Bayreuth: Baynov-Piano-Ensemble

Steingraeber, Kammermusiksaal, 27.4.2022

Erst vor ein paar Tagen trat hier Alexandra Mikulska auf: mit einem Programm, das den Titel „Im Rausch des Tanzes“ trug. „Walzer, Galopp, Rag, Rhumba (!), Tango“, so lautet die Überschrift des Konzerts, das uns das Baynov-Piano-Ensemble ins Haus gebracht hat: mit Tomislav Baynov, Yanica Hristova, Jenia Lubenova-Keller und Sirma Velichkova.

Drei Damen und ein Herr? Das heißt: 8 Hände auf zwei Flügeln. Der Trossinger Musikhochschulprofessor hat, so erzählt er, immerhin und nicht weniger als ungefähr 350 Werke nachweisen können, die für zwei Klaviere zu acht Händen komponiert oder bearbeitet worden sind. Bei den sechshändigen Stücken (für einen Flügel) kommt er auf satte 400 Opusnummern. Aus diesem Repertoire spielt das Quartett am Abend einige der schönsten, tänzerischsten Stücke, wobei die Bearbeitungen überwiegen – aber mit Jeroen van Veens Goodbye Nokia bringt man sogar eine Uraufführung nach Bayreuth. Auch der Klaviergroßmeister Liszt fehlt nicht, dem wir 22 achthändige Werke verdanken: allesamt Eigenbearbeitungen (und die Wandererfantasie und die 9.). Mit dem von Henry Maylath bearbeiteten, notengetreu transkribierten Grand Galop Chromatique landen die Musikerinnen und der Herr am Klavier allerdings einen Coup: so sprudelnd und federnd kommt das lustige Stück. Lustig beginnt schon der Abend: mit Gounods Faust-Walzer, der einem die Lust eingibt, mal wieder die geniale Oper zu hören. Moritz Moszkowskis Valse brillante scheint geeignet für große Ballsäle, so symphonisch klingt der Tanz in den Raum – so orchestral also wie Entr‘acte und Walzer aus Eugen Onegin. Kein Zweifel: Das Quartett versteht sich quasi blind, wenn es nebeneinander sitzt und sich nach dem ersten, klassischen Teil in die Moderne begibt. Tuschewitzkis Piano al dente, eine Miniatursuite aus zwei Stücken, führt den Reigen der unkomplizierten, aber extrem gut gemachten Stücke an, die nichts weiter wollen als auf hohem Niveau gut unterhalten. Beginnt die Introduzione con fusione wie ein Übungsstück, das sich langsam entfesselt, so wird die Rumba al forno zu einem coolen wie melodisch wunderbaren Schlager. Jeroen van Veens Goodbye Nokia ist ein „Minimal Prélude“, damit ein wenig dem Canto ostinato vergleichbar, der hier vor ein paar Jahren zu hören war: eine nicht ganz minimalistische Minimal Music, die in diesem Fall die berühmte Nokia-Handy-Melodie variiert (übrigens ein Walzermotiv von Francesco Tarrega). Im Neunachtel- plus Vierachtelrhythmus spielen sie eine Art Zwiefachen; auch dem Publikum macht es hörbar Spaß – das ahnt, wie viel Arbeit hinter einer solchen gepflegten Gaudi steckt. Zum Schluss folgen Rag und Tango: konzertant aufgewertet und leicht verfremdet durch Kevin R. Olsons A Scott Joplin Rag Rhapsody (einem Originalwerk) und Astor Piazollas Libertango (für sechs Hände) – kein Wunder, dass nach diesen pianistisch exzellent gebrachten Unterhaltungsscoops zwei Zugaben die Rausschmeißer machen. William Gillocks wahrhaft spritzige original-originelle Champagne Toccata klingt so nostalgisch wie Tuschewitzkis Rumba al forno (man bekommt Lust, wieder mal eine Folge von Miss Fishers Murder‘s Mysteries anzuschauen). Und Carl Hauses Bravour-Galopp ist schließlich nur noch eins: der gelungene Abschluss eines Konzerts, in dem Brillanz, Witz, Virtuosität, tiefe Musikalität aufeinandertrafen und nicht zuletzt acht Hände aufeinander trafen.

Frank Piontek, 29.4.2022

Foto: ©Baynov-Piano-Ensemble