Tecklenburg: „Rebecca“

Manderley brennt lichterloh

„Rebecca“ ist ein berühmter Roman (1938) von Daphne du Maurier und ein vielleicht noch berühmterer Film (1940) von Alfred Hitchcock. Sylvester Levay (Musik) und Michael Kunze (Libretto) haben daraus ein Musical gebastelt, das 2006 im Wiener Raimund Theater uraufgeführt wurde und dort in 339 Aufführungen Triumphe feierte. Nun haben die Freilichtspiele Tecklenburg das Musical als erste Open Air Produktion in Deutschland präsentiert und mit der dreistündigen Aufführung ihren Ruf als führende Musical-Bühne einmal mehr untermauert.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie gut die Möglichkeiten auf der Burgruine für die Anforderungen des jeweiligen Stücks genutzt werden. Regisseur Andreas Gergen und Bühnenausstatterin Susanna Buller haben mit Geschick und Phantasie faszinierende Spielräume geschaffen.

Eine Häuserfront im Hintergrund dient als Grandhotel in Monte Carlo, als Gerichtssaal und steht natürlich besonders für den Adelssitz Manderley von Maxim de Winter. Dort spuken schwarze Gestalten bedrohlich umher – die Schatten der Vergangenheit, die von Mrs. Danver, der hinterhältigen Haushälterin des Anwesens, beschworen werden und der neuen Mrs. de Winter („Ich“) ordentlich zu schaffen machen. Denn der Geist ihrer Vorgängerin Rebecca scheint allgegenwärtig. Erst als Maxim gesteht, dass er Rebecca nicht geliebt sondern gehasst hat („Kein Lächeln war je so kalt“) und sie durch einen Unfall ums Leben gekommen ist, wendet sich alles zum Guten, zumal auch eine drohende Mordanklage abgewendet werden kann. Mrs. Danver setzt Manderley am Ende schließlich in Brand – ein eindrucksvoller Moment, bei dem die Feuersbrunst mittels Projektionen furios in Szene gesetzt wird.

Gergen inszeniert das Musical vor allem als Katz-und-Maus-Spiel zwischen der neuen Mrs. de Winter und Mrs. Danver. Beide Partien sind mit Milica Jovanovic und Pia Dowes hervorragend besetzt. Jovanovic kann mit ausdrucksvoller, kraftvoller Stimme ihre Balladen „Zeit in einer Flasche“ oder „Heut Nacht verzaubere ich die Welt“ überzeugend gestalten. Auch Pia Dowes ist als Mrs. Denver von großartiger Bühnenpräsenz. Allein ihre Erscheinung und ihre Körperhaltung sprechen Bände und erinnern an Judith Anderson im Hitchcock-Film. Ihr Song „Sie ergibt sich nicht“ geht unter die Haut. Jan Ammann gibt den Maxim de Winter als charmanten Liebhaber, aber auch als cholerischen Charakter, der im Innern tief verzweifelt ist. Seine Duette mit Jovanovic, insbesondere „Hilf mir durch die Nacht“, sind nicht frei von Pathos. Auch die kleineren Rollen sind hervorragend besetzt. Maxims Schwester wird von Roberta Valentini gespielt (sie sang einst die Titelrolle in der Bremer „Marie Antoinette“), Anne Welte gibt als Mrs. Van Hopper die komische Alte vom Dienst und weckt Erinnerungen an die amerikanische Klatschkolumnistin Elsa Maxwell. Christian Fröhlich sorgt als verrückter Ben für ein besonderes Kabinettstückchen und Robert Meyer ist der erpresserische Cousin Rebeccas.

Trotz kleiner Längen im zweiten Teil ist Andreas Gergen eine phantasievolle und temporeiche Inszenierung gelungen, mit schnellen Verwandlungen, einer augenzwinkernden Blitzhochzeit und dramatischen Zuspitzungen. Die Lichtgestaltung trägt dazu ihren Teil bei wie auch die Kostüme von Karin Alberti und die Choreographie von Danny Costello.

Und die Musik von Levay: Sie ist so, wie man sie auch aus seinen anderen Musicals kennt. Die einzelnen Stücke sind durchaus reizvoll, bieten aber insgesamt nicht viel Abwechslung. Aber der musikalische Leiter Tjaard Kirsch sorgt mit dem Chor und dem Orchester der Festspiele Tecklenburg denn doch für Schwung und Kurzweil

Wolfgang Denker, 29..07.2017

Fotos von Andre Havergo