Aufführung am 24.06.2018
Hatte das Tiroler Landestheater (TLT) schon in der Intendanz von Brigitte Fassbaender in der österreichischen Opernwelt für bemerkenswertes Musiktheater gesorgt, so geht der positive künstlerische Trend mit dem Intendanten Johannes Reitmeier offenbar weiter. Schon im Mai 2016 hatte er einen äußerst interessanten und schlüssigen „Tannhäuser“ inszeniert (hier besprochen). Mit seiner Dramaturgin Susanne Bieler gelang Reitmeier diesmal eine dramaturgisch und szenisch eindrucksvolle Neuentdeckung des „Rienzi“, dieses ersten erfolgreichen Werks von Richard Wagner. Immerhin hat ihm der Mitte des 19. Jahrhunderts federführend in Paris tätige Komponist Giacomo Meyerbeer durch ein Empfehlungsschreiben an den Intendanten des Königlichen Hoftheaters Dresden im Oktober 1842 zur dortigen UA des Werkes verholfen. Wagner hatte dann den „Rienzi“ dennoch, auch nach vielen Änderungen und vor allem Kürzungen, mit dem Bayreuth-„Bann“ belegt. Er war ihm unter anderem zu sehr im Stile der Meyerbeerschen Grand Opéra geschrieben.
Reitmeier einigte sich mit dem Musikalischen Leiter Lukas Beikircher, der das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck mit viel Verve und Gefühl für die intimen Stellen dirigierte, auf sinnvoll ausgewählte Striche. Er schaffte somit eine Straffung der Handlung, die dem Zuschauer die Figuren sehr viel näher brachte, weil sie die persönlichen Schicksale von Cola Rienzi, Adriano, Irene sowie den Colonnas und Orsinis in den Mittelpunkt stellte. Dieses Konzept ging auch in den optisch eindrucksvollen und dramaturgisch sinnvollen Bühnenbildern von Thomas Dörfler und mit der exzellenten Lichtregie von Ralph Kopp voll auf. Sie zeigten im Wesentlichen drei immer wieder changierende Geschlechtertürme, die für die Antike, das Mittelater und die faschistoide Architektur des 20. Jahrhunderts stehen. Sie sind mit Treppen für die Auf- und Abgänge der Protagonisten sowie die Aufmärsche der manipulierbaren und hier sicht- und hörbar manipulierten Volksmassen versehen. Nicht zuletzt durch die Kostüme von Antje Adamson ergab sich so eine zeitlose Ästhetik mit einem gewissen Schwerpunkt in der Gegenwart, aber auch mit Referenzen an das Alte Rom und gar Napoleon Bonaparte.
Warum Napoleon Bonaparte? Schon zu Beginn der Ouvertüre sehen wir, wie Rienzi vor dem Riesenabbild des französischen Kaisers sich in dessen Ornat selbst die Krone aufsetzt, während seine Schwester Irene von den Orsinis auf brutalste Art und Weise verschleppt wird. Reitmeier zeigt sodann, wie der in völliger Selbstüberschätzung von der Realität abhebende Volkstribun immer mehr das Vertrauen der Römer Bürger verliert und schließlich gar seine eigenen Ideale verrät. Dieser persönlichen Eindimensionalität stellt der Regisseur den sich ständig verändernden Adriano entgegen als einen politischen Heißsporn, ja einen am Ende in sich zerrissenen Menschen. Irene ist die stets treu zu ihrem Bruder haltende milde Schwester, die deshalb auch der Liebe zu Adriano entsagt. Die Spannungen in diesem Personendreieck werden mit exzellenter Personenregie nachvollziehbar und zeitweise aufregend heraus gearbeitet. Die Colonnas und Orsinis treffen sich hingegen zu ihrer Verschwörung gegen Rienzi wie zwei Mafia-Familien im Film „Der Pate“ von Francis Ford Coppola.
Jennifer Maines, schon im „Tannhäuser“ eine beeindruckende Venus, gab mit einem perfekt geführten helleren Mezzosopran einen intensiven und die Wechselbäder seiner Gefühle einnehmend darstellenden Adriano, als Hosenrolle natürlich. Josefine Weber, damals die Elisabeth, bestach durch ihren in allen Lagen klangvollen Sopran und beste Diktion. Joachim Seipp sang den Orsini mit farbigem Bariton. Johannes Maria Wimmer konnte hingegen mit seinem allzu resonanzlosen Bass und einer zu sehr auf Kraft ausgelegten Gesangstechnik als Colonna stimmlich nicht überzeugen. Noch weniger gelang das Marc Heller als Rienzi, der für Torsten Kerl als Zweitbesetzung auftrat. Sein Tenor war der Partie nicht gewachsen. Die Stimme klingt verquollen und ist in den Höhen belegt, was er immer wieder mit Kraftgesang zu kompensieren versuchte. Dafür stellte er den Niedergang des Volkstribuns eindrucksvoll dar. Immer wieder schwebte ihm Napoleon Bonaparte vor, den er offenbar nachzuahmen versuchte und den man in kleinen bildlichen Referenzen auch in entsprechenden Situationen auf der Bühne sah. Im finalen großen Monolog „Allmächt’ger Vater…“ konnte Heller auch stimmlich einigermaßen überzeugen. Der junge isländische Bassist Unnsteinn Árnason sang mit klangvollem Bass einen Respekt gebietenden päpstlichen Legaten Raimondo. Florian Stern als römischer Bürger Baroncelli und Alec Avedissian als Cecco del Vecchio ergänzten das Ensemble ansprechend. Chor, Extrachor und Kinderchor des TLT unter der Leitung von Michel Roberge leisteten sängerisch und auch choreographisch Bestes, ebenso wie die fantasievoll geführte Statisterie des TLT.
Am Ende steht für Rienzi, Irene und Adriano die Lynchjustiz… Ein grausames Ende, aber auch ein ausgezeichneter „Rienzi“ am TLT, der auf weitere interessante Interpretationen nicht nur im Wagner-Fach im schönen Innsbruck hoffen lässt.
Copyright; Rupert Larl/ Tiroler Landestheater
Klaus Billand 8.8.2018