Wunsiedel: „Der Zigeunerbaron“

besuchte Aufführung am 10.08.2013

„Ja, das schreiben und das Lesen“ wird einem in Wunsiedel beigebracht

Professor Heinz Hellberg und die Wiener Operettenbühne haben ein Gespür, mit welchen Operetten man die Besucher begeistert und von den Sitzen reißt. Ja, auch wenn die Operette immer wieder totgeschrieben wird, hat sie nichts von ihrem Zauber verloren und zeigt es seinen Kritikern immer wieder aufs Neue. Vor allem, wenn der Regisseur Heinz Hellberg auf altbewährtem vertraut und gerade dies macht den Reiz und den grandiosen Erfolg der Wiener Operettenbühne aus.

Ja und ein Johann Strauss begeistert halt die Besucher im ausverkauften Rund der wunderschönen Naturbühne, die nach der gelungenen Renovierung noch ansprechender und einladender geworden ist, auf der Luisenburg in Wunsiedel immer wieder. Nach „Die Fledermaus“ vor 2 Jahren und „Der Vogelhändler“ im letzten Jahr, hatte man sich diesmal mit „Der Zigeunerbaron“ einiges vorgenommen. Gerade dieses Stück verlangt erstklassige Sänger, aber gleichzeitig auch erstklassige Schauspieler – und leider passt dies oft nicht zusammen. Bei Heinz Hellberg muss man hier keine Sorgen haben. Ein neues Ensemble konnte auf den Erfolgen der letzten Jahre aufbauen und diese sogar noch toppen, obwohl das schon sehr schwer ist. Und wie so oft in den letzten Jahren sah man auf dem Nachhauseweg nur fröhliche Gesichter und was kann man Schöneres über eine Operettenaufführung sagen.

Und wieder macht es Freunde, diesen „Zigeunerbaron“ zu erleben. Altmeister Heinz Hellberg, der diesmal neben der Regie die Besucher begrüßte und dann den Taktstock an Dorian Molhov weitergab, inszeniert Operette so, wie sie der Liebhaber dieser Musikgattung erleben möchte. Tolle Kostüme von Lucya Kerschbaumer und ein tolles Bühnenbild von Adrian Boboc, die so herrlich auf eine der schönsten Naturbühnen Europas, der Luisenburg passen. Aufführungen in diesem Ambiente zu erleben, ist für mich immer ein besonderes Erlebnis, was ich nicht mehr missen möchte. Man verzeihe mir, dass ich die altbekannte Handlung nicht erzähle, sie dürfte jedem geläufig sein, jedenfalls jedem, der die Operette liebt. Und Heinz Hellberg lässt leicht und locker spielen und agieren und setzt die Pointen an die richtigen Stellen. Gelacht wird auch in diesem Jahr viel auf der Luisenburg.

Auch in diesem Jahr hat Heinz Hellberg mit seiner Operettenbühne Wien erneut das Glück scheinbar gepachtet, denn es fällt kein Tropfen Regen und die Aufführung läuft bei schönem Wetter ab. Da macht das Ganze natürlich noch einmal so viel Spaß.

Das Orchester ist gut aufgelegt und ein kongenialer Begleiter der Sängerdarsteller. Daniel Molhov führt es mit straffer, teilweise harter Hand, lässt aber den Sängern den notwendigen Freiraum und sie nicht von Orchesterwogen überdecken. Gesang und Musik verschmelzen zu einer stimmigen Einheit. Und natürlich ist „Der Zigeunerbaron“ ein wahres Eldorado für herrliche Soli, aber auch wunderschön ins Ohr gehende Duette und durchkomponierte Passagen. Wie man weiß, wollte Strauss ja die große Oper erobern. Dies ist ihm zwar nicht ganz gelungen, aber die musikalischen Reize des sehr stark durchkomponierten „Zigeunerbarons“ gehen schon sehr nahe an die Spieloper heran. Für all das braucht man natürlich auch hervorragende Singschauspieler, die von beiden das optimale verkörpern können. Und auch hier hat Hellberg wieder ein glückliches Händchen. Die Sänger sind durch die Bank sehr gut und können auch darstellerisch voll überzeugen. Der Chor, der wieder mit etlichen Solisten aus der Gegend aufgestockt worden ist und das Ballett der Operettenbühne Wien sind wie immer toll eingestimmt und machen es dem Publikum leicht, lautstark zu applaudieren – und dies tun sie zur Genüge und mit voller Berechtigung.

Giorgio Valenta gibt den Sandor Barinkay mit kräftigem, durchschlagskräftigen Tenor, dem die anspruchsvolle Partie gut „in der Gurgel“ liegt. Darstellerisch kommt er etwas steif über die Rampe, hier sollte er in Zukunft noch ein bisschen nachlegen, insgesamt aber ein sehr guter Gutsbesitzer. Seine Saffi ist Judit Bellai. Mit großem, voll erblühtem Sopran gibt sie eine vorzügliche Saffi, kann sowohl in den Soli, als auch besonders in den Duetten mit Giorio Valenta voll überzeugen. Mit weichem, vollem, klangschönem Alt gibt Elena Suvorva eine recht jugendliche Czipra. Großen Applaus erhält auch während der Szenen der schweinezüchtende Zsupan von Viktor Schilowsky. Er scheint hier eine Traumrolle gefunden zu haben, überzeugt stimmlich in allen Belangen und legt auch einen wunderbar verschlagenen Schweinezüchter auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Eine ausgewogene überzeugende Leistung, sowohl stimmlich als auch darstellerisch. Viel Szenenapplaus ist ihm sicher. Seine Tochter Arsena wird von Angela Wandraschek verkörpert. Mit schlankem, zartem, dennoch durchschlagendem Sopran kann sie auch mit intensivem Spiel aus der kleinen Rolle eine große Rolle machen. Kirlianit Cortes gibt ihren Liebhaber Ottokar mit kleinem, etwas unbeweglichem Tenor. Der junge Sänger hat sicher noch Zeit, seine zu Hoffnungen zeugende Stimme noch weiter zu bilden. Mirabella wird von Elfie Gubitzer gegeben. Sie fällt nicht aus dem Ensemble ab und vervollständigt den guten Eindruck. Eine Klasse für sich ist der junge Thomas Weinhappel als Graf Peter Homonay. Mit einem stimmschönen, durchschlagskräftigen, weichen und vollem Bariton setzt er ein Zeichen. Ihn möchte man gerne einmal in einer größeren Rolle erleben. Zu Recht starker Beifall für ihn und seine Rollengestaltung.

Das Publikum geht die knapp zwei Stunden (in Wunsiedel gibt es ja kein Pausen) voll mit, spart nicht mit langanhaltendem Zwischenapplaus und einem langanhaltenden Schlussapplaus. Wieder einmal hat die totgesagt Operette gesiegt und die Menschen verzaubert. Wenn Heinz Hellberg auch in Zukunft seiner Linie treu bleibt, Operette so zu inszenieren, wird auf der Luisenburg noch viele Jahre die Operette eine tragende Rolle spielen. Im nächsten Jahr freue ich mich auf eine selten gespielte Operette, und zwar „Die Zirkusprinzessin“ von Emmerich Kálmán.

Manfred Drescher
Bilder: Manfred Drescher