Braunschweig: „La Bohème“, Giacomo Puccini

Für vier Tage im Dezember hat das Staatstheater nach sieben Jahren die damals überaus erfolgreiche, im Ganzen stimmige Neuinszenierung von Ben Baur wiederaufgenommen.Der Erfolg beruhte auch darauf, dass derebenso für die Bühnenbilder verantwortliche Regisseur die traurige Geschichte erfreulicherweise so erzählte, wie sie von den Librettisten und dem Komponisten konzipiert ist. Lediglich das ansonsten durchaus stimmungsvolle erste Bild war etwas irritierend, weil sich anders als sonst alles im Freien auf der Dachterrasse und nicht in der Mansarde der Künstlerfreunde abspielte. Da wirkte es schon ulkig, als vor dem Hintergrund der Dächer von Paris in einem Eimer ein Feuerchen zum Wärmen entfacht wurde. Ebenso passte nicht so recht zum Libretto, dass die jungen Leute und Musetta im letzten Bild in schwarzem, feinem Zwirn auftraten, als ob sie geahnt hätten, dass Mimi kommen und in der kargen Mansarde sterben würde. Dass sie aber Schmuck und Collines Mantel versetzten, zeigte, dass sie das Bohème-hafte Leben doch noch nicht hinter sich gelassen haben.

© Björn Hickmann

Die Wiederaufnahme war rundum gelungen, was zunächst an dem bestens aufgelegten Staatsorchester lag, das unter der umsichtigen Leitung von Braunschweigs 1. Kapellmeister Alexander Sinan Binder das Puccini-typische Schwelgen zum Leuchten brachte. Allerdings ließ es der Dirigent zeitweise zu sehr lärmen, was dazu führte, dass sich die Sängerinnen und Sänger dann gezwungen fühlten, mehr Ton als nötig zu geben. Was allgemein positiv beeindruckte, war die Spielfreude aller Mitwirkenden, des Ensembles, des Chors und des Belcanto-Kinderchors des Staatstheaters, die sich vor allem in der Varieté-Atmosphäre des 2. Aktes zeigte. Hier hatte die szenische Einstudierung der Wiederaufnahme ganze Arbeit geleistet; schade, dass die oder der Verantwortliche dafür nicht auf dem Besetzungszettel genannt war.

Sängerisch gibt es Erfreuliches zu berichten: An erster Stelle ist das in Braunschweig in vielen Partien bewährte Ensemblemitglied Ekaterina Kudryavtseva als Mimi zu nennen. Sie nahm durch ihr anrührendes Spiel für sich ein und führte ihren ausdrucksstarken Sopran sicher und vielfach schön aufblühend durch alle Lagen. Wie man hört, wird sie dem Ensemble ab nächster Spielzeit leider nicht mehr angehören. Ihr Rodolfo war der Gast Hyunjai Marco Lee, der in der dankbaren Partie tenorale Glanzpunkte setzte.

© Björn Hickmann

Koloratursicher überzeugte Victoria Leshkevich alsMusetta; ihr eifersüchtiger Liebhaber Marcello war Maximilian Krummen, der seinem durchschlagskräftigem Bariton auch in den weniger aufgeregten Passagen allzu viel Kraft verlieh. Schaunard und Colline waren bei Zachariah Kariithi mit charaktervollem Bariton undSungjun Cho mit angenehm timbriertem Bassgut aufgehoben. Der flexible Bass von Rainer Mesecke passte gut zur Doppelrolle Benoît und Alcindoro; sicher ergänzten Steffen Doberauerals Parpignol und Ross Coughanour als Sergeant. Ausgewogene Klänge ließen Chor (Johanna Motter) und Kinderchor (Mike Garling) des Staatstheaters hören.

Während des Abends gab es reichlich Szenen-Applaus und am Schluss starken Beifall des Publikums für alle Mitwirkenden.

Gerhard Eckels, 13. Dezember 2025


La Bohème
Oper von Giacomo Puccini

Staatstheater Braunschweig

Wiederaufnahme am 12. Dezember 2025
Premiere am 7. Dezember 2025

Musikalische Leitung: Alexander Sinan Binder
Inszenierung: Ben Baur
Staatsorchester Braunschweig

Weitere Vorstellungen: 20., 23., 25. Dezember 2025