Ljubljana: „Luisa Miller“


Laura – Ana PAVLOV PERVANJE, Federica – Nuska DRASCEK ROJKO, Rodolfo – Jenish YSMANOV, Luisa – Elvira HASANAGIC, Maestro David SVEC, Miller – Cüneyt ÜNSAL, Walter – Juan VASLE. Foto: Tanzler

Aufführung am 7.03.2020

Welch begeisternder, mitreißender Opernabend! So mitgenommen hat mich schon länger keine Finalszene, ich gestehe durchaus ein, daß ich Tränen in den Augen hatte. Und aus den begeisterten Reaktionen des Publikums schloß ich, daß der überwiegende Teil ebenfalls begeistert war. Ja, die Stimmung hat gepaßt und das, obwohl das – kleine – Laibacher Haus nicht einmal zur Hälfte gefüllt war. War da daran tatsächlich die Corona-Hysterie dran Schuld? Der in einer Halle am selben Abend hätte stattfindende Solo-Abend von Andrea Bocelli fiel einer Absage zum Opfer, und angeblich drohte dies auch dem Abend in der Oper – Gott sei Dank ging er trotzdem über die Bühne.

Und er bewies einmal mehr, daß es zu einem eindrucksvollen Erlebnis eigentlich nicht viel Bedarf: ein dem Libretto dienendes einfaches Bühnenbild ( hier ein weisses Halbrund als Bühnenhintergrund, das stimmungsvoll beleuchtet wurde, davor ein paar einfache Requisiten – Sessel, Tischchen, ein Kreuz, Millers Soldatenuniform auf einem Kleiderständer etc. – von Rudolf Rischer, wunderschöne, farbige und kleidsame (!) Kostüme von Bettina Richter – endlich mal eine Kostümbildnerin, die etwas von ihrem Handwerk versteht und Geschmack hat! Brava! – und eine einfache, die Handlung klar strukturierende, sängerfreundliche Regie von Altmeister Lutz Hochstraate, und dazu ein Team von engagierten, erstklassigen Interpreten und einem Maestro, der seinen Verdi kennt und Gespür für die Partitur hat! Klingt eigentlich ganz simpel – doch in der Realität tritt dieser Glücksfall eben nur ganz selten ein.

Nun der aus Prag stammende David Svec, der nach der „Verkauften Braut“ hier nun seine zweite Produktion betreute, war der nach Giampaolo Bisanti , den ich in Macerata und zuletzt in Hamburg gesehen hatte, gleichwertige Dirigent, der offenbar den Verdischen Duktus instinktiv inne hat. Schon bei den ersten Takten der Ouvertüre war klar, daß es heute einfach „passen“ wird. Neben perfekten, federnden Tempi und dem Eingehen auf die Sänger, hatte er auch einen spürbaren Draht zum ausgezeichneten Orchester und unterlegte das Geschehen auf der Bühne mit einer Italianita und einem Drive, der gefangen nahm, und konnte einen unglaublichen Spannungsbogen aufbauen. Auf der Bühne konnte er dabei ein Liebespaar führen, das sich nach einem ausgezeichneten Abend immer mehr zu einer Weltklasseleistung steigern konnte. Und das, man höre und staune, nachdem beide bereits an den beiden Vorabenden ebenfalls ihre Rollen singen mussten, da die Alternativbesetzungen krank geworden sind: an drei aufeinanderfolgenden Abenden Luisa und Rodolfo singen ist allein schon ein Parforce-Ritt, und dann auf diese Art ist ein wahres Kunststück!

Elvira Hasanagic, in Ljubljana aufgewachsen, mit bosnischen Wuzeln, die u.a. auch in Deutschland studiert hatte , kann man absolut als ideale Luisa bezeichnen. Eine angenehm timbrierter Sopran, der sich von den Koloratur und Belcantorollen hin zum „größeren“ Verdi zu entwickeln scheint hat die Leichtigkeit und das mediterrane Flair, um gleich den Auftritt hinzuperlen, daß es eine Freude ist. Ihre liebliche Bühnenpräsenz unterstützt dabei ihre vokalen Preziosen, und im Laufe des Abends dreht sie dann bei „Tu puniscmi“ und speziell der darauffolgenden Cabaletta gehörig auf. Im Duett mit ihrem Vater und dem grandiosen Finale, das sie mit einem herrlich gestützten piano phrasiertem „Ah! L´ultima preghiera“ einleitet legt sie ihr ganzes Herz in ihren seelenvollen Gesang, eine großartige Leistung! Ihr geradezu kongenialer Partner war der aus Kirgistan stammende Tenor Jenish Ysmanov. Schien der kleingewachsene Tenor beim ersten Auftritt noch ein wenig zurückhaltend , begeisterte er durch eine perfekte italienische Phrasierung, einer bombensicheren Technik und einem „sqillo“ in der Höhe. Sein „Quando le sere al placido“ war einer der Höhepunkte des Abends, das Finalduett mit Hasanagic gehörte zum absolut Besten, was ich in den letzten Jahren auf der Opernbühne gehört und gesehen habe!

Da gesellte sich ja auch dann noch Luisas Vater in Gestalt von Cüneyt Ünsal hinzu, der aus der Türkei stammende Bariton lebt nun mit seiner Familie in Venedig. Ein paar wenige eher flachere Töne in „Sacra la scelta“ ließ er durch seinen Legato geprägten Verdi-Gesang rasch vergessen, war im Finale des ersten Aktes mit“Fra mortali“ ungemein präsent und trumpfte auch enorm mit seiner Bombenhöhe auf ( am Ende von „Ah! fu giusto il mio sospetto“ und im Duett mit Luisa) und war sowohl glaubwürdig und berührend als Bühnenfigur als auch vom vokalen Standpunkt her erstklassig. Beeindruckend als Persönlichkeit und vom Alter perfekt passend der aus Argentinien stammende und lange Jahre zum Ensemble in Ljubljana gehörende Juan Vasle , der seinen offenbar in vielen Opernschlachten eingesetzten Bass dank ausgezeichneter Technik zu imposanten Tönen zwang. Der Wurm war bei Sasa Cano bestens aufgehoben, der seinen große Bass pointiert einsetzte und den schleimigen Charakter bestens auch szenisch interpretierte. Eine Luxus Federica war Nuska Drascek Rojko, in einem wunderbaren roten Kleid eindrucksvoll aussehend, mit perfekt sitzendem, klangvollen Alt , „grinta“ und enormer Ausstrahlung – kann mich an kaum eine bessere „Live“-Federica erinnern…Und auch die kleinen Rollen waren erstklassig besetzt: Ana Pavlov Pervanke ließ mit ihren wenigen Phrasen mit ihrem leichten Mezzo aufhorchen, und selbst der Contadino von Rusmir Redzic absolvierte seine Phrasen mit Qualitätsstimme in bestem Italienisch! Da auch der von Zeljka Ulcnik Remic einstudierte Chor auf hohem Niveau agierte, waren die musikalischen Freuden nahezu grenzenlos.

Man sollte diese Produktion in der sympathischen Hauptstadt unseres südlichen Nachbarn auf keinen Fall versäumen! ( Von Wien ist man bequem in 3 Stunden 15 Minuten dort, die Steirer und Kärntner habens natürlich noch besser…)

Michael Tanzler, 10.3.2020

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