Baden: „Die Dubarry“

(Premiere: 20. Oktober 2012), Vorstellung am 21. Oktober 2012

nach Carl Millöcker von Theo Mackeben

Die „Pompadour“ hat die Volksoper kürzlich etwas mühsam abgefeiert, die nächste Geliebte von Frankreichs Ludwig XV., die Dubarry, bekommt im Stadttheater Baden entschieden mehr Schwung. Wie man hörte, kam auch Volksopern-Direktor Robert Meyer zur Premiere. Das ehrt ihn. Der Mann weiß offenbar, wo er was lernen kann. Etwa bei Robert Herzl, wie man Operetten anpackt, damit sie einem nicht unter den Händen verenden wie der unsägliche „Walzertraum“ der Volksoper.

„Die Dubarry“ stammte ursprünglich von Carl Millöcker (der übrigens am letzten Tag des Jahres 1899 hier in Baden bei Wien starb), wurde 1879 im Theater an der Wien uraufgeführt und war nicht ganz so erfolgreich wie der „Bettelstudent“ von 1882. Tatsächlich hat aus dem recht üppigen musikdramatischen Oeuvre des Künstlers am Ende außer den genannten Werken nur noch „Gasparone“ überlebt, auch eher selten gespielt. Millöcker, ein Meister, der im Grunde mit einem Werk – dem „Bettelstudenten“ – in der Geschichte des heiteren Musiktheaters steht.

Als Theo Mackeben, der eifrig damit beschäftigt war, das an Vergnügungssucht unersättliche Berlin der Zwischenkriegszeit zu füttern, die „Gräfin Dubarry“ hernahm und aus der Distanz von mehr als einem halben Jahrhundert „aufpeppte“, wie man gut und gern sagen kann, wurde daraus „Die Dubarry“, und die geschmackvolle „Modernisierung“ hat dem Werk nicht geschadet. Vermutlich ist es vor allem die Rhythmik, an der gearbeitet wurde, ironisches Zitieren von Musik anderer Epochen, das Dazudichten eines Hits („Ich schenk mein Herz“) – und was mit dem griffigen Schlager „Ja, so ist sie, die Dubarry“ endet (der zudem der geläufigen Gurgel der Interpretin einiges abverlangt), kann eigentlich nicht schief gehen – wenn man es richtig anpackt. Da ist Baden, das Biotop des Mutes zur Operette, der richtige Ort.

Schade nur, dass die Neufassung nach dem alten Zell / Genée-Textbuch (Genée ist übrigens 1895 auch in Baden gestorben, aber es ist zweifellos auch eine Stadt zum Leben…) nicht etwas straffer ausgefallen ist – vielleicht hätte man auch in der Badener Dramaturgie ein wenig „holzen“ können, es hätte angesichts des geringen Bekanntheitsgrades des Werks niemand bemerkt… So wälzt sich die Geschichte „von der in einen Maler verliebten Hutmacherin über die Halbweltdame über die Gräfin Dubarry zur Mätresse von König Ludwig XV.“ recht ausführlich und mit einer großen Zahl von Personen über die Bühne. Immerhin, die Regie von Robert Herzl hat den Vorzug, dass er wirklich ein Stück inszeniert, eine Geschichte erzählt, dafür sorgt, dass jede Rolle stimmig gespielt wird, dass das Tempo nie durchhängt – die Musik ist da zwar weit mehr als nur Begleitung, aber man wartet keinesfalls ungeduldig von einer Musiknummer auf die nächste, weil die Spielszenen so unerträglich wären (dergleichen soll vorkommen). Nein, das ist bemerkenswert durchgeformt.

Der Abend gewinnt auch mit einer Ausstattung, die wieder zur Gänze das Qualitätszeichen Pantelis Dessyllas trägt, der feste „barocke“ Rahmenelemente mit leichten Zeichnungen und ein paar hübschen Möbeln kombiniert, immer angenehm fürs Auge, ebenso wie die prächtigen Kostüme. Es wird zwar ein bisschen viel Ballett gehopst (Michael Kropf), vordringlich in Rokoko-Kostümen, aber Herzl geht auch damit dramaturgisch geschickt um, wenn er etwa ein halbes Dutzend an sich gleich gestrickter Intrigen-Szenen der Marschallin von Luxemburg immer wieder durch kleine Tanzeinlagen unterbrechen lässt. Auch weiß er um die Ungeduld eines Publikums von heute, das Umbaupausen auch dann schwer erträgt, wenn sie mit Musik unterlegt sind: Im Zeitalter der Computer ist es einfach, da den Zwischenvorhang mit scheinbar leichter Hand mit dem Bühnenbild des nächsten Bildes „bezeichnen“ zu lassen…

Diese flotte Operette braucht eine Hauptdarstellerin, die in allen Stationen ihrer Entwicklung überzeugt, von der kleinen Hutmacherin bis zur souverän politisch agierenden Dame, und man glaubt Julia Koci nicht nur (wie immer wieder versichert wird), dass sie klüger ist als die meisten Männer. Sie ist auch eine Augenweide (im schwarzen Negligee ebenso wie in der großen Robe), eine spritzige Darstellerin, und man wünschte nur, sie hätte eine ebenso leichte elegante Stimme, wie es ihr Aussehen nahe legt. Aber eigentlich verfügt sie über eine Röhre, die auch als solche eingesetzt wird, technisch allerlei kann, aber im forte und in der Höhe doch hörbar an Qualität verliert. Doch der Abend dreht sich mühelos um sie, denn alle anderen müssen sich die weiteren Rollen brav teilen – eine weitere genuine Hauptrolle gibt es nicht.

Nicht ihren Maler, denn die Partie ist zu klein (Reinhard Alessandri donnert mit seinem Bariton los und klingt mit der Schmetterhöhe wie ein Tenor); nicht der König, denn der kommt überhaupt erst im zweiten Teil (Alexander Helmer näselt ihn sehr abgehoben); nicht der Graf Dubarry (Robert Herzl, der sich offenbar weigert, ein „Junior“ an den Namen zu hängen, nicht der Regisseur-Papa ist, aber ein sehr präziser Darsteller und Sänger mit vielen Schattierungen zwischen Vis Comica und hintergründigen Zwischentönen); nicht der überintrigante Minister, der auch erst im zweiten Teil kommt (eine viel zu kleine Rolle für einen René Rumpold).

Nicht so eindeutig wie sonst ist das etwas an den Rand gestellte Buffopaar von Kerstin Grotrian und Thomas Markus definiert. Als höfische Salondame intrigiert Gabriele Kridl, ihre üblichen kräftigen Töne lässt Michaela Mock hören, und unter den zahlreichen Nebenrollen fällt noch Wilhelm Seledec auf, der als nicht sehr frommer Priester in einem Don-Basilio-Gewand amüsiert.

Die Millöcker-Mackeben-Mischmusik, die perfekt zusammen gewachsen ist, erhält von Franz Josef Breznik jenen Schwung, den sie verdient und den der ganze Abend ausstahlt. Operette, wie sie einst war und wie sie in Ausnahmefällen à la Baden immer noch sein kann – wer das mag, kann gar nicht besser bedient werden.

Renate Wagner

Copyright der Produktionsbilder: www.christian-husar.com