Bad Kissingen: „Krzystof Urbański und Jan Lisiecki“ mit den Bamberger Symphonikern

Abschlusskonzert des Kissinger Sommers 2022

Kaum vier Minuten waren gespielt, da war der erste Höhepunkt des Konzertes der Bamberger Symphoniker im wunderbaren Max-Littmann-Saal des Bad Kissinger Regent Baus bereits verklungen.

Der polnische Dirigent Krzystof Urbański hatte eine Klavier-Komposition seiner Lands-Frau Grażyna Bacewicz (1909-1969) „Scherzo“ für einen effektvollen Auftakt des Konzertes für sein Orchester bearbeitet.

Max-Littmann-Saal, © Hannah Becke

Die Mehrfach-Begabung, wegen ihrer schriftstellerischen und philosophischen Arbeiten als die „Polnische Sappho“ bezeichnete Komponistin, schrieb das Klavierstück 1934. Über die Grenzen Polens ist Grażyna Bacewicz nur wenig bekannt. Sie hatte eine unwahrscheinlich schnelle Auffassungsgabe, war eine harte Arbeiterin und behauptete, sie könne in einer halben Stunde fünfzehn Briefe schreiben. Ihr Komponier Stil unterlag einer beständigen Evolution, war rastlos und vielschichtig, wie ihr Leben. Dabei ließ sie sich ungern in die Karten schauen und bezeichnete die Entstehung einer Komposition als diskrete, rein persönliche Angelegenheit.

Grażyna Bacewicz wurde nur 69 Jahre alt, gehört aber unbedingt zur „goldenen Riege „ der polnischen Komponisten“ Lutoslawski, Gorecki, Penderecki und Szymanowski.

Für das 2. Klavierkonzert e-Moll op. 11eines weiteren polnischen Musiker-Titanen Fryderyk Chopin (1810-1849) war aus Kanada der Pianist Jan Lisieki, der gleichfalls polnische Wurzeln hat, angereist.

Chopin, der selbst ein ausgezeichneter Pianist gewesen war, hat fast ausschließlich Klaviermusik komponiert. Seine beiden Konzerte für Klavier und Orchester sind innerhalb einer Jahresfrist 1829 zu 1830 entstanden, so dass dem e-Moll-Konzert die niedrigere Opus-Zahl 11 zugeordnet worden war. Das geringfügig früher fertig gestellte f-Moll-Konzert trägt die Opus-Zahl 21.

Beide Klavierkonzerte gelten als Bewährungsprobe für die Technik und das Ausdrucksvermögen eines Pianisten. Dem ausgewogenem Anfangssatz folgte ein impulsives Larghetto und ein betörend sprühendes Finale. Mit seiner enormen Anschlagstechnik, seiner Phrasierungskunst, seinem exzessiven Spiel schuf Jan Lisiecki eine begeisternde Intensität und eine gewaltige Spannung.

Jan Lisiecki, © Oliver Killig

Für das Orchester unter dem Dirigat Krzysztof Urbańskis gab es die undankbare Aufgabe, sich mit dem doch kompositorisch unausgewogenen Orchesterpart gegen das „Virtuosen-Konzert“ zu behaupten. Es klang aber bei allen Bemühungen nur matt und stumpf.

Für das Kissinger Abschlusskonzert hätte ich mir deshalb die von Mikhail Pletnev und Daniil Trifonov mit dem „Mahler Chamber Orchestra“ entwickelte Fassung des 2. Chopin-Klavierkonzertes gewünscht: Pletnev, der als Pianist und Dirigent tätig ist, hat selbst unter der Diskrepanz zwischen der pianistischen Raffinesse des Werkes und dessen orchestrale Simplizität regelrecht gelitten. Er überarbeitete deshalb behutsam die Orchester-Partitur Chopins, indem er charakteristische melodische Phrasen anders als Chopin den Orchesterinstrumenten zuordnete. Als ausgewiesener Kenner der Möglichkeiten seiner Instrumente erzielte er mit diesem Arrangement reichere Farben und eine stabilere Klangfülle.

Seine Bearbeitung verursachte zwar einigen Wirbel in der Musikwelt, hat aber bereits Nachnutzer gefunden.

Krystof Urbanski, © Lena Knutli

Zur Abrundung der Festspiele 2022 kam Peter Tschaikowskis (1840-1893) „Symphonie Nr.4 f-Moll op. 36“ zur Aufführung.

Krzysztof Urbański machte auf dem Podium eine schneidige Figur und hatte etwas von einem Show-Man. Seine Zeichensetzungen waren aufgeräumt und effizient, er bot einen ordentlichen Körpereinsatz und nutzte den zur Verfügung stehenden Platz, indem er auf dem Podium sprang, tanzte, mal auf einem Bein stand und weit ausholende Armbewegungen zeigte. Das Orchester machte diesen Spaß mit, so dass fast zu freudig musiziert wurde und die Piano-Stellen etwas zu hell kamen. Dazu baute Urbański den Höhepunkt des ersten Satzes zurückhaltend auf und auch das Scherzo mit den Pizzicato-Streichern kennen wir leichtfüßiger.

Dafür ließ er die „Bamberger“ mit dem Finalsatz ordentlich auftrumpfen und sicherte sich und dem Orchester einen jubelnden, für Bad Kissingen höchst seltenen von etwa einem Drittel des Auditoriums stehenden Applaus.

Bamberger Symphoniker, © Andreas Herzau

Das Abschlusskonzert war nicht nur ausverkauft. Es mussten Zuhörer sogar einen der akustisch benachteiligten Seitenräume nutzen.

Thomas Thielemann, 24.7.22