Berlin: Britten-Konzert

Nicht nur Britten-Ehrung

Nicht nur Verdis und Wagners, auch Benjamin Brittens Geburtstag, den hundertsten, gilt es in diesem Jahr zu feiern, und so stellte Donald Runnicles, auch sonst um den englischen Komponisten bemüht, in den Mittelpunkt seines Konzerts mit dem Orchester der Deutschen Oper die Serenade für Tenor, Horn und Streicher. Umrahmt wurde sie von Brahms, seiner Ersten Sinfonie, und von David Glanerts „Brahms-Fantasie“, Heliogravure für Orchester.

Sogar um die deutsche Ersttaufführung handelte es sich bei dem modernen Stück, das zum Ausgangspunkt die ersten Takte der Ersten Sinfonie nimmt, im Stil eben einer „Heliogravure“, bei der Fotografien mit Hilfe einer chemischen Technik übermalt wurden, musikalisch meint das hier ein Umspielen des Themas durch Streichersphärenklänge, die Aufnahme der Stimmungen durch das Sichsteigern vom Melancholischen ins Hektisch-Verzweifelte, düsteres Schwelgen, scherzohaften Gnomentanz und ein feierliches Finale in Choralform. Der anwesende Komponist und die Ausführenden wurden vom Publikum ausgiebig gefeiert.

Während einer Masernerkrankung in den USA schrieb Britten seine Serenade für Tenor, Horn und Streichorchester wie so vieles andere für seinen Lebensgefährten Peter Pears, dessen Gesang damit zum Maßstab für das wird, was dem Komponisten vorschwebte. In der letzten Zeit brillierte besonders Ian Bostridge mit dem Zyklus. Einen Tag nach seinem Erik an derselben Stelle nahm sich Klaus Florian Vogt der sechs Lieder an und war sicherlich der Zuschauermagnet des Konzertabends. Sein Partner war der junge Hornist Daniel Adam, der mit Naturhorn und Doppelhorn die Szene betrat und mit Ersterem einen stimmungsvollen Beginn der „Pastorale“ garantierte. Er hatte auch das letzte „Wort“ mit einem wie ein Echo aus der Ferne klingendem Abschluß des Zyklus. Sein Spiel trug wesentlich dazu bei, die geheimnisvoll melancholische Stimmung der Lieder dem Publikum zu vermitteln, war in der Erfassung und Wiedergabe der Grundstimmung dem solistischen Partner stellenweise überlegen. Klaus Florian Vogt hätte auch diesen Part übernehmen können, war er doch selbst in Hamburg Hornist, ehe er sich zum Sänger ausbilden ließ. Das an eine Knabenstimme gemahnende Timbre paßt generell gut zu Teilen des Zyklus, allerdings klingt manchmal einfach flach, was ätherisch sein sollte, und das ausgiebige Verharren in der Mittellage erweist sich nicht als günstig, da die Stärken des Tenors im oberen Register liegen. Auch irritiert, wie wenig er aus dem allmählich ersterbenden „dying, dying…“ im „Nocturne“ zu machen weiß und wie wenig von der Schwermut der „Elegie“, die in Horn und Orchester unüberhörbar ist, man vernehmen kann. Sowohl in den Gedichten verschiedener englischer Autoren wie in der Musik liegt mehr an Expressivität , als der Sänger zu vermitteln bereit oder in der Lage ist. Am besten gelingt „Sonett“, wo die Stimme schön auf dem Orchesterteppich ruht und eine poetische Stimmung geschaffen wird.

Das letzte Rumoren auf den Zuschauerrängen war noch nicht verstimmt, als sich Donald Runnicles mit dem nun auf volle Größe erweiterten Orchester der Deutschen Oper ins schwermütige Getümmel der Brahms-Sinfonie stürzte. Aufmerksam ließ er die einzelnen Orchestergruppen sich in ihrem Spiel entfalten, sie ruhig ausschwingen, zeichnete großzügige Bogen nach und brachte im zweiten Satz den Zaubergarten romantischer Musik zum Erblühen. Zu wirkungsvoller Steigerung wurden die einzelnen Themen geführt, ehe das Choralthema das Stück quasi überwölbte und zu seinem feierlichen Ende führte. Der unüberhörbare Sinn für Steigerungen, für das Aufbauen von Kontrasten ließen auch diesen Teil des Konzerts zu einem stürmisch bejubelten werden.

Auch die restlichen drei Brahms-Sinfonien wird das Orchester unter seinem Generalmusikdirektor im Verlauf der nächsten Saison aufführen.

Ingrid Wanja
Foto: Leo Seidel