CD: „Florence Price: Orchesterwerke“, Chineke! Orchestra

Die Neuaufnahme der Werke der Afro-Amerikanerin Florence Price, erschienen bei DECCA, ist ein wichtiges Album, das sowohl die musikalische Virtuosität von Price als auch ihre Bedeutung als Pionierin der afroamerikanischen Musik hervorhebt. Anlässlich des 70. Todestages von Florence Price feiert das Chineke! Orchestra die Komponistin mit einer packenden Interpretation ihrer preisgekrönten Werke. Unter der Leitung von Leslie Suganandarajan und Roderick Cox wird die Vielfalt der afroamerikanischen Musik in all ihrer Pracht und Emotionalität zum Leben erweckt.

Die CD beginnt mit dem „Piano Concerto in One Movement“ von Price, das 1934 uraufgeführt wurde. Das  Klavierkonzert von Florence Price ist ein ungewöhnliches Werk, das sowohl technische Virtuosität als auch emotionale Tiefe vereint. Das Konzert wurde 1934 uraufgeführt und zeigt Price’s Fähigkeit, klassische Formen mit afroamerikanischen Einflüssen zu verbinden. Ihr Klavierkonzert folgt nicht dem traditionellen dreisätzigen Aufbau, sondern ist als ein einziges zusammenhängendes Stück komponiert. Es zeigt deutliche Einflüsse des romantischen Stils, insbesondere in der Verwendung von lyrischen Melodien und expressiven harmonischen Fortschritten. Die harmonische Sprache von Price ist reichhaltig und einfallsreich. Sie verwendet komplexe Akkordfolgen und Modulationen, um Spannung und Abwechslung zu erzeugen. Diese harmonische Komplexität verleiht dem Konzert eine klangliche Tiefe und macht es zu einer faszinierenden musikalischen Reise. Die orchestrale Begleitung im Klavierkonzert spielt eine ebenso wichtige Rolle wie das Klavier selbst. Price verwendet eine Vielzahl von Orchesterfarben, um die musikalischen Ideen zu unterstützen und zu kontrastieren. Die rhythmische Vitalität des Orchesters wird besonders betont, wobei afroamerikanische Rhythmen und Melodien in die Partitur eingearbeitet sind. Dadurch entsteht eine fesselnde musikalische Atmosphäre, die das Publikum mitreißt.

Die junge Pianistin Jeneba Kanneh-Mason spielt das Klavierkonzert virtuos und jederzeit souverän. Kanneh-Mason beeindruckt mit ihrer technischen Brillanz und ihrem tiefen Verständnis für die musikalische Sprache von Florence Price. Ihre Finger gleiten mühelos über die Tasten und verleihen dem Konzert eine unglaubliche Energie und Lebendigkeit. Gleichzeitig beherrscht sie die ruhigeren Passagen mit großer Empfindsamkeit und erzeugt so eine fesselnde Atmosphäre. Ihre Interpretation des Klavierkonzerts ist gleichermaßen kraftvoll und einfühlsam und zeigt ihr außergewöhnliches Talent als aufstrebende Pianistin. Leslie Suganandarajah ist eine gute Wahl als Dirigent. Seine Interpretation des Werkes ist von Sensibilität und Präzision geprägt und ermöglicht eine gelungene Zusammenarbeit. Suganandarajah versteht es, das Orchester einfühlsam zu leiten und die Balance zwischen dem Klavier und der orchestralen Begleitung zu wahren. Dabei achtet er auf die feinen Nuancen und Details der Partitur, um die musikalischen Ideen von Florence Price zum Ausdruck zu bringen. Er ist sensibel für die rhythmischen und melodischen Elemente des Klavierkonzerts und betont sie geschickt, um den emotionalen Gehalt der Musik zu verstärken. Darüber hinaus hat Suganandarajah ein tiefes Verständnis für die afroamerikanische musikalische Sprache, die in Price’s Kompositionen verwurzelt ist. Er verleiht den Rhythmen und Melodien, die im Klavierkonzert präsent sind, eine authentische Ausdruckskraft. Durch seine lebendige und mitreißende Interpretation schafft er eine packende musikalische Atmosphäre. Er sorgt für eine ausgeglichene Klangbalance zwischen dem Orchester und dem Klavier, wodurch der musikalische Dialog zwischen den beiden Elementen harmonisch entfaltet wird.

