Fürth: „Der Graf von Luxemburg“

Premiere Chemnitz 30.05.2015, Besuchte Aufführung in Fürth am 05.07.2017

Eine wunderschöne Operette wird leider unter Wert verkauft
Donnerndes Orchester überdeckt teilweise sehr gute Sänger

Wieder einmal war ich in einem der schönsten kleineren Theater Deutschlands (und dies schreibe ich mit vollster Überzeugung) und diesmal mit einigen Überraschungen. Ich habe mich sehr auf „Der Graf von Luxemburg“ gefreut, vor allem, da Michael Heim, dem ich immer äußerst gerne lausche, den Grafen geben sollte. Jedenfalls war er auf allen Plakaten, auf allen Vorschauen im Internet und natürlich im Programmheft. Da lag aber dann ein kleiner Zettel drin, in dem nichts anderes zu lesen war, als dass alle vier Hauptpartien von anderen Sängern gesungen werden. War es nur bei der ersten Aufführung so (in der ich war), oder dachte man einfach, dass man in der Provinz nicht mit seinem ersten Ensemble kommen muss. Ich empfand es jedenfalls als eine äußerst unschöne Entscheidung. Zu den sängerischen Leistungen komme ich dann später noch. Schade Michael Heim, Mareike Schröder, Christian Baumgärtel und Franziska Krötenheerdt, dass ihr in Fürth nicht auftreten konntet oder wolltet. Das ist auch der Grund, warum ich nicht ein einziges Foto der vier Hauptakteure habe, denn das gibt es schlicht und ergreifend nicht.

„Der Graf von Luxemburg“ begeistert trotzdem auch diesmal wieder sein Publikum in Fürth, die wenig von den Sängerwechseln wissen. Die Inszenierung von Ulrich Proschka ist tadellos, einfach, schnörkellos und dadurch besonders verständlich und einprägsam. Keine Selbstverwirklichung des Regisseurs, sondern solide handwerkliche und dadurch eindrucksvolle und stimmige Inszenierung. Das Bühnenbild von Christof Cremer, der auch für die einfallsreichen und bunten Kostüme verantwortlich zeichnet, ist ein wandelbares sehr schönes Bühnenbild, auf dem man alles zeigen kann. Es ist für das Auge schön anzusehen und es ist vor allem in vielfacher Weise einsetzbar. Eine wunderschöne Sache, Lob an diesen Aspekt der Aufführung. Die Choreografie stammt von Sabrina Sadowska und diese weiß, was sie auf dieser Bühne zu machen hat. Das Ballett ist in großer berauschender Form, der Kampf an der Drehtür, die Auseinandersetzung mit den Federwischen, all das bringt das Publikum zum Staunen und zum spontanen Applaudieren. Eine feine Leistung. Die Chöre, die ihre Sache ausgezeichnet machen und wie das Ballett oft zum Einsatz kommen, werden von Simone Zimmermann und Nikolaus Müller auf den Punkt eingestimmt, sie erscheinen als eine Einheit, fast möchte man sagen, eine verschworene zusammengeschweißte Einheit und machen dadurch eine sehr gute Figur. Das ganze macht dem Publikum Freude und unterhält es auf der ganzen Linie. Zu erwähnen sind auch noch die Lichtgestaltung von Holger Reinke und die Dramaturgie von Christian Dost, die alles abrunden.

Die Geschichte selbst ist schnell erzählt. Der alternde Fürst Basil Basilowitsch will die schöne und junge Sängerin Angéle Didier heiraten – doch diese ist nicht standesgemäß. Also inszeniert er eine Hochzeit mit dem lebenslustigen verschwenderischen und dadurch verarmten René Graf von Luxemburg. Beide sehen sich nicht, die Hochzeit wird hinter einem Paravent vollzogen. Nach der Scheidung, die nach wenigen Wochen erfolgen soll, kann dann der Fürst seine nunmehr geschiedene Gräfin zur Frau nehmen. Soweit die Theorie. In der Praxis kommt natürlich alles ganz anders, René verliebt sich in Angele, ohne zu wissen, dass diese schon seine Frau ist, alles kommt zum guten Ende und der ausgeschmierte Fürst Basil muss mit der Gräfin Kokozow zufrieden sein, die ihn schon lange in Liebe verfolgt. Daneben tritt noch das unvermeidliche Buffopaar auf, der Freund Renés, der Maler Brissard mit seiner Freundin Juliette. Dies alles kann nur beim Publikum gewinnen, wenn auch die entsprechenden Sänger und Singschauspieler zur Verfügung stehen. Und hier ist auch bei der Auswahl der Protagonisten ein gutes Händchen zu verspüren, leider ist jedoch das reine Vergnügen nicht ganz erreicht.

