Linz: „Sister Act“

Ein Hit für das breite Publikum

Den Filmhit gleichen Namens aus dem Jahr 1992, mit Whoopi Goldberg in der Hauptrolle, kennt vermutlich jeder. Die Musicalversion von Sister Act, die seit 10 Jahren um die Welt geht und bereits mehr als sieben Millionen Menschen begeistert hat, war schon 2011 im Ronacher in Wien zu sehen, allerdings, wie im internationalen Musicalbusiness üblich, in exakt umgesetzter Originalinszenierung. Den geschickten Verhandlern der Linzer Musicalsparte ist es wieder einmal gelungen, die Rechte für eine österreichische Non-Replica-Produktion zu erwerben: Wie machen die das nur?

Die Inszenierung von Andreas Gergen, mit der Choreographie von Kim Duddy und im Bühnenbild von Walter Vogelweider, ist daher tastsächlich sowohl einmalig wie auch einzigartig. Wer genau diesen Sister Act erleben will, muss also unbedingt nach Linz fahren. Das kann freilich nur wärmstens empfohlen werden.

Die Handlung ist bekannt und stimmt mit der filmischen Vorlage weitgehen überein. Es geht um eine junge Disco-Sängerin namens Deloris Van Cartier (Künstlername!), die im Zuge eines Zeugenschutzprogramms in einem Nonnenkloster Unterschlupf findet und dort bald als unkonventionellen Chorleiterin den klösterlichen Alltag ihrer Mitschwestern gehörig aufmischt, in dieser Umgebung aber auch erstmals echte Freundschaft und Gemeinschaft erfahren wird. Während man bei der Filmmusik auf bereits bekannte, nur etwas aufgefrischte Hits zurückgegriffen hatte, wurde für das Musical eigens Alan Menken engagiert, der Haus- und Hofkomponist des Walt Disney Konzerns, bekannt für Kompositionen u.a. für Traumfabrik-Musicals wie Arielle, die kleine Meerjungfrau, Die Schöne und das Biest, Der Glöckner von Notredame und Aladdin. Seine Songs sind, wie nicht anders zu erwarten, bestens geeignet für eine unangestrengte, kurzweilige und amüsante Unterhaltung für die ganze Familie. Richtige Ohrwürmer wird man vergeblich suchen, aber die Musik funktioniert perfekt und gibt den fabelhaften Solisten und dem exzellent gecasteten Chor genug Gelegenheiten für effektvoll choreographierte Auftritte.

Die afroamerikanisch geprägte Soul-Musik, aus Rhythm ’n‘ Blues und Gospel, in den späten 50-er und in den 60-er Jahren entstanden, bildet die Grundlage der meisten Nummern. Die Handlung spielt allerdings im Jahr 1977, als der Höhepunkt des Soul schon zu Ende und Disco-Music à la Donna Summer in ihrer besten Blüte war. Auch davon finde sich einige geschickt eingebunden Anklänge. Bei den Chören hätte man sich zuweilen etwas weniger Soul und etwas mehr Gospel gewünscht. Wer je erlebt hat, wie zündend und mitreißend Gospelmusik in einer Kirche in den Südstaaten der USA klingt, weiß, wovon hier die Rede ist. Aber auch so funktioniert diese Kirchen-Disco-Musik ziemlich gut.

Die aus Kapstadt gebürtige Tertia Botha ist eine sympathische, quicklebendige Sängerin Deloris Van Cartier, deren anfängliches Disco-Tussy-Image im Kloster eine grundlegende Veränderung erfährt. Auch Daniela Dett erlebt als auf Würde bedachte Schwester Oberin eine Umwandlung und wird, was die strikten Regeln in ihrem Haus betrifft, allmählich eine Spur toleranter und liberaler. Berührend ihre Anrufung Gottes, von dem sie erfahren will, warum sich immer mehr Menschen von der Kirche abwenden und für ihre spirituelle Bedürfnisse anderweitig eine Erfüllung suchen. Von derartigen Skrupeln weit entfernt ist ihr Vorgesetzter, Monsignore O’Hara, der gern bereit wäre, die anfangs kaum noch besuchte und baufällig gewordene Kirche samt Kloster an finanzkräftige russische Investoren zu verkaufen, dann aber mit Freude konstatiert, dass man mit der Kirche auch als Showbusiness Geld verdienen kann. William Mason zeichnet ein köstliches Porträt dieses kauzig-klapprigen, ältlichen Kirchenmannes, der schließlich begeistert mittanzt, mitsteppt und mitsingt. Kein Wunder, der Nonnenchor wird in den Medien gefeiert und erhält sogar eine Einladung in den Vatikan. Die Kirche ist inzwischen längst architektonisch aufgemotzt, inklusive Discokugel in der Höhe.

Feine Charakterstudie liefern Viktoria Schubert als bärbeißig-humorvolle Mary Lazarus die Vorgängerin von Deloris als Chorchefin, sowie Hanna Kastner als Schwester Mary Roberts, eine Postulantin, die als solche noch vor ihrer endgültigen Aufnahme in den Orden steht, zunehmend verunsichert wird und sich fragt, ob sie sich auf dem richtigen Weg befindet. Wie sie, die Schüchterne und Verlegene, den Mut für klare Worte aufbringt, geht ebenso unter die Haut wie die herrlich naive, ebenso unerschütterliche wie ansteckende Begeisterung für das gottfröhliche Nonnenleben, die Sanne Mieloo als Mary Patrick ausstrahlt.

Schließlich treten im Musical – neben dem Herrn Monsignore – natürlich auch noch so „richtige Männer“ in Erscheinung. Wenn Joey (David Arnsberger), TJ (Lukas Sandmann) und Pablo (Christian Fröhlich), Gefolgsleute des schmierigen Unterweltbosses Curtis Jackson (Karsten Kenzel), davon träumen, wie sie die Nonnen mit ihrer jeweiligen Masche umgarnen und so dazu bringen werden, ihnen den Aufenthaltsort von Deloris zu verraten, bleibt kein Auge trocken. Gernot Romic, als der um das Wohl von Deloris bemühte Polizist Eddie Fritzinger, entwickelt sich von einem etwas gehemmten jungen Mann – er hat Deloris schon in der Schulzeit heimlich bewundert, wurde von ihr aber nur stets als „Schwitze-Fritze“ bezeichnet – in einen Mann, der im rechten Augenblick, als Curtis Deloris erschießen will, seine Hemmung ablegt, die Dienstwaffe zieht und den Angreifer außer Gefecht setzt. Das Happy-end ist gesichert.

Standing Ovations und ryhthmisches Mitgeklatsche gibt es auch bei dieser Aufführung. Dem Linzer Musiktheater ist mit Sister Act – unter der musikalischen Leitung von Tom Bitterlich an der Spitze der im Programmheft als „Sixtinischen Kapelle“ bezeichneten Rockband mit Blechbläser-Erweiterung – offensichtlich ein echter Publikumshit gelungen. Nicht unbedingt etwas für puristische Musicalfans, aber immerhin ein brauchbares Familienmusical für das breite Publikum.

Bilder (c) Barbara Palffy

Manfred A. Schmid, 27.12.2019

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