Aufführung am 16.10.21 (Premiere am 9.10.)
Der Pandemie ist es geschuldet, dass das Festival Verdi heuer neben der Inszenierung von „Un ballo in maschera“ nur die konzertante Version einer weiteren Oper herausbrachte, da es im Stadium der Planung nicht absehbar war, welche Projekte überhaupt das Publikum erreichen würden.
Wir Opernliebhaber sind ja oft heilfroh, wenn man sich, von keinen Regiekasperliaden beeinträchtigt, ungestört dem Stimm- und Musikgenuss hingeben kann. Gerade bei diesem Werk mit seinen mehreren kurzen, wie zersplitterten Szenen hätte ich manchmal eine Inszenierung als bereichernd empfunden; dennoch war diese Wiedergabe ein hoher musikalischer Genuss.
Da es sich um eine Koproduktion mit dem Teatro Comunale von Bologna handelte, kamen Orchester und Chor von dort. Michele Mariotti, früherer Musikdirektor in Bologna, hatte daher einen guten Draht zu den Musikern und ließ die düsteren Farben dieses Meisterwerks in aller Pracht erglühen. Dazu war er den Sängern ein aufmerksamer, unterstützender Begleiter. Der Chor, wie schon beim „Maskenball“ in einem Halbkreis hoch über der Bühne postiert, sang unter der Leitung von Gea Garatti Ansini sehr gut, aber die Kollegen aus Parma waren ihm am Vortag doch noch um einen Hauch überlegen.
Der auch als Cellist und Dirigent ausgebildete Russe Igor Golovatenko sang die Titelrolle mit mächtigem Bariton, der farblich zunächst an die Tenorkollegen aus seiner Heimat erinnerte, also ziemlich hell und metallisch klang.
Nach einer kurzen Gewöhnungsphase konnte man sich aber an einer raffinierten Interpretation erfreuen, in einer hinreißend prägnant gesungenen Ratsszene, später tiefe Resignation und Trauer vermittelnd. Auf Augenhöhe mit diesem exzellenten Künstler Michele Pertusi, dessen Fiesco stimmtechnisch wie aus dem Lehrbuch erklang, aber in seiner Expressivität Stolz wie Gram gleichermaßen Raum gab. Die Szene Simone/Fiesco im letzten Bild war einer der Höhepunkte des Abends. Weniger überzeugend waren die Leistungen des jungen Paares: Angela Meade wirkte nicht immer sicher und suchte vermehrt den Blickkontakt mit dem Dirigenten. Ich denke, dass ihr strahlendes Sopranmaterial im Belcanto und in den Werken des jungen Verdi besser aufgehoben ist. Hochinteressant ist auch das Stimmmaterial des jungen Riccardo della Sciucca, der mit mühelosen Höhen gefiel.
Allerdings muss der 25-Jährige noch zahlreiche technische Mängel beheben, und es steht zu hoffen, dass er sich auf das Studium besinnt und nicht gleich verheizen lässt. Durchschnittlich, vor allem hinsichtlich der Expressivität, geriet der Paolo von Sergio Vitale, wo hingegen Andrea Pellegrini (Pietro) mit klangvollem Bass aufhorchen ließ. Federico Veltri und Alessia Panza ergänzten verlässlich.
Große, berechtigte Begeisterung vor allem für Mariotti, Golovatenko und Pertusi.
Eva Pleus 20.10.21
Bilder: Roberto Ricci / Teatro Regio di Parma