Dies liegt in allererster Linie an den eigentlich exzellent spielenden Damen und Herren der Robert-Schumann-Philharmonie. Sie geben alles, spielen immer präsent, aufmerksam auf die einzelnen Instrumente achtend und darauf, dass sich alles zusammenfügt und im großen Wohlklang endet. Das alles ist einwandfrei, dann, wenn sie eine Symphonie spielen würden. So aber geht es um eine leichte silbrige Operette und der aus Berlin stammende Dirigent Stefan Politzka (natürlich auch wieder ein „Neuer“, der im alten Programmheft nirgends auftaucht) leitet dieses Orchester gewaltig. So gewaltig, dass die armen Sänger kaum eine Chance haben, sich zu entfalten, da sie gnadenlos von den Wogen der Musik zugedeckt werden. Von Textverständlichkeit keine Rede, teilweise auch kaum von Gesang, da alles übertönt wird. Lieber Herr Politzka, Operette ist ein Florett und kein Krummschwert. Es ist einfach schade zu erleben, wie teilweise sehr schöne und frische Stimmen in keinster Weise zur Entfaltung kommen können. Das haben diese Sänger wirklich nicht verdient.

Graf René von Luxemburg wird an diesem Abend von Reto Raphael Rosin gegeben und er gibt sein Bestes. Er besitzt einen schönen, vollen und geschmeidigen Tenor. Leider vermisst man die knalligen Spitzentöne doch etwas, die Leidenschaft und das Feuer sind an diesem Tag nicht so sein Ding. Auch er tut sich schwer, sich gegen die Klangfluten zu behaupten, auch wenn ihm das trotzdem ganz gut gelingt und er sich vor allem nach der Pause auch noch entsprechend steigern kann.

Seine angebetete Angéle Didier wird von der deutsch-slowenischen Sopranistin Elvira Hasanagic gegeben und sie macht ihre Sache recht gut. Ihr leichter und dennoch kraftvoller warmer Sopran weiß sich zu behaupten, auch wenn sie sich ebenfalls sehr anstrengen muss. Auch in den Duetten mit Reto Rosin weiß sie zu gefallen, das Publikum gibt sehr starken Zwischenapplaus. Eine insgesamt beeindruckende Leistung.

Sehr zu gefallen weiß das junge sympathische Buffopaar, die reizend anzusehende Katharina Boschmann als Juilette Vermont und Hubert Walawski als Armand Brissart. Die aus Baden-Württemberg stammende Katharina Boschmann ist nicht nur nett anzusehen sondern verfügt auch über einen feinen, gutsitzenden beweglichen Sopran, mit welchem sie noch mehr beeindrucken könnte, wenn sie der Dirigent nur lassen würde. So ist die quirlige und spielfreudige Sopranistin teilweise kaum zu verstehen (und ich sitze in der 1. Reihe). Ihr Partner der junge polnische, aus Krakau stammende Tenor Hubert Walawski besitzt einen leuchtenden klaren hohen und stimmschönen Tenor, der zu größten Hoffnungen Anlass gibt, wenn, ja wenn man ihn nur singen lassen würde. Es ist jammerschade, wie sich der junge sympathische Künstler bemüht durch das Orchester zu seinem Publikum durchzudringen.

Hier hat es der erste aus der „normalen Besetzung“ stammende Künstler etwas leichter. Matthias Winter, der den unglücklich verliebten Basil Basilowitsch gibt, ist stimmlich dem Orchester gewachsen. Der gepflegte stimmschöne ausdrucksstarke und durchschlagskräftige Bariton überzeugt in jeder Weise, sowohl stimmlich als auch darstellerisch und hat das Herz des Publikums eigentlich in Windeseile erobert – leider nicht das Herz seiner geliebten Angéle. Dafür bekommt er, ein bisschen gegen seinen Willen, seine langjährige Verfolgerin, die Gräfin Stasa Kokozow, die von der Vollblutschauspielerin Sylvia Schramm-Heilfort gegeben wird, die auch mit rauchiger Stimme und unter großem Applaus ihr Couplet zum Besten gibt. Mit einer sehr guten Leistung sind mir auch noch Jürgen Mutze als Sergei Mentschikoff und Edward Randall als Pawel von Pawlowitsch aufgefallen. Bei den übrigen Mitstreitern gab es keinen Ausfall und dies will auch schon etwas heißen.

Das Publikum war zufrieden, applaudierte lange und leidenschaftlich und ging mit einem glücklichen Gesichtsausdruck nach Hause. Was will man von Operette eigentlich mehr verlangen.

Manfred Drescher 09.07.17

Bilder von Dieter Wuschanski, Chemnitz