Piacenza: „La forza del destino“

Aufführung am 20.1.19 (Premiere am 18.1.)

Sehr beeindruckend

Giuseppe Verdis Oper über die „Macht des Schicksals“ wird nicht allzu oft gegeben, weil einerseits fünf erstklassige Stimmen gebraucht werden, das Werk mit seiner Länge und seinen Szenenwechseln andererseits sehr aufwendig zu inszenieren ist. Umso höher ist es Cristina Ferrari, der tüchtigen künstlerischen Leiterin des Hauses in Piacenza, anzurechnen, mit den gleichfalls in der Region Emilia gelegenen Theatern in Reggio Emilia und Modena eine Koproduktion auf die Beine gestellt zu haben.

Wo das Geld knapp ist, regiert die Phantasie, und so ließ sich Regisseur Italo Nunziata von dem in Italien lebenden finnischen Künstler Hannu Palosuo Gemälde entwerfen, die im Hintergrund die jeweilige Szene kennzeichneten, wie etwa eine A rt Luster für das erste Bild und Kreuzigungsansichten für die Klosterszenen. Wo es keine Gemälde gab, genügte ein schlichtes Kreuz von Bühnenbildner Emanuele Sinisi, der auch zeigte, wie vielfältig ein langer Tisch eingesetzt werden kann, diente er doch nicht nur als Schreibtisch im 1. Bild, sondern wurde auf ihm das Essen in der Schenke aufgetragen, der verletzte Alvaro auf ihn gebettet oder er stand Preziosilla für ihre Aufrufe und Melitone für die Essensausgabe zur Verfügung. Sonst genügten ein paar Stühle und Sandsäcke – et voilà! Nicht immer so geglückt waren die Kostüme von Simona Morresi: Die Militärjacke des korpulenten Don Carlo mit einem Gürtel in Form eines schmalen Bandes zusammenzuhalten, war keine gute Idee, ebenso wie sein bürgerliches Outfit beim großen Duett im vorletzten Bild. Und schön anzuschauen, aber eben allzu schön waren die Kostüme des Damenchors, wenn vazierendes oder bettelndes Volk darzustellen war. Der Rest ging in Ordnung, wie auch die Regie von Nunziata, der die Massen geschickt bewegte, die Sänger singen ließ und ein paar gute Ideen hatte, wie etwa den Diebstahl von kirchlichen Paramenten und Kerzenleuchtern seitens der Soldateska, die Melitone bei seiner Predigt wütend wieder an sich riss. Zur Ballettmusik tanzte Preziosilla mit Soldaten, was wesentlich natürlicher wirkte als die üblichen Balletteinlagen. Die Verlegung der Handlung in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte weiter keine Auswirkungen.

Ausgezeichnet war, mit einer Ausnahme, die musikalische Seite: Nach einer schwungvoll musizierten Ouverture erwies sich der junge Francesco Ivan Ciampa als kompetenter Leiter des Orchestra Regionale dell’Emilia-Romagna, der das ohne die oft üblichen Striche aufgeführte Werk immer fest in der Hand hatte und auch gut auf die Sänger achtete. Der Coro del Teatro Municpale di Piacenza unter seinem Leiter Corrado Casati legte neuerlich Zeugnis von seinem vokalen Können und seiner szenischen Beweglichkeit ab.

Anna Pirozzi war mit auch in der Höhe immer besser angebundenem Spintosopran die zurecht gefeierte Leonora. Ein ausgezeichnetes Legato und berückendes Piano vervollständigten den Eindruck, sodass das begeisterte Publikum eine Wiederholung der „Pace“-Arie verlangte und auch erhielt. Wie Pirozzi beging auch Luciano Ganci als Alvaro ein gelungenes Rollendebüt; sein Tenor verfügt nunmehr über einen beeindruckenden squillo, doch protzt der Sänger nicht mit seiner Höhe, sondern ließ uns stets expressiv an Alvaros tragischem Schicksal teilnehmen. Die junge Rumänin Judit Kutasi, an der Scala bisher nur als Madelon und „Elektra“-Magd zu hören gewesen, bestach als Preziosilla mit einem besonders schön timbrierten Mezzo mit strahlender Höhe. Starken Eindruck hinterließ auch der Melitone von Marco Filippo Romano, der – stimmlich souverän – den Mönch nicht verblödelte, sondern eine interessante, frustrierte Figur auf die Bühne stellte. Marko Mimica sang die balsamischen Phrasen des Padre Guardiano schön, auch wenn sein gepflegter Bassbariton in der Tiefe recht schmal klang.

Als Marchese Calatrava klang der Bass von Mattia Denti recht knorrig, was aber zur Figur des unbeugsamen Vaters passte. Aufhorchen ließ Cinzia Chiarini als Curra; Marcello Nardis gab einen nachdrücklichen Trabucco, Juliusz Loranzi einen kraftvollen Alkalden und Chirurgen (die letztgenannten drei Rollen sind durch die strichlose Fassung ja aufgewertet). Einziger, aber leider ausgeprägter Schwachpunkt war der Bulgare Kiril Manolov als szenisch plumper und vokal rauher Don Carlo, dessen Bariton mehrfach zum Gicksen neigte. Für diese schwache Leitung musste er einige Buhs einstecken. Im Ganzen aber eine sehr erfreuliche Produktion, die lebhaft gefeiert wurde.

Eva Pleus 22.1.19

Bilder: Foto Cravedi