Fürth: „Die Entführung aus dem Serail“

Besuchte Aufführung am 02.02.2019

Gastspiel der Kammeroper Prag

Wieder eine leichte unkomplizierte Unterhaltung in einem der schönsten kleineren Theater Deutschlands, und es sei jedem einmal empfohlen sich dort einmal ein Stück anzusehen. Der äußerst rührige Intendant Werner Müller besitzt aber auch ein Händchen für die Auswahl seiner Stücke, auch der musikalischen Ereignisse in Fürth. Nicht umsonst ist der Andrang auf die Plätze sehr groß und nicht umsonst sieht man eigentlich fast immer nur zufriedene Gesichter nach den jeweiligen Aufführungen.

„Die Entführung aus dem Serail“ ist so richtig ein Stück, in welchem man sich wohlfühlen, sich zurücklehnen und der Türkenmär lauschen kann. Aufgeführt wird es von der Kammeroper Prag und der Nordböhmischen Oper Usti nad Labem. Die Inszenierung von Martin Otava aus der Tschechei ist sehr stimmig, sehr eng am Inhalt angepasst und vor allem, was die Zuschauer besonders erfreut, sehr farbenprächtig angelegt. Auf Experimente wird verzichtet, die Geschichte wird schnörkellos erzählt. Ganz kleine geringfügige Modernisierungsversuche, ansonsten wird die Handlung so abgespult, wie man sie gewohnt ist und wie man sie liebt. Keine Selbstdarstellung des Regisseurs, sondern handwerklich mehr als solide und dadurch auch eine eindrucksvolle und stimmige Inszenierung. Das Bühnenbild stammt ebenfalls vom Regisseur und mit geringen Mitteln und Aufwand, wird hier ein farbenprächtiges Spektakel auf die Bühne gebracht. Keine großen Aufbauten, einen Feigenbaum aus Tüchern hergestellt, sparsamste Dekorationen, die nicht von der Musik ablenken. Natürlich muss man auch bedenken, dass eine Wanderbühne mit ganz anderen Mitteln arbeiten muss, als wenn dies in einem festen Haus ablaufen würde. Dana Haklová ist für die Kostüme zuständig und hat hier ein schönes, abwechslungsreiches und farbenreiches orientalisches Märchen auf die Bretter gezaubert. Die unauffällige und dadurch eindrucksvolle Choreinstudierung erfolgt durch Jan Snitil und alle schlagen sich mehr als wacker.

Die Geschichte selbst ist schnell erzählt. Bassa Selim hat die nach einem Seeräuberüberfall geraubte Konstanze, eine junge Spanierin, ihre englische Zofe Blonde und deren Freund den Diener Pedrillo gekauft und behandelt sie recht gut, er möchte nämlich die Liebe Konstanzens erringen, Blonde hat er seinem Aufseher Osmin, einem eigentlich bösen Gesellen, der in dieser Inszenierung jedoch mehr spaßig herüberkommt, versprochen und Pedrillo arbeitet auch in Gefangenschaft als Diener am türkischen Hof. Konstanzes Verlobter, der spanische Edelmann Belmonte, der seine Geliebte verzweifelt sucht, findet sie endlich, wird mit Hilfe Pedrillos als Baumeister angestellt, immer verfolgt vom rachsüchtigen und unbeherrschten Osmin und flieht schließlich mit seiner geliebten Konstanze, Blonde und ihrem Geliebten Pedrillo. Osmin vereitelt die Flucht und Pascha Selim erkennt in Belmonte den Sohn seines ärgsten Feindes. Da er jedoch merkt und fühlt, dass sich Liebe nicht kaufen lässt und Rache nicht glücklich macht, lässt er alle frei und in ihre Heimat ziehen. Diese Großzügigkeit wird von den Freigelassenen hochgepriesen, der einzige, der nicht so einverstanden ist, ist Osmin, der „seine“ Blonde entschwinden sieht. Dies alles kann beim Publikum nur gewinnen, wenn auch die entsprechenden Sänger und ein gutes Orchester zur Verfügung stehen. Und hier ist bei der Auswahl der Protagonisten ein recht gutes Händchen zu verspüren, wenn es auch bei der ein oder anderen Besetzung noch etwas knarrt.

