Baden: „Die schöne Helena “, Jacques Offenbach

Premiere: 21. Juni 2013

Es war ein Eröffnungsabend, wie man ihn sich erträumten konnte, ein heißer Tag mündete in einen milden Abend, das Dach der Badener Sommerarena konnte offen bleiben und dennoch haben sich die Insekten nicht über willige Operettenbesucher gestürzt. Die einleitenden Reden zum Auftakt der diesjährigen Sommersaison waren nicht unerträglich lang, und dann ging’s los – mit der „Schönen Helena“ von Jacques Offenbach. Womit man es sich nicht wirklich leicht gemacht hat.

Offenbach und die Deutschen (jetzt einmal abgesehen davon, dass er selbst gebürtiger Deutscher war – aber französischer als er konnte man gar nicht sein): Man versteht schon, dass man dieses Problem gerne umgeht, indem man stets vor allem „Hoffmanns Erzählungen“ spielt. So schwierig das ist, so stellt es doch ein zu bewältigendes Problem dar. Aber seine Operetten? (Gar nicht zu reden von den halsbrecherischen Einaktern!) Und unter den Operetten die Antike-Parodien? Das müsste Nestroy auf musikalisch sein, so schnell, so frech, so aktuell, dabei so leicht und schwerelos, wie die Musik klingt (und dabei so schwierig ist). Das gelingt selten und auch in Baden nicht.

Doch man bekommt in der Regie von Robert Herzl hier eine Alternative, nämlich das, was ein bemühtes Ensemble unter animierter Leitung leisten kann, wobei das Bühnenbild von Pantelis Dessyllas schön und praktisch ist (ein griechischer Tempel, mit seiner Stufenkonstruktion gut zu bespielen, das scheinbar „griechische“ Bildnis im Hintergrund bei genauer Betrachtung jene moderne Parodie eines solchen, die das Werk gänzlich trifft). Seine Kostüme geraten gelegentlich in die Nähe des Fetzen-Karnevals. Die Spitzen-Unterhöschen der Balletteusen, denen man einen CanCan aus dem „Orpheus“ herübergerettet hat, wirken so albern wie vieles andere auch. Aber lustig darf es ja sein.

Herzl inszeniert eine schwankhafte Antikenparodie, die sich kaum in die Satire auf aktuelle Zustände umsetzt, wie bei Offenbach gemeint – ein paar wohlfeile Griechenland-Finanzwitze schleichen sich ein, haben aber keine Bedeutung. Die Klamotte mit Gesang, mehr deftig als luftig, greift einigermaßen und kann, wie gesagt, als Offenbach-Ersatz genommen werden, wenn mehr nicht zu erzielen ist.

Dann muss der schöne Paris auch kein schlanker Jüngling mit ebensolcher Stimme (und dazu bitte hohe Töne à la Florez!) sein, sondern darf von einem leicht fülligen Kammersänger verkörpert werden, der losschmettert, wie er es von anderen Operetten gewohnt ist und dann von selbst die Parodie der Vorlage ergibt: Das Publikum liebt Sebastian Reinthaller bekanntlich immer, auch wenn er – Kompliment – keine Scheu davor hat, sich lächerlich zu machen. Und wenn auch die Helena anstelle anderer Qualitäten Ironie und guten Gesang bietet wie Elisabeth Flechl – dann hat eben die Volksoper die bewährte Garde nach Baden geschickt…

Offenbach’sche Schärfe könnte von René Rumpold kommen, der weniger „Menelaos der Gute“ als Menelaos der Grimmige ist und sich vermutlich doch geärgert hat, dass man ihn nicht den Priester Kalchas singen ließ, der in der Gestaltung durch den nachdrücklichen Andreas Jankowitsch den Eindruck erweckte, die bessere Rolle zu sein.

Zwei flotte Damen am Rande rückten sich immer wieder in den Vordergrund, Kerstin Grotrian als flotte, rotschopfige Dienerin der Juno und Kateryna Pacher, die ihren östlichen Akzent reizvoll einsetzte, als blonde Dienerin der Helena. Die Rolle des Orestes quasi als „Festarrangeur“ wurde mit einer animierten jungen Dame besetzt (Christina Sidak), die nicht allzu viel zu tun hatte. Der Agamemnon des Daniel Ohlenschläger führte ein Krieger-Dodel-Quartett an, dessen erster Auftritt in witzigen Uniformen aus verschiedenen Epochen erfolgte (Thomas Markus, Beppo Binder, Walter Schwab). Und wo es lauter Komiker gibt, kommt einer, der meist für Zeus den „Donner“ scheppert (Franz Födinger) nur am Rande zur Geltung.

Schade, dass diesmal das meist so glänzende Badener Ballett unter der Leitung von Raquel Lopez Ogando vordringlich wie ziellos hopste. Franz Josef Breznik am Dirigentenpult passte sich der leicht gröblichen Ausfertigung des an sich so lockeren und eleganten Offenbach mit dem Orchester an. Solcherart wurde es ein geschlossener Abend, den man nur manchmal leise die Mühe anmerkte, die er allen bereitet haben muss. Das Publikum sparte dennoch nicht mit Beifall.

Renate Wagner