Berlin: „20 Jahre Staatsballett“, Gala

Das Jubiläum der Berliner Ballettcompagnie gab den Anlass für eine glanzvolle Gala am 31. 5. 2025 in der Staatsoper. Das dreistündige Programm war eine ausgewogene, ja perfekte Mischung aus klassisch-romantischen und zeitgenössischen Beiträgen, moderiert vom Intendanten Christian Spuck und der TV-Moderatorin Petra Gute in charmant-lockerer Manier, wenn auch nicht ohne Versprecher.

© Serghei Gherciu

Den gebührend festlichen Auftakt bildete der Walzer aus Tschaikowskys Schwanensee in der Choreografie von Patrice Bart. 1997 hatte diese in der Lindenoper Premiere und findet sich noch immer im Repertoire des Staatsballetts als eine ihrer erfolgreichsten Produktionen mit bisher über 200 Aufführungen. Prinz Siegfried war Martin ten Kontenaar mit technisch solider Leistung, doch etwas blasser Ausstrahlung. Der Erste Solist des Ensembles war vielbeschäftigt im Gala-Programm und hinterließ in seinen weiteren Auftritten deutlich stärkere Eindrücke. So gab er gemeinsam mit Danielle Muir am Ende des ersten Programmteils den hinreißenden Grand Pas de deux, den Christian Spuck auf Rossinis Ouvertüre zur Gazza ladra 1999 für zwei Solisten des Stuttgarter Balletts erdacht hatte. Die Nummer bezieht ihre überwältigende Wirkung aus der Mischung von Komik und Bravour, wurde von vielen internationalen Stars in Gala-Abenden präsentiert und ist beispielsweise mit Roberto Bolle und Alicia Amatriain filmisch dokumentiert. Die Berliner Solisten standen den großen Vorbildern nicht nach, sorgten mit ihrem Witz für Heiterkeit im Publikum, ohne das anspruchsvolle technische Vokabular zu vernachlässigen. Im zweiten Teil des Abends war der Tänzer Partner von Polina Semionova in Frederick Ashtons zauberhaftem Pas de deux Voices of Spring auf den Frühlingsstimmenwalzer von Johann Strauss Sohn. Die Erste Solistin und Berliner Publikumsliebling hatte sich dieses Stück ausdrücklich für ihren Auftritt bei der Gala gewünscht. Dafür gebührt ihr besonderer Dank, konnte das Publikum doch so Bekanntschaft mit dieser choreographischen Pretiose machen. Von Merle Park bis Alina Cojocaru sind alle legendären Ballerinen damit aufgetreten – eine immense Vorgabe. Aber Semionova, im duftigen Kleid und mit einem Blütenkranz im Haar von zauberhaft jugendlicher Aura, hielt dem Vergleich stand, schwebte, ja flog schier über die Bühne – mit Charme, Anmut und. berückender Leichtigkeit. Kontenaar war ihr ein kompetenter Partner mit sicheren Hebungen.

Ähnlich dankbar war man für die Möglichkeit, José Carlos Martínez´ Pas de deux Delibes Suite kennenzulernen, den  der einstige Étoile des Balletts der Pariser Oper und heute dessen Direktor 2003 geschaffen hatte. Als musikalische Folie dienten Ausschnitte aus zwei Balletten des französischen Komponisten – der eher unbekannten La Source und der populären Coppélia. Die Choreografie in ihrer virtuosen Anlage war die perfekte Vorgabe für die Erste Solistin Iana Salenko, deren technisches Vermögen scheinbar keine Grenzen kennt. Mit graziöser, verspielter Allüre meisterte sie alle Schwierigkeiten bravourös, glänzte in ihrer Variation mit perfekten Balancen und gemeinsam mit ihrem brillanten Partner David Soares mit stupenden grand jétés. Auch der zweite Auftritt der Salenko mit George Balanchines Tschaikowsky-Pas-de-deux entsprach ganz ihrer Ausnahme-Kunst. Bestechend die Eleganz ihres Vortrages, die auch ihren Partner Kalle Wigle inspirierte und zu einer schönen Leistung führte. Der bravourösen Nummer folgte mit dem Pas de deux aus dem 2. Akt von Giselle ein Ausschnitt aus einem weiteren Glanzstück des Staatsballetts, das sich in der Choreographie von Patrice Bart seit dem Jahre 2000 im Repertoire der Compagnie befindet. David Soares überzeugte auch hier mit seiner noblen und sensiblen Interpretation, während Riho Sakamoto sich mit ihrer technisch souveränen und berührend emotionalen Darbietung der Titelrolle für den Rang einer Ersten Solistin qualifiziert haben dürfte. Zu Recht hatte Spuck für die Gala auch die Balkonszene aus seiner 2012 in Zürich entstandenen Choreografie von Prokofjews Romeo und Julia ausgewählt, zeigte diese doch sein feinsinniges Gespür für die Situation des jungen Paares und seine Kompetenz im neoklassischen Genre. Giovanni Princic war ein Romeo im Überschwang der Gefühle und Michelle Willems eine Julia voller Hingabe – zwei bemerkenswerte tänzerische Debüts.

© Serghei Gherciu

Einen breiten Raum im Programm des Staatsballetts nehmen die Arbeiten des amerikanischen Choreografen William Forsythe ein, was mit Ausschnitten aus zwei Abenden berücksichtigt wurde. In Blake Works I konnte das Ensemble ausgelassene Lebensfreude demonstrieren, während im Duett aus dem berühmten In the Middle, Somewhat Elevated mit seiner lärmenden Klangfolie Weronika Frodyma und Cohen Aitchison-Dugas in der rasanten Choreographie faszinierten. Für Liebhaber des zeitgenössischen Tanzes gab es noch weitere Beiträge – das Tempo betonte Solostück Aria von Douglas Lee, in welchem Raffaelle Queiroz und George Susman mit stupender Synchronität in den Bewegungen imponierten, und Come Back der norwegischen Ersten Solotänzerin Samantha Lynch. In der 2022 in Zürich entstandenen, etwas überdehnten Arbeit absolvierten die fünf Interpreten um eine schwarze Holzbank reichlich Bodenarbeit. Originell war dagegen das Stück Skew-Whiff des choreographischen Duos Sol León & Paul Lightfoot von 1996. Es nutzt gleichfalls Rossinis Ouvertüre zur Gazza ladra, so dass sich ein aufschlussreicher Vergleich mit Spucks Grand Pas de deux ergab. Matthew Knight, Fiona McGee, Théo Just und Anthony Tette wechselten gekonnt zwischen klassischem Vokabular und pathologischen Zuckungen. Einer Gala würdig, gab es natürlich auch ein glanzolles Finale, das Spuck auf die Polka Unter Donner und Blitz von Johann Strauss Sohn choreographiert hatte. Alle Mitwirkenden des Programms traten hier noch einmal auf und wurden gebührend gefeiert – wie auch die Staatskapelle Berlin, die unter dem Dirigenten Tom Seligman die Musikstücke ihren konträren musikalischen Stilen zuverlässig und engagiert serviert hatte. Es war ein Abend, nach dem man das Haus glücklich verließ.

Bernd Hoppe, 2. Juni 2025


Gala 20 Jahre Staatsballett

Staatsoper Unter den Linden

31. Mai 2025

Musikalische Leitung: Tom Seligman
Staatskapelle Berlin