Die Sinfonie Nr. 1 in e-Moll, ist ein bahnbrechendes Werk, das Price 1933 als erste afroamerikanische Frau in Zusammenarbeit mit einem großen nationalen Orchester aufführen ließ.  Das Werk besteht aus vier Sätzen und folgt weitgehend der traditionellen sinfonischen Formgebung. Die rhythmische Vitalität ist ein prägendes Merkmal der Symphonie. Rhythmen wie der Swing, der in der Jazzmusik populär war, werden geschickt in die Orchesterpartitur integriert und verleihen der Musik einen mitreißenden Schwung. Price’s Sinfonie Nr. 1 ist auch für ihre melodische Schönheit bekannt. Sie verwendet lyrische Melodien, die oft von Spirituals inspiriert sind, um emotionale Tiefe und Ausdruckskraft zu erzeugen. Die Orchesterinstrumente werden geschickt eingesetzt, um diese Melodien zu unterstützen und ihnen Klangfarbe zu verleihen. Die Harmonien sind ebenfalls von großer Bedeutung und tragen zur authentischen Stimmung und Atmosphäre des Werkes bei.

Das Chineke! Orchestras unter der Leitung von Roderick Cox spiele eine kraftvolle, einfühlsame Interpretation. Cox versteht es, die dynamischen Kontraste und rhythmischen Nuancen der Sinfonie zu betonen und verleiht ihr einen begeisternden Schwung.

Das Album schließt mit „His Resignation and Faith“ aus „Ethiopia’s Shadow in America“, einem selten aufgenommenen Orchesterwerk von Florence Price. Leslie Suganandarajah übernimmt die Leitung für dieses Stück und führt das Chineke! Orchestra mit großer Sensibilität. „His Resignation and Faith“, erzählt die Geschichte von afrikanischen Einwanderern, die in Amerika ankommen und sich den Herausforderungen der neuen Welt stellen müssen. Die Musik ist geprägt von emotionaler Intensität und tiefgründigen melodischen Wendungen. Suganandarajah versteht es, die feinen Nuancen der Komposition zu realisieren und schafft eine eindringliche Atmosphäre, die den Hörer mitnimmt auf eine Reise voller Hoffnung und Widerstandsfähigkeit.

Neben den herausragenden Interpretationen der Werke von Florence Price ist es auch wichtig, das Chineke! Orchestra zu würdigen. Das Chineke! Orchestra ist ein Orchester, das sich der Förderung von Talenten aus ethnischen Minderheiten widmet. Es wurde 2015 von dem Dirigenten Roderick Cox und dem Klarinettisten Chi-chi Nwanoku gegründet und hat seitdem weltweit Anerkennung gefunden. Das Orchester begeistert durch seine leidenschaftlichen Darbietungen und sein Engagement für eine vielfältige und inklusive Musikwelt. Die Zusammenarbeit zwischen dem Chineke! Orchestra, den beiden Dirigenten und der jungen Pianistin Jeneba Kanneh-Mason ist eine kraftvolle Kombination, die die Werke von Florence Price auf eine einzigartige Weise zum Leben erweckt.

Die Neuaufnahme der Werke von Florence Price bei DECCA ergibt eine beeindruckende Hommage an die Afro-Amerikanerin und ihren bedeutenden Beitrag zur Musikgeschichte. Das Chineke! Orchestra, zusammen mit der jungen Pianistin Jeneba Kanneh-Mason, zeigt mit großer Hingabe und technischer Bravour die Schönheit und Kraft von Prices Musik. Die präzisen Hinweise zu den einzelnen Werken und die sorgfältige Gestaltung der Musik machen diese Aufnahme zu einem unverzichtbaren Teil der Diskografie von Florence Price.

Dirk Schauß, 24. Juni 2023


Florence Price

Piano Concerto in One Movement

Sinfonie Nr. 1 e-moll

His Resignation and Faith aus „Ethiopas Shadow in America“

Jeneba Kanneh-Mason, Klavier

Chineke! Orchestra

Leslie Suganandarajah, Roderick Cox, Leitung

Decca, 485 3996