Tecklenburg: „Don Camillo & Peppone“

Arbeit mit viel Herzblut

Im Vorwort des diesjährigen Programmheftes erwähnt Radulf Beuleke, stets sehr engagierter Intendant der Freilichtspiele Tecklenburg, dass man außerhalb der Saison nach wie vor mit nur 5 Festanstellungen und einem Ehrenamt arbeiten würde. In Anbetracht immer größerer Produktionen, wachsender Ansprüche und dem hohen Niveau, welches die Bühne in den letzten Jahren zu einer der Top-Adressen für Musicals in Deutschland werden ließ, ist dies eine sehr beachtliche Leistung. Jahr für Jahr stemmt man große und vor allem großartige Produktionen, bei denen auch immer wieder bekannte Namen im Bereich der Darsteller wie auch im Bereich der Inszenierung gerne ins Tecklenburger Land kommen.

So ist auch die diesjährige erste große Premiere (nach dem liebevoll gestalteten Kinderstück „Das Dschungelbuch“) ein großer Erfolg. Als erstes Theater in Deutschland konnte man sich von den Vereinigten Bühnen Wien die Aufführungsrechte für das Musical „Don Camillo & Peppone“ sichern. Basierend auf den Romanen von Giovannino Guareschi und vor allem bekannt durch die Filme der 50er-Jahre wird hier die Geschichte des kleinen italienischen Dorfes Boscaccio erzählt, in dem sich kurz nach dem 2. Weltkrieg der neu gewählte kommunistische Bürgermeister Peppone und der katholische Dorfpfarrer Don Camillo das ein oder andere Gefecht liefern. Erzählt wird uns diese Zeitreise durch die alte Gina, die den Zuschauer mitnimmt in Ihre Gedanken an früher. Dies setzt Regisseur Andreas Gergen, der bereits die Originalinszenierung in St. Gallen und Wien schuf, ganz bezaubernd für die große Freilichtbühne um. Dabei verzeiht man auch gerne, dass er an einer Stelle etwas bei sich selbst abgeschaut hat, erinnert die Suche mit den Taschenlampen nach dem vermissten Liebespaar doch sehr stark an Rebecca vor zwei Jahren. Allerdings ist dieser Effekt auf der großen Bühne auch nach wie vor sehr sehenswert. Fast schon genial zudem, wie es Herrn Gergen am Ende gelingt, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger deutlich zu machen, wie wichtig es ist, dass man Werte wie die europäische Union schätzt, was im Alltag oft untergeht. Großes Lob hier auch an die Lichtabteilung, die mit für dieses sehr eindrucksvolle Finale sorgt. Allgemein lassen sich viele kleine Botschaften aus diesem Werk gut in die heutige Zeit übertragen, hier hat man bei der Programmplanung für diese Spielzeit das richtige Werk zur richtigen Zeit ausgewählt.

Doch kommen wir zur musikalischen Seite, die Musik von Dario Farina zu der Michael Kunze Buch und Liedtexte schrieb, kommt sehr vielschichtig daher, mal geht es etwas in Richtung Schlager, dann wieder in Richtung Italo-Pop und italienische Folklore, dazwischen gibt es große musicaltypische Soli für die Hauptdarsteller, eine Ballade zweier Liebender und große Ensemblewerke. Doch alles fügt sich wunderbar in die Handlung ein und wirkt an keiner Stelle wie ein lose zusammengestelltes Gemischtwarenangebot. Im Gegenteil, „Don Camillo & Peppone“ kann auf musikalischer Ebene durchaus überzeugen. Großen Anteil hat hieran auch wieder das stark aufspielende Orchester unter der Leitung von Giorgio Radoja. Für die beiden Hauptrollen konnte man mit Thomas Borchert (Don Camillo) und Patrick Stanke (Peppone) zwei sehr bekannte Namen gewinnen, die diese Rollen nahezu perfekt verkörpern. Gesanglich tadellos und jeweils mit viel Spielfreude gehen beide zu Werke und bringen dabei den Humor, der für dieses Stück sehr wichtig ist, gut zur Geltung.

Thomas Borchert versucht sich hierbei immer wieder im Zwiegespräch mit Jesus (der in dieser Produktion durch Florian Albers sichtbar auf die Bühne gebracht wird) für seine Schwindeleien zu rechtfertigen und Patrick Stanke wächst als Peppone nach und nach in sein nicht einfaches Bürgermeisteramt hinein. Trotz diverser Differenzen, die auch schon mal in einer kleinen Prügelei im Glockenturm ausgetragen werden, wollen doch beide nur das Beste für das Dorf in dem sie leben. Im Laufe des Stückes erkennen sie, dass sie vielleicht gar nicht so verschieden sind, wie es zu Beginn scheint. Was die beiden Darsteller hier in Sachen Zusammenspiel und perfektem Timing zeigen sucht durchaus seines Gleichen. Die alte Gina wird von Barbara Tartaglia verkörpert, die diese Rolle auch bereits in der Schweiz und in Österreich besetzte. Gleich zu Beginn mit „Lang ist es her“ sorgt sie für den ersten kleinen Gänsehautmoment. Sehr stark auch immer wieder die Szenen, in denen sie voller Wehmut aber durchaus glücklich auf die junge Gina schaut. Auch die übrige Besetzung ist ebenso namhaft wie treffend besetzt: Milica Jovanovic als junge Gina, Dominik Hees als sie liebender Mariolino, Kevin Tarte als Ginas Vater, Jörg Neubauer als Mariolinos Vater, Femke Soetenga als Lehrerin Laura Castelli und Jan Altenbockum als Dorfarzt. Für besonders humorvolle Einlagen sorgt auch immer wieder Sebastian Brandmeir als Ginas Großvater Nonno, der sich in Laura verliebt hat und somit noch nicht bereit ist das Zeitliche zu segnen. Dazu gesellt sich ein großartiges Ensemble, so dass sich besonders die großen Gruppenszenen bei „Regen, Regen, Regen“ oder „Wunder geschehn“ trotz der großen Bühne wunderbar entfalten können. Hier sorgen auch die gelungenen Choreografien von Till Nau zum stimmigen Gesamtbild. Als Bühne schuf Jens Janke eine große Piazza, die durch die Häuserreihe des Dorfes abgeschlossen wird. Hinter einem Brunnen befindet sich zudem das Innere der Kirche, bei der das große Fenster im Laufe des Abends oft stimmig beleuchtet ist. Die Kostüme wurden von Karin Alberti passend der Zeit gestaltet.

Wer also für einen warmen Sommerabend noch nach der passenden Unterhaltung sucht, dem sei an dieser Stelle der Festspielsommer in Tecklenburg ans Herz gelegt. Hier bekommt man für sehr humane Eintrittspreise ganz hervorragende Musicalproduktionen zu sehen, dies gilt im Besonderen auch für „Don Camillo & Peppone“. Alle Erstbesuchern seien aber darauf hingewiesen, dass ein bequemes Sitzkissen und bei zu erwartenden kühleren Temperaturen eine kleine Decke absolute Pflichtausstattung sind. Am gestrigen Tage blieb die Decke allerdings vollkommen ungenutzt in der Tasche, dafür lieferte der Sonnenuntergang über dem linken Teil der Freilichtbühne noch einen zusätzlichen zauberhaften Effekt, den man so nur in der freien Natur erleben kann.

Markus Lamers, 30.06.2019
Bilder © Stephan Drewianka