Triest: „Tosca“

Museales Ambiente aus 1900

Was würden wohl die bedingungslosen Anhänger des „modernen Regietheaters“ oder die absoluten Gegner einer historischen Aufführungspraxis sagen, wenn sie so eine Aufführung von Giacomo Puccinis „Tosca“ erleben würden, wie diese am Teatro Verdi in Triest?

Es war damals 1903, als dieser heute so populäre Verismo-Edelreißer erstmalig in Triest aufgeführt wurde, drei Jahre nach seiner Uraufführung in Rom. Es ist jetzt 2013, also exakt 110 Jahre danach. Man gedachte seitens der Intendanz an dieses Ereignis, indem man die komplette Ausstattung der römischen Uraufführung, die Adolf Hohenstein genau nach den Vorgaben im Libretto erdacht hatte, nachbauen ließ. Und so schuf Ettore Rondelli beinahe originalgetreu den wuchtigen Innenraum der römischen Kirche Sant’ Andrea della Valle, den prunkvollen Raum des bösartigen Polizeichefs Scarpia samt schwerem Mobiliar im Palazzo Farnese sowie die Plattform der Engelsburg mit einem weiten Blick auf das alte Rom inklusive Petersdom und Vatikan wie auch einen Himmel, wo tatsächlich immer wieder die Sterne blitzten.

Es ist jetzt Giulio Ciabbati, dem am Teatro Verdi so etwas wie die Rolle eines Haus- und Hofregisseurs zufällt, die Aufgabe zugefallen, diese historische Kulisse mit entsprechendem Leben zu erfüllen: In erster Linie sieht der Opernfreund viel Ästhetik fürs Auge, denn die Bilder sind beeindruckend, was auch den prachtvollen, historischen Kostüme zu verdanken ist. Die Bilder bleiben jedoch meist statische Arrangements mit viel Rampentheater davor. Ciabatti weiß jedoch worauf es ankommt und kann in seiner urtraditionellen, absolut librettokonformen Inszenierung die Schlüsselszenen durchaus mit großen Gefühlen und Spannungen erfüllen, wobei man aber auch hier schon vieles weitaus mitreißender und packender gesehen hat.

Dabei hätten die Sänger durchaus noch weit mehr darstellerisches Potenzial, das ungenützt bleibt, denn einige von ihnen hat man schon in anderen Produktionen erlebt. Sängerisch lässt sich nicht viel herummäkeln, denn Alexia Voulgaridou singt die gefeierte Sängerin Floria Tosca mit großen Gefühlen und reich an Fassetten. Allerdings hat der Opernfreund ihre bekannte Arie „Vissi d’arte“ schon inniger und verzweifelter gehört. Und auch Alejandro Roy lässt als Cavaradossi die Sterne in seiner populären Arie, an der kein Tenor dieses Faches vorbeikommt, blitzen. Der Spanier verfügt über ein schlankes, makelloses Tenormaterial mit scheinbar mühe- und grenzenlosen Spitzentönen. Roberto Frontali ist für die Rolle des Scarpia beinahe zu nobel timbriert und könnte durchaus noch böser und gemeiner agieren. Weiters gefallen neben dem sehr homogenen Chor des Opernhauses noch Gabriele Sagona als kerniger Angelotti sowie Paolo Rumetz als Mesner.

Ein „alter Hase“ am Pult ist Donato Renzetti, der die Oper im linken Finger hat. Leider verfällt der italienische Maestro allzu oft in mittelmäßige Routine. Allerdings kann er sehr wohl, bei den Schlüsselszenen im Orchester des Teatro Verdi Subtilität wie auch das Feuer der Emotionen und der packenden Dramatik entfachen.

Die italienischen Opernfreunde sind jedenfalls rundum zufrieden und begeistert. Es ist eine Tosca Produktion –übrigens die 19. seit der Erstaufführung hier, die genau den Gusto des Publikum trifft, weswegen sie auch vehement bejubelt wird.

Helmut Christian Mayer
Bilder: Parenzan Visual Art TS