Innsbruck: „Apollo e Dafne“, Francesco Cavalli

Festwochen der Alten Musik 2018

Sara-Maria Saalmann brillierte in der Rolle der Dafne (Copyright: Rupert Larl)

Wie schon in den letzten Jahren brachten die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik auch heuer eine Produktion im Innenhof der Theologischen Fakultät zur Aufführung: „Apollo e Dafne“ von Francesco Cavalli. Dieses Werk wurde im Jahr 1640 unter dem Titel Gli amori d’Apollo e di Dafne in Venedig erstmals gezeigt, geriet danach jedoch fast in Vergessenheit.

Francesco Cavalli (1602 – 1676) – er hieß eigentlich Pier Francesco Caletti-Bruni – war der Sohn des Komponisten und Domkapellmeisters Giovanni Battista Caletti aus Crema. Mit 14 Jahren wurde er vom venezianischen Patrizier Federico Cavalli zur Ausbildung nach Venedig mitgenommen, wo er unter Monteverdi in der Kirche San Marco sang und außerdem als Organist tätig war. Um 1630 nahm er den Namen seines Förderers an und wandte sich allmählich der Oper zu. Er beteiligte sich an der Organisation von Venedigs erstem Opernhaus, dem Teatro San Cassiano, an dem er 1639 mit Le nozze di Teti e di Peleo als Opernkomponist sein Debüt feierte. In den Jahrzehnten nach Monteverdi etablierte sich Cavalli als der führende und meistgespielte Opernkomponist, dessen Werke in ganz Italien das Repertoire bestimmten und damit wesentlich zur Entwicklung der Oper beitrugen. Überdies festigten sie die Bedeutung Venedigs als Opernzentrum. 1660 folgte Cavalli der ehrenvollen Einladung Mazarins, anlässlich der Heirat von Ludwig XIV. in Paris eine neue Oper vorzubereiten. Die Aufführung von L’Ercole amante im Jahr 1662 fand in einem eigens dafür in den Tuilerien errichteten Theater statt. In den rund 30 Opern, die er allein in Venedig komponierte, zeigt sich Cavalli als Bewahrer eines einmal vervollkommneten Stils. Die Wiederentdeckung seiner Opern begann 1952 in Florenz mit La Didone (2012 auch in Paris). 2016 brachten die Schwetzinger Festspiele Veramonda zur Aufführung.

Das poesievolle und fallweise sehr freche Libretto der Oper, die in Innsbruck in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln gezeigt wird, verfasste Giovanni Francesco Busenello nach einer Episode aus den Metamorphosen des Ovid. Die Handlung in Kurzfassung: Die Nacht ist bald vergangen. Aurora räkelt sich ein letztes Mal, bevor sie aufstehen wird. Aber Sonno, der Gott des Schlafes, der Ruhe und des Friedens, gibt sich noch nicht geschlagen. Er beauftragt seine drei Diener, den Menschen in Traumbildern zu erscheinen. Sie träufeln ihnen glückliche Träume und phantastische Erscheinungen in die Augen. – Neben Apollo und Dafne treten noch zwei Liebespaare in der Oper auf: Aurora, die Göttin der Morgenröte, ist mit dem bedeutend älteren Titone verheiratet, ist aber in Cefalo verliebt – sehr zum Ärger von dessen Gattin Procri. Nach einer verbalen Auseinandersetzung zwischen Apollo und dem Liebesgott Amor rächt sich Amor, indem er ihn in die keusche Nymphe Dafne verliebt macht. Damit sie aber von Apollo nicht vereinnahmt werden kann, lässt sie sich von ihrem Vater Penèo in einen Lorbeerbaum verwandeln.

Der Prolog von Cavallis Oper Gli amori d’Apollo e di Dafne inspirierte die italienische Regisseurin Alessandra Premoli zu ihrer Innsbrucker Inszenierung mit Schattentheater.

Die Akteure der Barockoper:Jung spielen auf der Bühne, die einen Spitalsraum darstellt, vor dem Schattentheater von AlTREtracce, dessen stumme Tänzer mit unheimlichen Zeichen und geisterhaften Bewegungen auf die Sänger einwirken. Dafne zieht die Schattenwelt des Todes der Lichtwelt der Liebe vor. „Sie will nicht mehr spüren, berühren und sprechen. So wie ein Schatten“, sagt die Regisseurin, deren Gedanken im Programmheft eine ganze Seite gewidmet ist. Für die zum Teil erotisch wirkenden Kostümentwürfe zeichnete die aus Turin gebürtige Mariana Fracasso verantwortlich, die erstmals 2014 für die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik tätig war.

