Premiere Dessau 17.05.2014, Aufführung am 11.06..2015
Moderne Version der altbekannten „Tosca“ erfreut Schweinfurt
Diesmal gab es im Theater der Stadt Schweinfurt einen Abschied. Abschied vom langjährigen Generalmusikdirektor und Chefdirigent dem Holländer Antony Hermus. Er verlässt das Anhaltische Theater Dessau zum Ablauf der diesjährigen Spielzeit. Doch davon später etwas mehr. Das Anhaltische Theater Dessau ist ein langjähriger, hochverehrter und vielgeliebter Gast in Schweinfurt. Diesmal stand die „Tosca“ von Giacomo Puccini auf dem Programm. Und auch diesmal kann das Anhaltische Theater Dessau Beifallsstürme entgegennehmen. Beifallsstürme in erster Linie für die sängerische Bewältigung der Oper und auch für das Orchester, welches letztmalig unter der Leitung von Antony Hermus steht. Der Regisseur Hans Peter Cloos bietet eine „aktualisierte Inszenierung“ der bekannten Oper, also den Versuch einer Modernisierung. Der werte Leser wird wissen, dass ich nicht unbedingt ein Freund der Aktualisierungen bin und auch nach dieser Inszenierung hat sich an meiner Meinung nicht viel geändert.
Der Maler Cavaradossi, der die Sängerin Flora Tosca unsterblich liebt, die auch der Polizeichef Scarpia begehrt, hilft seinem Freund Angelotti, der aus der Haft entflohen ist. Scarpia benutzt Tosca um den Aufenthalt Angelottis zu erfahren. Er nimmt Cavaradossi fest und foltert ihn, Tosca muss hilflos zusehen. Sie kann Cavaradossi retten, indem sie sich dem Drängen Scarpias hingibt. Nachdem dieser eine Scheinhinrichtung Cavaradossis zugesichert und Passierscheine ausgestellt hat, ersticht sie ihn, während er sie bedrängt. Sie eilt zu Cavaradossi, dessen Scheinhinrichtung wird jedoch real vollzogen und sie stürzt sich, bevor sie die Häscher Scarpias festnehmen können, in den Tod. Mit wenigen Worten ist dies die Geschichte Toscas.
Hans Peter Cloos verlagert dies alles in die Neuzeit, ich frage mich einfach nur warum? Statt Kirche eine Dombauhütte, der zweite Akt verläuft in der Halle eines Hotels, aus der Engelsburg wird ein Hochhausdach. Die Folterung Cavaradossis wird sehr direkt, sogar etwas überzeichnet, dargeboten und so könnte man fortfahren. Also gut, ich werde mich daran gewöhnen müssen, dass man Handlungen, die für mich auch heute noch zeitlos gezeigt werden können, aus welchen Gründen auch immer in die Jetztzeit stellt. Ob man damit jüngere Zuschauer anlockt möchte ich auf jeden Fall bezweifeln. Die Kostüme von Marie Pawlotsky passen sich der „Modernisierung“ an, Straßenkleidung, Lederschlips, rote Roben der 5oer Jahre Welle und etliches mehr. Gut, man kann diese Inszenierung wohlwollend betrachten, warum sie jetzt aber unbedingt sein musste, kann ich persönlich jedoch nicht ganz nachvollziehen.
Die zeitlose Musik Puccinis, die man Gott sei Dank nicht verändern kann (bzw. darf), wird von der Anhaltischen Philharmonie vortrefflich dargeboten. Musikalische Geschlossenheit, das Erarbeiten feinster Nuancen, feuernde Leidenschaft, wo sie machbar ist und feine Zurückhaltung, wo sie zum Wohle der Sänger angebracht ist, zeichnet das Orchester aus. Das liegt auch daran, dass der Generalmusikdirektor und Chefdirigent Antony Hermus die Musik in sich einatmet und leidenschaftlich wiedergibt. Ihn zu erleben ist schon allein ein Erlebnis. Er verausgabt sich bis zum letzten und atmet mit seinen Musikern. Ein leidenschaftlicher Dirigent, der sein Orchester seit nunmehr sechs Jahren in Dessau fest im Griff hat, Der charismatische Holländer verlässt aus persönlichen Gründen im Sommer Dessau, er wird nicht nur dort fehlen, er wird auch uns fehlen. Dieses Orchester und dieser Dirigent haben Maßstäbe gesetzt und dies auch heute in der Tosca.
Kammersängerin Iordanka Derilova gestaltet die Tosca. Und so leidenschaftlich wie ihr Dirigent, verkörpert auch sie die Partie der leidenschaftlichen Frau Tosca. Mit klarem leuchtendem Sopran, der zur Zurückhaltung aber auch zum leidenschaftlichen Forte fähig ist, verzaubert sie nicht nur Cavaradossi sondern auch das Publikum, welches mit stürmischem Applaus die tolle Leistung honoriert. Das sie auch darstellerisch auf höchstem Niveau agiert, braucht man bei ihr, der Primadonna Assoluta nicht extra zu betonen. Ihr durchaus ebenbürtig der Cavaradossi von Charles Kim. Am Anfang noch etwas zurückhaltend, steigert er sich immer mehr und kann mit strahlendem Tenor beeindrucken. Leider hat er nur zwei große Arien, doch die setzt er so, dass man eigentlich noch mehr hören möchte. Auch darstellerisch ist er seiner Tosca ein ebenbürtiger Partner. Und dann, fast hätte ich gesagt das Dessauer Urgestein, Ulf Paulsen als verschlagener, boshafter und lüsterner Scarpia. Wieder eine Rolle, die ihm wie auf den Leib geschneidert vorkommt. Hinterhältig und dämonisch, stimmlich bis an die Grenzen gehend, verkörpert er den machbesessenen Unmenschen, seine durchschlagskräftige Heldenbaritonstimme im Einklang mit einer überdurchschnittlichen darstellerischen Darbietung lassen diese Rollenbesetzung noch lange im Gedächtnis bleiben. Keinerlei Ausfälle in den übrigen Rollen, so Wiard Withold als Cesare Angelotti, André Eckert als Mesner, David Ameln als Spoletta, Cezary Rotkiewicz als Sciarrone und Steven Simon als Hirt. Der Opernchor des Anhaltischen Theaters, einstudiert von Helmut Sonne und der Kinderchor unter der Leitung von Dorislava Kuntscheva machen ihre Sache gut, man merkt ihnen auch die Freude am Spiel an. Insgesamt ein sehr erfreulicher Abend, der durch den Weggang von Antony Hermus ein kleines bisschen getrübt wird.
Manfred Drescher, 19.06.2015
Fotos Claudia Heysel