Das Orchester ist mit Sicherheit einer der ersten Pluspunkte der Aufführung. Man merkt ihm an, dass die Musiker sichtlich schon länger miteinander spielen und aufeinander eingespielt sind. Sie bekommen die Facetten der wunderbaren farbenreichen Musik von Mozart gut in den Griff und kosten die einprägsamen Melodien genüsslich aus. Ein Garant dafür ist auch der tschechische, aus Brünn stammende Dirigent Milan Kanák, der akribisch die Feinheiten der Partitur herausarbeitet. Er hat seine Orchestermusiker im Griff, lässt sie befreit aufspielen, wenn es sich anbietet und lässt sie sich ebenso vornehm zurückhalten, wenn es die Sänger unterstützt, die dadurch nicht von den Orchesterwogen zugedeckt werden. Eine mehr als feine Leistung aus dem Orchestergraben.

Die Sänger hinterlassen für mich ein etwas zwiespältiges Bild. Bemüht sind sie allemal, einsatzfreudig und mit Eifer und auch der notwendigen Durchschlagskraft dabei. Die einzige Sprechrolle der Oper, die des Bassa Selim wird von dem in Wien geborenen Richard Maynau verkörpert. Und er macht das Beste aus dieser sicherlich nicht leichten Rolle. Er spielt die Tastatur des Liebenden, Verzweifelten, Empörten und schließlich großzügig Verzeihenden sehr gut aus und gehört eindeutig zu den Pluspunkten des Abends. Als Konstanze, der Geliebten Belmontes steht die in Décin in Tschechien geborene Jarmila Baxová auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Und bei ihr tue ich mir etwas schwer. Sie hat sehr schöne zarte, zurückhaltende Momente, verkörpert die Rolle auch ausgezeichnet, vom darstellerischen keine Probleme, in der Höhe jedoch kann sie mir nicht so sehr gefallen. Zu scharf, ja, sogar etwas schrill sind die Spitzentöne, die sie dennoch souverän meistern kann. Nach der Pause ist dies nicht mehr ganz so, aber schade, denn dadurch wird eine hervorragende Leistung insgesamt doch ein kleines bisschen beeinträchtigt. Auch mit dem Tenor des aus Bratislava in der Slowakei stammenden Robert Remeslnik muss ich mich erst etwas anfreunden. Sein ohne Zweifel schöner, kraft- und klangvoller und auch höhensicherer Tenor ist für mich etwas gewöhnungsbedürftig und auch bei ihm stellt sich erst nach der Pause eine größere Zufriedenheit ein. Fast könnte man meinen, er braucht eine gewisse Zeit um sich einzusingen, es kann aber auch sein, dass sich meine Ohren erst langsam an seine Stimme gewöhnen müssen. Insgesamt gesehen jedoch beide eine recht gute Wahl, wenn auch mit kleinen und leichten Anlaufschwierigkeiten. Das Publikum jedenfalls ist mehr als zufrieden, was der doch recht heftige Beifall beweist.

Monika Sommerová, die aus Bratislava in der Slowakei stammende Sopranistin gibt die Blonde und hat im Wettstreit der beiden Damen – jedenfalls für mich – die Nase doch etwas vorne. Ihre lockere, warme, sichere und auch strahlende Höhe kommt der Rolle sehr gut zu passe, auch wenn einige leichte Intonationsprobleme nicht ganz von der Hand zu weisen sind. Eine ausgezeichnete Figur dagegen gibt der aus Tirol stammende Tenor Richard Klein ab, der den Pedrillo, den Diener Belmontes verkörpert. Mit klarem, kräftigen, sicherem, ohne Höhenprobleme und auch warmem Tenor kann er punkten und zu Recht viel Beifall einheimsen. Der in Bulgarien geborene Bassist Ivaylo Guberov liefert einen ausgezeichneten Osmin ab. Natürlich böse von Natur, verschlagen, aber auch witzig in der Gestaltung der Figur, die einen zentralen Punkt in der Oper verkörpert. Stimmlich ohne Fehl und Tadel gestaltet er die Partie mit profundem, durchschlagskräftigem aber auch gestaltendem Bass. Die Rolle, die zugegebenermaßen auch ein riesiges Potential besitzt, kostet er genüsslich aus. Für mich an diesem Abend eine der besten Leistungen.

Ein Abend mit vielen Höhen und ein paar ganz kleinen Tiefen, wobei es dem Publikum ohne Wenn und Aber gefallen hat, geht zu Ende. Man hat sich – und das ist für mich das Ausschlaggebende – ausgezeichnet unterhalten, hat etwas in die orientalische Welt eintauchen und sich einfach nur ein paar Stunden unterhalten können. Für mich ist das das Beste was man von einem gelungenen Theaterabend sagen kann. Ich freue mich jetzt schon auf die nächste Aufführung in Fürth, dem kleinen verträumten und doch so wunderschönen Theater in der „sogenannten Provinz“.

Bild (c) Art & Artist

Manfred Drescher 16.02.19