen etwas wehmütigen Robert Stolz Lied „Auf der Heide blühn die letzten Rosen“ einheimsen. Wunderschön seine Interpretation dieses, ja man kann schon fast sagen, Volksliedes des großen Robert Stolz. Da nimmt man gerne in Kauf, dass es eigentlich nicht ins Dreimäderlhaus gehört. Und man fragt sich, warum eigentlich keine der tollen Operetten von Robert Stolz einmal zur Aufführung kommt.
Den donnernden Applaus hat sich ebenfalls die Sängerin des Bärberle, des Lumpenprinzessles redlich verdient, denn es gibt bei dieser Vorstellung zwei Sänger, die sich die Krone verdient haben und neben Viktor Schilowsky ist es die liebreizende und bezaubernde Verena te Best. Sie, die in Wels in Oberösterreich geboren und in Pasching bei Linz aufgewachsen ist, ist die Rolle wie auf den hübschen Leib geschrieben. Ihr, in den letzten Jahren reifer und voller gewordener silbrig glänzender, stimmschöner und in allen Lagen gleich ansprechender Sopran bezaubert nicht nur den Domkapellmeister und den Burschen Hans, sondern fast noch mehr, die im Publikum sitzenden Herren und da nimmt sich der Rezensent nicht aus. Was Verena te Best aus dieser Rolle macht, ist einfach toll. Quirlig, leidenschaftlich, spitzbübisch, mit einer tollen darstellerischen wie sängerischen Topleistung bekommt sie zu Recht den tosenden Beifall des Publikums. Selten habe ich eine Sängerin erlebt, die so natürlich, frisch, unverstellt, mit einer riesigen Portion Charme und ungekünstelt sowie erfrischend fröhlich diese Rolle meistert. Ein ganz großes Bravo einer außergewöhnlichen Künstlerin. Eine tolle Darstellung des Bärbele. Als Malwine von Hainau, kann die Wiener Sopranistin Ella Tyran ebenfalls ein großes Ausrufungszeichen setzen. Ihr voller, durchschlagskräftiger, klarer und höhensicherer Sopran und ihre sehr gute darstellerische Bewältigung der Rolle werten die Partie sichtlich auf. Ganz bezaubernd auch Anita Tauber, als Hannerle, die Tochter des Domkapellmeisters. Mit brillantem, äußerst beweglichem klarem und hohem Sopran kann sie mehr als überzeugen. Bei ihr wünscht man sich auch einmal eine größere Rolle, bei welcher sie ihr Können umfangreicher einsetzen kann. Ihr zuzuhören macht Spaß, reizend auch das Duett mit Verena te Best. So macht Operette einfach Spaß.
Die beiden Handwerksburschen Hans und Richard sind ebenfalls mehr als rollendeckend besetzt. Als Hans erleben wir den blondgelockten, jungen und feschen oberösterreichischen Tenor Stefan Reichmann, der ebenfalls von Jahr zu Jahr besser wird. Sein heller, schöner vollmundiger Tenor blüht immer mehr auf und auch darstellerisch hat er in der letzten Zeit einiges zugelegt. Strahlend und höhensicher bei Stimme weiß er eindrucksvoll zu punkten, kraftvoll und ausdauernd bietet er eine runde Rollendeutung. Auch er erhält starken Beifall des Publikums. Als Richard sieht und hört man den aus Wien stammenden charmanten Alexander M. Helmer. Bei ihm bin ich mir immer nicht so ganz sicher, ob er ein hoher Bariton, oder ein Tenor ist. Egal wie auch immer, seine Rolle gestaltet er vorzüglich. Mit klarer, voller, runder, durchschlagskräftiger und stimmschöner Stimme weiß er seiner Rolle Kontur zu verleihen, angenehm im Ausdruck und durchaus beeindruckend. Darstellerisch zeigt er eine Partie vom allerfeinsten, immer präsent, immer bühnenbeherrschend. Eine Rolle, für die er wie geschaffen ist, es macht einfach Freude ihm zuzuhören und zuzusehen. Als Jürgen, dem Wirt des Blauen Ochsen, dem Bürgermeister, dem Feuerwehkommandanten, dem Polizeichef und was sonst noch alles, ist Jürgen Reimitz zu erleben. Und auch wenn man ihn im Programmheft schlicht und ergreifend einfach vergessen hat, durchlebt er und gestaltet er seine Rolle exzellent, immer gekrönt von seinem „Da kannscht nix mache, da schtehscht machtlos vis-á-vis“ und hat vor allem das Publikum hinter sich, welches seinen Auftritt mit großem Beifall begleitet. Seine Interpretation der Rolle macht einfach nur Spaß und gute Laune und genau das ist es, was auch Operette ausmachen soll. Für zwei Stunden gute Laune verbreiten, aus- und abschalten der Alltagssorgen und in eine Märchenwelt eintauchen. In zwei ebenfalls mehr als rollendeckend besetzten Partien ist Sylvia Denk als die alte Traudel zu erleben, die ihre kleine Rolle mit großer Wärme und gleichzeitig großer Strenge erfüllt. Auch ihr gebührt der verdiente Applaus des Publikums. Und nicht zuletzt ist ein wahres Urgestein der Operettenbühne als Berliner Urlauber im Schwarzwald zu erleben und zwar der in Kärnten/Österreich geborene und in Salzburg aufgewachsene Gerhard Karzel. Er gibt seinem Gaul reichlich Zucker, macht dadurch aus seinen Auftritten wahre kleine Kabinettstückchen und hat den wohlverdienten Applaus, ebenso wie die Lacher des sich köstlich unterhaltenden Publikums immer auf seiner Seite.
Begeisterter, herzlicher und langanhaltender Applaus am Schluss. Die Zuschauer waren für zwei Stunden in der Märchenwelt der Operette und sie hat ihnen mehr als nur Spaß gemacht. Hoffen wir, dass die Gastspiele der Operettenbühne Wien noch oft in Schweinfurt Station machen und nicht nur viel Spaß und viel Freunde, sondern auch ein immer ausverkauftes Haus mit sich bringen. Lachende und fröhliche Gesichter beim nachhause Gehen, die eine oder andere Melodie vor sich hin pfeifend, was will man eigentlich mehr von einem ausgefüllten wunderschönen und mehr als unterhaltsamen Operettennachmittag verlangen.
Manfred Drescher, 22.01.2020
Fotos: Claudius Schutte