Apollo (Rodrigo Sosa dal Pozzo) in purer Verzweiflung, als Dafne in einen Lorbeerbaum verwandelt wurde (Copyright: Rupert Larl)

Das junge Sängerensemble, dessen Coach Jeffrey Francis ist, begeisterte sowohl durch seine stimmliche Brillanz wie auch durch die schauspielerische Leistung. Alle Akteure der Barockoper:Jung spielten ihre Rollen mit subtiler Leidenschaft, die das Publikum von Beginn an in seinen Bann zog. Allen voran die junge deutsche Sopranistin Sara-Maria Saalmann, deren weich timbrierte Stimme neben ihrer attraktiven Erscheinung Dafne das richtige Profil gab. Eindrucksvoll auch der venezolanische Countertenor Rodrigo Sosa dal Pozza als Apollo, der alle Register seiner männlichen Ausstrahlung zog, um die Liebe der Nymphe zu erringen. Seine Lamento-Arie am Schluss war bewegend und aufwühlend gesungen. Als Gott Amor überzeugte die italienische Sopranistin Giulia Bolcato stimmlich und schauspielerisch besonders im „Zweikampf“ mit Apollo.

Alle weiteren Sängerinnen und Sänger hatten mindestens drei Rollen zu spielen. Als Aurora konnte die korsische Mezzosopranistin Eléonore Pancrazi in den Szenen mit Cefalo ihre erotische Ausstrahlung ausspielen, daneben gab sie auch eine Nymphe und eine Muse. Großes schauspielerisches Talent bewies der finnische Tenor Juho Punkeri sowohl als Greis Titone wie auch als junger, feuriger Liebhaber Cefalo. In einer kurzen Szene spielte er überdies den Hirtengott Pan. Die belgische Sopranistin Deborah Cachet war als eifersüchtige Procri sowie als Nymphe und Muse im Einsatz.

Die deutsche Mezzosopranistin Isabelle Rejall war sogar in vier Rollen zu sehen: Itaton, Venere, Filena und als Muse. Köstlich agierte der kanadisch-amerikanische Tenor Isaiah Bell als Cirilla (Arie in der 2. Szene: „Ich bin durch Armut reich, da ich Güter nicht hab, so geh ich gar leicht zum Grab.“) und komödiantisch im Prolog als Morfeo (im Gewand einer Putzfrau im Spital). Eindrucksvoll auch der polnische Bass Jasin Rammal-Rykata in der Rolle des träumenden Alfesebio und als Panto im Prolog, der alle leblosen Dinge als Zeichen der Zukunft in die Träume der Menschen träufeln will. Der italienische Bass Andrea Pellegrini, der auch Sonno, den Gott des Schlafes, und Jupiter gab, überzeugte besonders als Dafnes Vater Penèo.

Die Mitwirkung des Schattentheaters war eine Bereicherung der Opernvorstellung (Copyright: Rupert Larl)

Genannt seien auch die drei Schattentheater-Spieler Massimo Arbarello, Fabio Bellitti und Sebastiano Di Bella, die mit Grandezza auf tänzerische Weise ihre Rollen in Cavallis Oper gaben. „alTREtracce wurde im Jahr 2006 gegründet und widmet sich einer verfeinerten Ergänzung von theatralischen Techniken mit der träumerischen und evokativen Sprache des Schattentheaters“, wie im informativ gestalteten Programmheft der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik festgehalten ist. Die Künstlergruppe arbeitet vornehmlich mit bedeutenden italienischen Theaterhäusern zusammen.

Das Orchester Accademia La Chimera, das 2015 gegründet wurde und im Vorjahr die Finalrunde des Cesti-Wettbewerbs in Innsbruck begleitete, brachte unter der Leitung von Massimiliano Toni die reizvolle Partitur des Komponisten voll zur Geltung. Der Dirigent und sein Orchester wurden vom begeisterten Publikum am Schluss ebenso gefeiert wie alle Mitwirkenden. Bravo-Rufe gab es für das Regieteam!

Udo Pacolt 22.8.2018

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PS: „Apollo e Dafne“ steht noch am 22. und 23. August 2018 im Innenhof der Theologischen Fakultät in Innsbruck auf dem Programm.