Premiere: 26.01.2019
„Die Gespräche der Karmeliterinnen“ scheint fast so etwas wie die Oper der Stunde zu sein, steht das Werk von Francis Poulenc doch derzeit auf dem Spielplan zahlreicher Theater im In- und Ausland. Doch in Krefeld geht die Geschichte bedeutend weiter zurück in die Vergangenheit, denn ursprünglich sollte diese Oper bereits im Jahr nach ihrer Premiere (26.01.57 an der Mailänder Scala) an den Niederrhein kommen, was seinerzeit dann doch nicht umgesetzt werden konnte. Nun ist das Werk schlussendlich gute 60 Jahre später erstmals an diesem Hause zu sehen und man ist geneigt zu sagen: „Gut Ding will Weile haben.“ Zum Inhalt dieser dramatischen Oper soll an dieser Stelle dann auch – da wahrscheinlich allgemein bekannt – nicht viel gesagt werden. Wenden wir uns stattdessen gleich der Umsetzung des Stoffes am Gemeinschaftstheater Krefeld-Mönchengladbach zu, denn die hat es wahrlich in sich.
Star des Abends ist hier das Ensemble samt großartigem Chor, der unter der Einstudierung von Michael Preiser an diesem Abend zeigt, was in ihm steckt. Der Damenchor ist zudem auch als Orden optisch stark vertreten, während der Männerchor vom Rang den Zuschauerraum eindrucksvoll beschallt. In der Schlussszene, in der nach und nach eine Ordensschwester beim „Salve Regina“ verstummt, findet diese Chorleistung dann ihren Höhepunkt. Doch auch die Solisten, bis auf zwei Ausnahmen erneut komplett mit dem hauseigenen Ensemble besetzt, zeigen einmal mehr die Stärke dieses Hauses. Und irgendwie möchte man Kerstin Brix auch noch immer nicht wirklich als Gast einordnen, hat sie in Krefeld und Mönchengladbach doch schon oft das Publikum begeistert. So auch bei dieser Premiere, denn in der Rolle der Priorin sitzt nicht nur jeder Ton, nein, sie spielt hier mit einer Intensität, die ihres Gleichen sucht. So ist es nicht verwunderlich, dass das Krefelder Publikum ihr am Ende begeisternden Beifall spendet. Und auch Sophie Witte zeigt als Blanche einmal mehr, dass sie auch die ganz großen Rollen mit einer scheinbaren Leichtigkeit auf die Bühne bringen kann. Auch hierfür gab es großen Beifall. Allgemein schien es fast so, als wollte sich das Krefelder Publikum die Wucht der Inszenierung, hierzu später mehr, nach rund 2 ½ fesselnden Stunden regelrecht orkanartig vom Leibe klatschen.
Aber wie eingangs bereits erwähnt, den Applaus hat sich jeder Akteur hier auch wahrlich verdient. Eigentlich möchte man an dieser Stelle nun alle Darsteller namentlich erwähnen, sei es Eva Maria Günschmann als Novizenmeisterin Mère Marie oder Janet Bartolova als neue Priorin, David Esteban als Chevalier de La Force oder (als zweiter Gast an diesem Abend) Mathieu Abelli in der Rolle des Vaters. Besonders erwähnenswert zweifellos noch Panagiota Sofroniadou aus dem Krefelder Opernstudio, der selbst die Bild-Zeitung laut Pressespiegel im Theaterfoyer eine große Zukunft vorhersagt. Auch wenn dort vielleicht nicht das fachmännischste Journalistenteam in Sachen Oper arbeiten mag, hier kann man dem Boulevard ausnahmsweise mal zustimmen. Liebe Opernfreunde, merkt euch diesen Namen, denn wer die Novizin Soeur Constanze mit solch einem schönen Sopran versieht ist in der Ausbildung weit fortgeschritten. Und auch in den für eine Oper vergleichsweise recht vielen kleineren Rollen passt bei dieser Inszenierung einfach alles.
Doch was wären all diese wunderbaren Darsteller ohne die Musik. Unter der Leitung von GMD Mihkel Kütson spielen die Niederrheinischen Symphoniker in großer 10er-Besetzung kraftvoll und intensiv, aber niemals zu laut, obwohl das Orchester bei dieser Inszenierung auf der Hinterbühne seinen Platz findet. Den Geschwistern Rebecca und Beverly Blankenship war in ihrer Inszenierung sehr daran gelegen, das Publikum ganz tief in diesen Abend „hineinzuziehen“ und so für eine noch stärkere Intensität zu sorgen. Dies gelingt sehr gut, auch durch das Bespielen der vorderen Bühne, ein Bereich der bei Operninszenierungen in der Regel für den Orchestergraben geblockt ist. So ist der Zuschauer in diesem Fall noch näher am Geschehen, verstärkt wird dieser Effekt durch die bereits erwähnten Chorgesänge vom Rang und einer sehr schönen Ausleuchtung der Theaterdecke in bestimmten Szenen. Allgemein finden die beiden Regisseurinnen immer wieder starke Bilder, die fast komplett ohne Requisiten auskommen. Bühnenbildner
Christian Floeren schuf ein quadratisches Spielpodest, auf dem sich fast die gesamte Handlung abspielt und auf dem Akt für Akt eine Guillotine aus dem Boden emporsteigt.
Lediglich im dritten Akt befinden sich rechts und links von diesem Podest zwei Treppenaufgänge und die Bilder von 16 Frauen, die wie seinerzeit die 16 namentlich bekannten Karmeliterinnen bereit waren, für ihre Überzeugung in den Tod zu gehen. Auch im Foyer sind diese Bilder zu finden, samt kleinerer Biographien der Damen. Ein durchaus interessanter Regieansatz, der aber trotz der großen Bedeutung für diese Inszenierung dennoch nicht übermäßig präsent ist. Ein positives Beispiel für einen interessanten interpretatorischen Ansatz, ohne hierbei die eigentliche Geschichte zu sehr zu verbiegen. So sind auch die Kostüme von Gerti Rindler-Schantl direkt der Zeit der französischen Revolution zuzuordnen.
Ein alles in allem sehr überzeugender Theaterabend und ein musikalischer Leckerbissen, den uns das Theater Krefeld hier präsentiert, auf solch einen Abend wartet man dann auch gerne ein paar Jahre länger.
Markus Lamers, 28.01.2019
Bilder: © Matthias Stutte