Ein Gastspiel brachte dem Publikum der Scala eine der schönsten (und erfolgreichsten) Produktionen der Saison: William Christie ging mit seinen Arts florissants auf Tournee und machte für einen Abend auch in Mailand Station. In der 11. Auflage des Jardin des Voix, der Akademie des Ensembles, wurden acht junge Leute ausgewählt, um Henry Purcells semi-opera auf die Bühne zu bringen.
Da die Namen der SängerInnen nicht bestimmten Rollen zugeschrieben waren, kann ich nur sagen, dass mir ein Tenor und ein Mezzo mit gutem Material aufgefallen sind, sowie der Bariton Hugo Herman-Wilson, der sich als betrunkener Poet zu profilieren wusste. Genial war der Einfall, für die halbszenische Aufführung die TänzerInnen der Compagnie Käfig zu engagieren (das Wort ‚Käfig‘ hat im Arabischen dieselbe Bedeutung wie im Deutschen). Was diese sechs KünstlerInnen unter ihrem für Regie und Choreografie verantwortlichen Chef Mourad Merzouki leisteten, war schier unglaublich (und es war beeindruckend, wie gut Barockmusik in ihrer Lebendigkeit zum Hip-Hop passt). Das Gesangsensemble war in die tänzerischen Bewegungen aber ebenso eingebunden, sodass kaum zu unterscheiden war, wer zu welchen InterpretInnen gehörte. Die einfallsreichen, bunten Kostüme stammten von Claire Schirck, das suggestive Licht steuerte Fabrice Sarcy bei. Das „Bühnenbild“ bestand aus einer roten Rampe und von Zeit zu Zeit zwei Stühlen, was erklärt, warum kein Urheber dafür angegeben war.
Das von einem Anonymus stammende Libretto in 5 Akten basiert sehr frei auf Shakespeares „Sommernachtstraum“ oder besser gesagt, es inspiriert sich daran und bringt eine recht lose Szenenfolge. Konsequenterweise wurde der gesprochene Text zur Gänze eliminiert, sodass die sogenannten masques wiedergegeben wurden und man sich an der genialen Musik des so jung verstorbenen Purcell (1659-1695) delektieren konnte. William Christie, der demnächst Achtzigjährige, leitete sein brillant (auch die Bläser!) spielendes Originalklangensemble mit der Verve und Begeisterung eines jungen Mannes.
Der Jubel war riesig und endete auch nicht nach einer Zugabe in Form einer Wiederholung, sodass noch die Zugabe der Zugabe erklatscht wurde, wobei Christie inmitten aller Mitwirkenden auf der Bühne stand und beglückt mitsang. Ein unvergesslicher Abend!
Eva Pleus, 5. Juli 2024
The Fairy Queen
Henry Purcell
Teatro alla Scala
(Einzige) Vorstellung vom 30. Juni 2024
Inszenierung: Mourad Merzouki
Musikalische Leitung: William Christie
Ensemble Les Arts Florissants