Bonn: „Hairspray“, Marc Shaiman

© Bettina Stöß

Wer sich im Theater für schwungvolle Unterhaltung interessiert, die – angereichert mit einer guten Prise Humor – dennoch eine wichtige Botschaft vermittelt, kommt derzeit um einen Besuch im Theater Bonn nicht herum. Am vergangenen Wochenende feierte dort das Broadway-Musical Hairspray Premiere, basierend auf dem Filmklassiker von John Waters aus dem Jahr 1988. Bekannter ist heute vielleicht eher die Verfilmung des Musicals aus dem Jahr 2007, in der unter anderem John Travolta, Michelle Pfeiffer, Christopher Walken, Zac Efron und Nikki Blonsky in den Hauptrollen zu sehen sind. Sozusagen vom Film auf die Bühne und wieder zurück auf die Leinwand, eine Konstellation, die mittlerweile immer häufiger anzutreffen ist. Grund für die Neuverfilmung dürfte auch der anhaltende Erfolg des Musicals gewesen sein. Zwischen 2002 und 2009 fanden im Neil Simon Theatre über 2.500 Aufführungen statt. Bei den Tony-Awards 2003 wurde Hairspray in 13 von 15 möglichen Kategorien nominiert und gewann schließlich acht Trophäen, darunter unter anderem bestes Musical, bestes Musical-Libretto und beste Originalmusik.

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Die Handlung spielt 1962 in Baltimore und dreht sich um Tracy Turnblad, die davon träumt, eines Tages in der angesagten Corny Collins Show, einer Tanzshow im nationalen Fernsehen, aufzutreten. Leider entspricht sie nicht dem gängigen Schönheitsideal, was ihr die Produzentin der Show unmissverständlich zu verstehen gibt. Außerdem möchte diese die Show auch dazu nutzen, um die Karriere ihrer eigenen Tochter voranzutreiben. Doch Tracy gibt so schnell nicht auf und setzt sich mit ihrem Tatendrang auch noch gegen Rassentrennung und für die Rechte farbiger Tänzer ein. Marc Shaiman hat zu dieser Geschichte wunderbare Songs komponiert, die die 60er Jahre wieder lebendig werden lassen. Mit Good Morning Baltimore und You can’t stop the beat gibt es am Anfang und am Ende des Musicals zwei echte Ohrwürmer, die noch lange nach dem Besuch im Ohr bleiben. Musikalisch begleitet wird das Musical in Bonn von einer 15-köpfigen Band unter der hervorragenden Leitung von Jürgen Grimm. Grimm, der sich in den letzten Jahren durch die musikalische Leitung unzähliger Musicalproduktionen einen Namen gemacht hat, ist in Bonn ebenso kein Unbekannter wie Erik Petersen, der sicherlich zu den derzeit besten Regisseuren im Bereich des Musicals zählt. Seine Inszenierung von Hairspray überzeugt vor allem durch die Verbindung der humorvollen Geschichte mit nachdenklichen Momenten, ohne dass diese aufgesetzt oder mit erhobenem Zeigefinger vorgetragen werden. Im Gegenteil, die Inszenierung entfaltet eine große Wirkung, weil sie sehr menschlich ist.

© Bettina Stöß

Gelungen ist auch das Bühnenbild von Dirk Hofacker, der sich auch für die farbenfrohen Kostüme verantwortlich zeichnet. Im Hintergrund ist die Skyline von Baltimore zu sehen, davor ist die Band untergebracht. Ansonsten spielt das Stück vor allem in einer überdimensionalen Einkaufswelt der 60er Jahre. Zwei drehbare Zylinder beherbergen die verschiedenen Schauplätze wie den Waschsalon von Mrs. Turnblad, den Scherzartikelladen ihres Mannes, ein Fernsehgeschäft oder einen Friseursalon. Für die Szenen der Corny Collins Show wird immer wieder eine kleine Showtreppe hereingefahren. Da die Bühne ohne Orchestergraben bespielt wird, ist der Zuschauer sehr nah am Geschehen, was besonders bei den großartigen Choreographien (Sabine Arthold) und den großen Gruppenszenen beeindruckend ist.

© Bettina Stöß

Die Besetzung des Musicals ist absolut hochkarätig und lässt keine Wünsche offen. Mit spielstarken und spielfreudigen Darstellern wie Enrico De Pieri (Edna Turnblad), Mark Weigel (Wilbur Turnblad), Mathias Schlung (Corney Collins und weitere kleinere Rollen) oder Fin Holzwart (Link Larkin) überzeugt die Produktion auf ganzer Linie. Besonders das Eheduett zwischen Edna und Wilbur wird von De Pieri und Weigel ganz wunderbar umgesetzt. Hinzu kommen mit Kerstin Ibald (Produzentin Velma Van Tussle), Yannick-Muriel Noah (Motormouth Maybelle) und Antonia Tröstl (in der Hauptrolle der Tracy Turnblad) drei Damen, die stimmlich ihre jeweils ganz eigene Klangfarbe in das Musical einbringen. Auch alle anderen Rollen sind bis in die kleinste Nebenrolle stark besetzt und selbst der Jugendchor des Theater Bonn fügt sich sehr harmonisch in die Produktion ein. Eine solche Besetzung erlebt man selten und so ist es auch nicht verwunderlich, dass das anwesende Premierenpublikum im nahezu ausverkauften Opernhaus am Ende gar nicht mehr aufhören wollte zu applaudieren. Dem Theater Bonn ist hier ein ganz großer Wurf gelungen. Auch wenn die Spielzeit gerade erst begonnen hat, wird diese Produktion am Ende in vielen Rankings ganz weit oben stehen. Unbedingt ansehen und immer daran denken: „Niemand stoppt den Beat.“

Markus Lamers, 23. Oktober 2024


Hairspray
Musical
von Marc Shaiman (Musik und Texte), Scott Wittman (Texte), Mark O’Donnell (Buch) und Thomas Meehan (Buch)

Theater Bonn, Opernhaus

Premiere: 20. Oktober 2024

Inszenierung: Erik Petersen
Musikalische Leitung: Jürgen Grimm

Trailer

Weitere Aufführungen: 27. Oktober / 1. November / 3. November / 9. November / 29. November / 23. Dezember / 27. Dezember 2024/ 5. Januar / 8. Januar / 9. Januar / 1. Februar / 6. Februar / 12. Februar / 29. März / 3. April / 21. April 2025