Berlin: Doda | Goecke ? | Duato

Premiere 24. Mai 2018

Duatos Abschied

Noch einmal hatte das Berliner Publikum Gelegenheit, eine Arbeit des Intendanten des Staatsballetts Nacho Duato zu sehen, bevor der Spanier zum Ende der Spielzeit die Berliner Compagnie verlassen wird. Der Beitrag stand am Ende des dreiteiligen Ballettabends der am 24. 5. 2018 in der Komischen Oper Premiere hatte, und trägt den Titel Por vos muero. Er wurde 1996 bei der Compania Nacional de Danza in Madrid uraufgeführt, als Duato dem Ensemble als dessen Leiter vorstand. Auf vitale, rhythmisch pulsierende Musik aus dem Spanien des 15. und 16. Jahrhunderts zelebrieren die Interpreten, unter ihnen Elisa Carrillo Cabrera, Ksenia Ovsyanick und Rishat Yulbarisov, in schwarz-blauen Kostümen (Duato in Zusammenarbeit mit Ismael Aznar) Tänze von höfischer Galanterie, aber auch ausgelassener Lebensfreude. Sinnlichkeit ist hier in strenge Form gegossen.

Vor diesem Finale musste man zwei schwierig zu goutierende Stücke überstehen. Vor allem der Einstieg mit was bleibt von Gentian Doda auf eine lärmende Klangcollage von Joaquin Segade erwies sich auf der diffus beleuchteten Bühne von Nicolás Fischtel als Prüfung. Klopfende, brummende, donnernde und hämmernde Geräusche hatten eine enervierende Wirkung, ebenso die überkurzen Sequenzen zu Beginn, die nach wenigen Momenten immer wieder den schwarzen Vorhang fallen lassen. Auf der Bühne von Yoko Seyama sind weiße Schnüre gespannt, welche die Tänzer in weißen, unkleidsamen Kostümen von Angelo Alberto wie ein Spinnennetz einkreisen. Oft finden sie sich zu einer Gruppe zusammen und fallen wieder zusammen. Sie marschieren im Gleichschritt und erinnern mit ihren pathetisch ausgebreiteten Armen gelegentlich an sozialistische Denkmäler von Widerstandskämpfern. Alle überragt Vladislav Marinov mit spektakulären Sprüngen und stupender Körperbeherrschung.

Das Stück ist von zähem Fluss, hat keine Spannung und kaum Höhepunkte. Am Ende bleibt ein Berg von ineinander verschlungenen, schlotternden Leibern – die Einstimmung auf das folgende Sück Pierrot lunaire auf Musik von Arnold Schönberg in der Choreografie und Ausstattung von Marco Goecke. 2010 in Rotterdam uraufgeführt, zeigt es die sattsam bekannten pathologischen Zuckungen als Stilmittel des ehemaligen Stuttgarter Choreografen. Für den jungen Gruppentänzer Konstantin Lorenz, der kürzlich auch in der Gala Polina & Friends aufgefallen war, ist das eine fordernde Aufgabe, die er Respekt gebietend meistert. Wie eine Marionette wird er vom Choreografen geführt, während Soraya Bruno, Xenia Wiest, Nikolay Korypaev, Alexander Shpak und Mehmet Yumak als Doubles synchrone Bewegungen ausführen. Der Abend fand vor allem bei jugendlichen Besuchern Zustimmung, für Duatos Abschied von Berlin hätte man sich freilich eine opulentere Produktion gewünscht.

Bernd Hoppe 29.5.2018

Bilder (c) Fernando Marcos