Zu dem Etikett einer kolportierten „festspielreifen“ Neuinszenierung passt am ehesten der Vergleich mit dem dritten Akt der „Meistersinger“, wo das Volk und Kinder auf der Festspielwiese ähnlich „herumwuseln“. Als ein „Märchen für Erwachsene“ aufgefasst entbehrt die Lesart von Regisseur András Almási-Tóth jeglicher Sinnlichkeit, abgesehen von zaghaften Umarmungen zwischen Elsa und dem Schwanenritter. Apropos Schwan: in dieser Produktion gibt es davon gleich drei. Einen „weißen“ für Elsa und Lohengrin und einen „schwarzen“ für Telramund und Ortrud, beide maskiert und mit bocksförmigen Hosen bekleidet.

Diese beiden bestreiten auch stellvertretend für Lohengrin und Telramund den Kampf. Der dritte Schwan hält sich im Hintergrund, bis er zur Abreise von Lohengrin herbeigeholt wird und schließlich als Gottfried eine neue Ära verheißt. Als erlösende Hoffnungsgestalt darf dieser neue Herrscher von Brabant allerdings bereits während der Ouvertüre in Erscheinung treten. Der Regisseur ist also an einer chronologischen Erzählung der Geschichte nicht so sehr interessiert? Das Bühnenbild von Sebastian Hannak zeigt eine zur Bühne hin offene Halle, die britischen Kaufhäusern des 19. Jhd. mit ihren Metallkonstruktionen in Gold nachempfunden sein mag. Eine große Brücke im Vordergrund dient dem Auftritt der Protagonisten, eine Galerie jenem des Chores. Krisztina Lisztipád entwarf die eleganten Kostüme der Männer mit ihren britischen Top-Hats und die vor allem bunten Kostüme eines Teiles des Damenchores, während der andere Teil völlig in grün gewandet an eine illustre Jagdgesellschaft erinnerte. Den 2. und 3. Akt dominiert eine bühnenbreite Box mit einer schwarzen Seite für das Intrigantenpaar mit Video-Überwachungskameras und Flachbildschirmen. Zur Rechten das goldene Schlafzimmer für Elsa und Lohengrin. Wobei wir bei der Besetzung der Hauptpartien angelangt sind. Zusammengefasst kann man sagen, dass die rein ungarische Besetzung am Vormittag des 16.11., die auch vom ungarischen Fernsehen aufgezeichnet wurde, über weite Strecken besser war als die mit internationalen Gästen gespickte und im Vorfeld bereits gehypte Aufführung des Vorabends.

Dem 1991 geborenen US-amerikanischen Tenor Christopher Sokolowski wird vorausgesagt, der “neue“ Jonas Kaufmann zu sein. Doch da liegen noch Welten dazwischen. Mag er auch jung und in silberner Ritterrüstung attraktiv und charismatisch erscheinen, so überzeugte sein Heldentenor lediglich im Forte. In den Pianostellen hörte sich seine Stimme stark verquollen an. Kein Vergleich zu Szabolcs Brickner in der Titelpartie, der den Lohengrin höhensicher sowohl im forte als auch in den Pianostellen sang. Johanni van Oostrum fiel durch markige bisweilen auch schrille Spitzentöne auf, im Gegensatz zu Klára Kolonits mit angenehmem Timbre. Judit Kutasi war eine kraftvoll und mit schönem Mezzotimbre singende Ortrud, während Szilvia Ráliks eher heller Sopran eine gewisse Schärfe an manchen Stellen nicht verbergen konnte. Der lettische Bassbariton Egils Siliņš glänzte als Telramund mit seiner unverkennbaren kraftvollen Stimme und perfekten Diktion gegenüber dem ungarischen Bariton Károly Szemerédy, dem es für die erforderliche Verschlagenheit der Rolle etwas an bedrohlicher Tiefe der Stimme fehlte. Kostas Smoringinas sang den Heerrufer in beiden Aufführungen, der am Ende der Oper durch Ermordung von König Heinrich gemeinsam mit Gottfried einen Regierungswechsel herbeiführt.

Der australische Bassbariton Derek Welton sang den König mit einem eher hellen Timbre, während sein ungarischer Kollege, der Bass András Pallerdi, seine Rolle mit majestätischer Tiefe ausfüllte. Die vier brabantischen Edlen wurden von Mitgliedern des Opernstudios kraftvoll interpretiert. Der junge Dirigent und Assistent von Ádám Fischer, Martin Rajna, leitete das Orchester der ungarischen Staatsoper mit großer Wagner-Kenntnis und gestaltete ein homogenes, spannendes Klangbild. Der von Gábor Csiki geleitete Chor der ungarischen Staatsoper sang auf bekannt höchstem Niveau, während der von Nikolett Hajzer einstudierte Kinderchor eigentlich entbehrlich war.
Zwei große Aufführungen knapp hintereinander endeten mit großen Beifallsbekundungen seitens des Publikums, denen sich der Rezensent nur bedingt anschließen konnte.
Harald Lacina, 18. November 2025
Lohengrin
Richard Wagner
Ungarische Staatsoper Budapest
Premiere: 15. November 2025 (Internationale Besetzung)
Premiere: 16. November 2025 (Ungarische Besetzung)
Regie: András Almási-Tóth
Dirigat: Martin Rajna
Orchester der ungarischen Staatsoper