Aufführung 30.3.2014 (Premiere 21.3.2014)
Florenz im Doppelpack am Teatro Regio
Die diese zu einem Diptychon vereinten Werke von Alexander Zemlinsky und Giacomo Puccini umspannende Klammer ist natürlich zunächst Florenz als Ort der Handlung, aber auch eine verwandte Tonsprache, die in ihrer Modernität die Spätromantik überwunden hat, sich aber auch der Atonalität und der Zwölftontechnik verweigert. Somit war es eine brillante Idee des Turiner Opernhauses, die beiden Einakter zusammenzuspannen.
Für beide Stücke war dasselbe leading team tätig: Bei Zemlinsky war ein mit Hauptbüchern für den Händler Simone gefülltes Zimmer zu sehen, durch dessen Fenster, während sich die Dramatik der Handlung immer mehr zuspitzt, langsam die im Textbuch erwähnten Mondstrahlen dringen. Für Puccini war ein mit schwerem, quasi altdeutschem Mobiliar eingerichtetes Zimmer zu sehen (Bühnenbild: Saverio Santoliquido und Claudia Boasso, Beleuchtung und Video-Effekte: Vladi Spigarolo). Die modernen, durchaus angemessenen Kostüme (Frack bzw. elegantes Négligé im ersten Teil, undefinierbar moderne Kleidung und teils erheiternd bizarre Perücken im zweiten) stammten von Laura Viglione.
Ausgezeichnet war auch die Regie von Vittorio Borrelli, der die Sänger bei Zemlinsky wie unter elektrischer Spannung stehen ließ (wobei auch die vom Fechtmeister Luca Zilovich einstudierte Duellszene besonders hervorgehoben sei). Bei Puccini hatte der Regisseur seine Sänger zu höchst individuellem, unterhaltsamem Spiel angehalten, das ohne billige Gags ausgesprochen erheiternd umgesetzt wurde. Dass Rinuccio Buosos Testament ausgerechnet im Bett des Verstorbenen unter der Matratze findet, war ein weiterer netter Einfall.
Stefan Anton Reck erwies sich als idealer Sachwalter für Zemlinsky. Unter seinen formenden Händen blühte die Musik in authentisch expressionistischem Taumel, und das Orchester des Hauses spielte sie mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre sie sein täglich Brot. Sozusagen braver geriet die Interpretation bei Puccini, manches hätte noch beißender, schärfer klingen dürfen, aber es war in jedem Fall eine gute Interpretation.
Die zentrale Rolle des betrogenen Ehemanns Simone in der „Florentinischen Tragödie“ wurde von dem farbigen Bariton Mark S. Doss mit bester Diktion eindringlich verkörpert. Ich hatte den Sänger in Rollen des laufenden Repertoires bisher nicht sehr geschätzt, aber hier, wo es um eindringliches und stimmlichen Nachdruck forderndes Deklamieren ging, war er richtig am Platz. Ähnliches kann von Zoran Todorovich gesagt werden, der bei Komponisten wie Verdi zu keinem Legato findet. Hier war er bestens eingesetzt und schickte seine Stentortöne überzeugend in den Raum. (Wäre die Rolle länger, hätte durchaus auch hier Ermüdung eintreten können). Am wenigstens zu singen hat die ungetreue Gattin Blanca, die von Ángeles Blancas Gulín nicht sehr wortdeutlich, aber mit der richtigen sinnlichen Ausstrahlung gegeben wurde.
Geradezu luxuriös war die Besetzung der Hauptrollen bei Puccini: Francesco Meli, immerhin Salzburgs kommender Manrico, sang einen Rinuccio der Extraklasse, wird die Rolle doch meist nolens volens mit weißen Piepsern besetzt. Dazu ist „Firenze è un albero fiorito“ eine undankbare, aber schwierige Arie. Das gilt nicht für Laurettas populäres „O mio babbino caro“, das von Melis Gattin im Privatleben, Serena Gamberoni, jedenfalls entzückend und klarstimmig gesungen wurde. In der Titelrolle war Alessandro Corbelli zu bewundern, der dem pfiffigen Florentiner rührend väterliche Züge verlieh und stimmlich überzeugte, ohne zu forcieren oder in allzu starke Karikatur zu verfallen. Als Zita, die kämpferischste von Buosos Erben, überzeugte Silvia Beltrami, und aus den zahlreichen Vertretern der übrigen Sippschaft seien zumindest der Bass Gabriele Sagona als Simone, der doch einmal Bürgermeister in Fucecchio war, und Fabrizio Beggi als der ärmliche Verwandte Betto di Signa hervorgehoben. Stimmlich aus dem Rahmen fielen nur die sirenenartigen Töne von Laura Cherici als Ciesca.
Riesenerfolg für beide Teile dieses letzten Abends der Serie.
Eva Pleus
Photos: Ramella&Giannese ©Teatro Regio Torino