Wien: „La scuola de’ gelosi“, Antonio Salieri

Der Eindruck, den man letzten Herbst im Theater an der Wien nach seinem „Falstaff“ hatte, wiederholt sich bei „Die Schule der Eifersucht“ in der Kammeroper: Wie stünde heute Antonio Salieri auf unseren Bühnen da, hätte Gott ihm nicht Wolfgang Amadeus Mozart vor die Nase gesetzt (was Peter Shaffer ja in seinem Meisterstück „Amadeus“ dramatisiert hat). Wieder erlebt man einen vorzüglichen, geschmackvollen, ideenreichen, mit Abwechslung und Motiven gesegneten Komponisten, dem man oft auf der Bühne begegnen würde, wenn…

Ja, wenn. Salieri schrieb „La scuola de´gelosi“ nach einem Libretto von Caterino Mazzolà, einem Routinier seiner Zeit (später vertonten auch Johann Simon Mayr, Niccolò Piccinni oder Franz Xaver Süssmayr die Texte des hauptsächlich in Sachsen tätigen Schreibers, nicht die Oberliga also, aber immerhin), und uraufgeführt wurde das Dramma giocosa in der Karnevalsaison 1778/79 in Venedig. Man hat es dann 1783 am Wiener Burgtheater nachgespielt, wo Salieri schließlich Hofkomponist war… Wäre da nicht 1790 ebenda Mozarts „Cosi fan tutte“ zur Uraufführung gelangt, wer weiß. Aber gerade im Zusammenhang mit diesem Werk wird der alte, vergessene Salieri für uns doppelt interessant (abgesehen davon, dass er, wie gesagt, sehr gut komponieren konnte).

Die Ähnlichkeit von der dramaturgischen Struktur her ist verblüffend. Zwei Paare in Liebesverwirrungen und –verstrickungen, hier vor allem von Eifersucht geprägt. Die Dienerin, Mozarts Despina, bekommt hier ihren Diener dazu, so dass drei Paare daraus werden. Mozarts Don Alfonso ist hier ein Leutnant, dem dieselbe Funktion zufällt – nämlich die Fäden zu ziehen, die Gefühle noch mehr zu verwirren und am Ende allen zu zeigen, Cosi fan tutte, traut den Frauen nicht und nicht den Männern…

Nur! Nur dass Lorenzo Da Ponte vergleichsweise ein Meister war, und wo „Cosi“ eine genau sich entwickelnde Handlung hat, bleibt bei der „Scuola de´gelosi“ das gewisse szenische Chaos, und die Selbstzweck-Turbulenzen, die sogar einmal im Irrenhaus landen, führen zu einer gewissen Einförmigkeit. Die besten Opern sind halt doch jene, denen eine gerade dramaturgische Struktur innewohnt. Und so scheitert dann auch Salieri, der in der Kammeroper in einer venezianisch / wienerischen Mischfassung geboten wird (er hat das Werk für das andere Publikum wieder bearbeitet, Arien verändert etc.), an der Geschichte.

Diese Fassung leidet an Mangel an Ökonomie, und die englische Regisseurin Jean Renshaw, die vor zwei Jahren mit Gassmanns „Gli Uccelatori“ an diesem Ort so großen und berechtigten Erfolg hatte, spürte genau, wie wacklig die Handlung ist. Leider hat sie die falsche Lösung gefunden – anstatt die Sache möglichst locker auf die Bühne zu bringen, verkrampft sie den Humor bis zum Geht-nicht-mehr. Dabei hat ihr Ausstatter Christof Cremer ein köstliches, einfaches und doch raffiniertes Bühnenbild gebaut, das sie selbst im Programmheft „Türenkarussell“ nennt, danke, man wüsste kaum, wie man diese strukturierte Wand, die in dauernder Bewegung ist und den Darstellern unendliches an Logistik abverlangt, nennen sollte. Aber hier herrscht die richtige Verfremdung, die zu Beginn so funktioniert und dann leider immer turbulenter und dann auch leider immer blöder wird.

Dazu trägt Cremer auch mit den Kostümen bei: Dass die drei Paare gesellschaftlich differenziert sind – Adel, Bürger, Diener -, zeigt sich am 18. Jahrhundert-Gewand des Grafen (mit ausreichend Spitzen), während die anderen gewissermaßen im Stil der 50er Jahre herumstaksen, die Damen mit den wippenden Röcken, unter denen viele Petticoats für Halt sorgen müssen.

Die Muster der Kleidung sind so geschmacklos wie die Tapete, aber so richtig verblödet wird es im Narrenhaus, wenn alle nicht nur Zwangsjacken tragen, sondern auch weiße „Mobbs“ am Kopf, deren Schnüre perückenartig herabhängen… Dass dann auch Haushaltsgeräte herumgeschleppt werden, darunter ein Bügelbrett mit Bügeleisen (damit kann man, ach wie lustig, unliebsamen Gegnern die Hand verbrennen), lässt die Inszenierung, die so viele hoffnungsvolle Ansätze besaß, ziemlich in den Abgrund rauschen. Ganz abgesehen davon, dass die Fassung – wer immer letztendlich dafür verantwortlich ist – sich als unökonomisch, sprich: viel zu lang, erweist, die zweidreiviertel Stunden ziehen sich, szenisch zumindest wäre jede Menge verzichtbar gewesen.

Immerhin, die Musik – der Bach Consort Wien, schwungvoll für ein Ensemble alter Musik, geleitet von Stefan Gottfried – hält das Ganze bestens am Laufen, und die Besetzung kann, was sie soll. Tatsächlich sind sie alle sehr, sehr komisch (bis zur angesagten Übertreibung).

Shira Patchornik als eifersüchtige Gräfin und Carolina Lippo (das ist vielleicht eine Komödiantin!) als umschwärmte Bürgersfrau sind Sängerinnen, die stimmlich, technisch und darstellerisch souverän mit ihren Mitteln umgehen und einiges zu bieten haben (leider werden beide Stimmen im Forte eher schrill), und Anna Marshania outriert ihr tadellos gesungenes Kammermädchen bis zur Schamlosigkeit.

Die Herren stehen ihnen um nichts nach (wobei zwei von ihnen ganz schnell aus den Kleidern schlüpfen müssen, um ihre tadellosen Figuren in Unterhosen darzubieten): Lockenkopf Julian Henao Gonzalez macht sich als lüsterner Graf lächerlich, Matteo Loi als verbissener, eifersüchtiger Gatte und Florian Köfler (der einzige österreichische Beitrag zum derzeitigen jungen Ensemble) ist von „dienerhafter“ Geschmeidigkeit in Stimme und Spiel. Nur der Mann, der die Fäden zieht, bleibt in Gestalt von Aleksander Rewinski eher steif, und dass die Regie ihm eine Tänzerin (Irene Bauer) zur Seite stellt, die ihn dauernd körperlich umgarnen muss, zählt zu den überflüssigsten Ideen des Abends, der an Überflüssigkeiten vieles hat – ohne dass man ihn missen mag. Denn die Musik hat Spaß gemacht.

Nicht, dass man den Vergleich gebraucht hätte, aber man lernt immer gern dazu: Ja, „Cosi fan tutte“ ist eben so viel besser. Erst Mozart, dann Da Ponte. Die haben die Zeitgenossen locker in die zweite Reihe gewiesen.

Übrigens: das Publikum amüsierte sich bei dem billigen Geblödel sehr. Und die Interpreten haben ihren Beifall mehr als verdient.

Renate Wagner 23.5.2017

Bilder (c) Herwig Prammer