Berlin: Van Dijk | Eyal

Vorstellung am 15. 2. 2019

Stupide Monotonie beim Staatsballett Berlin

Der neue Abend des Staatsballetts – van Dijk/Eyal – ist nur eine halbe Premiere, denn deren zweiter Teil, das Tanzstück Half Life von Sharon Eyal und Gai Behar, findet sich schon seit September des vergangenen Jahres im Repertoire der Compagnie und wurde inzwischen bereits ein Dutzend Mal gezeigt.

Die Kreation der in Jerusalem geborenen Choreografen, die 2017 vom Koeniglich Schwedischen Ballett Stockholm uraufgeführt wurde, irritierte erneut durch die stupide Monotonie von sich ewig wiederholenden profanen Bewegungen. Zunächst zeigen diese ein Tänzer und eine Tänzerin in knappsten Trikots (Rebecca Hytting), bis sich endlich von rechts eine elfköpfige Tänzergruppe herein schiebt. Deren Bewegungsduktus erinnert in seinen Gliederverrenkungen und Körperverschiebungen an Behinderte. Wie unter Stromschlägen zucken und schlottern die Leiber, werden die Augen schreckhaft aufgerissen – alles noch apokalyptisch verstärkt durch die peitschenden Schläge einer immer mehr anschwellenden Lärmfolie von Ori Lichtik. Ein geradezu blasphemischer Einfall sind die trippelnden Füße und schwanengleichen Armbewegungen als Zitat aus Tschaikowskys Klassiker, als wollten Eyal und Behar das Publikum damit für den Mangel an wirklichem Tanz entschädigen. Aber dieser Einschub bleibt marginale Episode, und bald fällt das Bewegungsspektrum zurück in das sattsam Bekannte. Immer wieder schließt sich die Gruppe Schutz suchend zusammen. Angstvoll nach oben gerichtete Blicke signalisieren Gefahr und Bedrohung. Einen gewissen Sog kann man dem Stück nicht absprechen, vor allem aber nicht den Tänzern ihr bedingungsloses Engagement und die staunenswerte Präzision.

Am Beginn des neuen Abends stand die Uraufführung des Tanzstücks Distant Matter von Anouk van Dijk, die gemeinsam mit Paul Jackson und Claus den Hartog auch für die Bühne und das Licht verantwortlich zeichnete. Eine weiße Stoffbahn, in grelles Weiß getaucht, fällt hinten herab und bedeckt die Mitte der Bühne bis an die Rampe wie ein Catwalk. Der Orchestergraben ist überdeckt, denn die Musik von Jethro Woodward kommt vom Tonträger. Sie besteht zunächst nur aus Geräuschen wie Knistern und Rauschen, die aber später zu hämmerndem, klopfendem Lärm anschwellen, der in seiner enervierenden Monotonie zur harten Prüfung wird.

Jessica Helbach erdachte bizarre schwarze Kostüme aus Stoff, Lackleder und Tüll, die an extravagante Designer-Kreationen denken lassen. Man sieht ein langes Kleid, eine kurze Hose, ein Sport-Shirt, Leggins, einen Astronautenhelm… Die holländische Choreografin lässt die Tänzer anfangs tatsächlich wie Models auf dem Laufsteg posieren. Danach sieht man immer wieder Reihen, die sich auflösen und neu formieren. Das choreografische Vokabular besteht aus hektischem Laufen und Hüpfen, bewegungslosem Verharren, slow motion-Figuren, Körperskulpturen in Silhouettenwirkung, animalisch anmutendem Kriechen auf dem Boden. Den letzten Teil des Stückes absolvieren die Tänzer in schwarzer Unterwäsche – zu sehen sind trancehafte und pathologische Bewegungen, Stürze und am Ende eine Tänzerin, die eins wird mit der weißen Wand im Hintergrund und darin verschwindet. Die exzellenten Tänzer des Staatsballetts sahen sich am Schluss vom Premierenpublikum euphorisch gefeiert.

Bernd Hoppe 16.2.2019

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